Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 20.04.2007, Az.: S 15 SF 141/04

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
20.04.2007
Aktenzeichen
S 15 SF 141/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 61621
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2007:0420.S15SF141.04.0A

Tenor:

  1. Auf die Erinnerung des Beklagten vom 01. November 2006 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23. Oktober 2006 - S 15 SB 141/04 - abgeändert.

    Die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Vorverfahrens und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens werden auf insgesamt 533,60 EUR festgesetzt.

    Im Übrigen werden die Erinnerungen zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger von dem Beklagten im Rahmen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) sowie des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu erstattenden Gebühren.

2

Im zugrunde liegenden Klageverfahren begehrte der Kläger, bei dem zuletzt ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 bindend festgestellt worden war, die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 03. Dezember 2003 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2004 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 07. Mai 2004 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2004 zurück. Hiergegen erhob er vor dem Sozialgericht Lüneburg - Az.: S 19 SB 141/04 - Klage. Nach Einholung diverser Befundberichte sowie eines Sachverständigengutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gab der Beklagte mit Schriftsatz vom 06. Juni 2006 ein Anerkenntnis ab, verpflichtete sich, bei dem Kläger einen GdB von 50 ab Januar 2003 festzustellen und erklärte sich bereit, die Kosten des Rechtsstreits in voller Höhe zu erstatten. Dieses Anerkenntnis nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Juni 2006 an.

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Mit Schriftsatz vom 08. September 2006 hat der Kläger Kosten für das WIderspruchsverfahren in Höhe von 368,30 EUR sowie Kosten für das erstinstanzliche Klageverfahren in Höhe von 626,40 EUR geltend gemacht, die sich wie folgt zusammensetzen:

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Widerspruchsverfahren Gebühr gemäß § 116 Abs. 1 BRAGO 297,50 EUR Post- und Telekommunikationsentgelte 20,00 EUR 16 % Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO 50,80 EUR Summe 368,30 EUR

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Klageverfahren Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG 300,00 EUR Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 I Nr. 3 VV-RVG 220,00 EUR Entgelt für Post- und Telekommunikations- dienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV 20,00 EUR 16 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7007 VV 86,40 EUR Summe 626,40 EUR

6

Mit Beschluss vom 23. Oktober 2006 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von dem Beklagten dem Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr für das Vorverfahren gemäß § 116 Abs. 1 BRAGO in Höhe von 200,00 EUR, einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG für das Gerichtsverfahren in Höhe von 250,00 EUR, einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 80,00 EUR und der jeweiligen Auslagenpauschale nebst der auf diese Beträge entfallenden Umsatzsteuer festgesetzt. Entgegen der Ansicht des den Kläger vertretenden Rechtsanwalts sei im Vorverfahren der Aufwand unterdurchschnittlich gewesen. Für das erstinstanzliche Klageverfahren sei die Verfahrensgebühr der Nr. 3103 VV-RVG zu entnehmen, da eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen sei, das gerichtliche Verfahren gestaltete sich dabei als leicht überdurchschnittlich, auch sei die Verfahrensdauer überdurchschnittlich lang gewesen. Hinsichtlich der Terminsgebühr richte sich deren Höhe nach dem Aufwand, den die Prozessbevollmächtigte in einem fiktiven Termin entfaltet hätte. Dieser Umstand rechtfertige eine Erhöhung der Mindestgebühr auf 80,00 EUR.

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Hiergegen hat der Kläger am 30. Oktober 2006 Erinnerung eingelegt. Wegen der psychischen Komponente bei dem Mandanten sei (eigentlich) für das Widerspruchsverfahren die Höchstgebühr gerechtfertigt. Im Hinblick auf das Klageverfahren sei es für den Mandanten enorm wichtig gewesen, den Schwerbehindertenstatus zu erlangen. Auch die Kürzung der Terminsgebühr sei grob unbillig; das sozialgerichtliche Verfahren hätte sich nicht auf die bloße Annahme des Anerkenntnisses beschränkt, vielmehr wäre auch insoweit die Persönlichkeitsstruktur des Mandanten zu berücksichtigen gewesen, der zwingend zu laden gewesen wäre.

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Mit Schriftsatz vom 01. November 2006 hat auch der Beklagte Erinnerung gegen die Höhe der Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr für das Klageverfahren. Das Klageverfahren sei durchschnittlich gewesen, so dass insoweit nur die Mittelgebühr gerechtfertigt sei, hinsichtlich der Terminsgebühr hält er wegen der Abgabe eines vollen Anerkenntnisses nur die Mindestgebühr für angemessen.

9

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat den Erinnerungen nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

10

II.

Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässigen Erinnerungen sind in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet, im Übrigen sind sie unbegründet und waren zurückzuweisen.

11

1. Die Erinnerungen gegen den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23. Oktober 2006 sind hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens unbegründet (dazu unter 2.). Hinsichtlich der zu erstattenden Kosten des Klageverfahrens sind die Erinnerungen des Beklagten bezüglich der Höhe der Verfahrensgebühr und bezüglich der Höhe der (fiktiven) Terminsgebühr teilweise begründet (dazu unter 3.). Die Erinnerung der Klägerin ist demgemäß unbegründet.

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2. Zunächst wird hinsichtlich der festgesetzten Kosten für das Widerspruchsverfahren auf die zutreffenden Ausführungen des Urkundsbeamten, der sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt, verwiesen. Der Urkundsbeamte hat die für das Widerspruchsverfahren nach § 116 Abs. 1 BRAGO angemessenen Gebühren in Höhe von 200,00 EUR zutreffend kostenrechtlich erfasst; die Auslagenpauschale sowie die Umsatzsteuer standen nicht in Streit.

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3. Die Höhe der nach Durchführung eines Sozialgerichtsverfahrens zu erstattenden Gebühr bestimmt sich grundsätzlich nach dem für die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren vor den Sozialgerichten vorgesehenen Gebührenrahmen (§ 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)). Die Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Gebühr ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG dem billigen Ermessen des Prozessbevollmächtigten überlassen, wobei nach dem Gesetzeswortlaut alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen sind. Das Haftungsrisiko ist nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG zu berücksichtigen. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die Gebührenbestimmung des Prozessbevollmächtigten gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Der Prozessbevollmächtigte hat bei der Festsetzung der Gebühr Ermessen auszuüben und alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl. 2004, § 14 RVG Rn. 12).

14

Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt Folgendes:

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a) Eine höhere Verfahrensgebühr als 170,00 EUR ist nicht gerechtfertigt, sie ist unbillig. Insoweit war der Kostenfestsetzungsbeschluss abzuändern.

16

Die Verfahrensgebühr war - entgegen der Auffassung des Klägers - dem Rahmen der Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - zu entnehmen. Insoweit teilt die Kammer die Auffassung des Urkundsbeamten, wonach es einzig und allein darauf ankommt, ob ein Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Unerheblich ist dabei, ob dieses Verwaltungsverfahren nach den Vorschriften der BRAGO oder nach den Vorschriften des RVG zu vergüten war. Ein derartiger Ansatzpunkt lässt sich den Vorschriften des RVG und der Nr. 3103 VV-RVG nicht einmal im Ansatz entnehmen. Auch aus § 61 Abs. 1 RVG lässt sich dies nicht herleiten, da dort lediglich geregelt ist, wann die Vorschriften der BRAGO und wann diejenigen des RVG anzuwenden sind. Demgegenüber sind hier wegen § 61 Abs. 1 S. 2 RVG - was zwischen den Beteiligten auch offenbar nicht umstritten ist - für das Widerspruchsverfahren die Vorschriften der BRAGO und für das Klageverfahren diejenigen des RVG maßgeblich. Nach den Vorschriften des RVG, hier also insbesondere nach Nr. 3103 VV-RVG ist allein entscheidend, dass der Bevollmächtigte - wie hier - bereits in einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig geworden ist.

17

Der so abgesteckte Rahmen sieht eine Gebührenspanne von 20,00 EUR bis 320,00 EUR vor. Erweist sich das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 170,00 EUR angemessen. Liegen Wert und Bedeutung der Sache unter oder über diesem Mittelwert, bietet sich eine entsprechende Quotierung, mithin eine Über- oder Unterschreitung der Mittelgebühr an.

18

Die Kammer ist der Auffassung, dass es sich bei dem Verfahren um ein insgesamt durchschnittliches Verfahren gehandelt hat.

19

Die Bedeutung der Angelegenheit war für den Kläger unterdurchschnittlich, denn der Gegenstand des Verfahrens war die Erhöhung des bereits innegehabten Grades der Behinderung von 40 auf 50. Dass die Erhöhung des Grades der Behinderung auch mit der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft einhergeht, führt nach Auffassung der Kammer wegen des "günstigen Ausgangspunktes" - nämlich der Anerkennung eines Grades der Behinderung von 40 - nicht dazu, dass von einer überdurchschnittlichen Bedeutung für den Kläger auszugehen wäre. Darüber hinaus liegt die wesentliche Rechtsbedeutung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers im Steuerrecht. Eine existenzsichernde oder arbeitsplatzsichernde Funktion kam der erfolgreichen Klage nicht zu; jedenfalls ist hierzu weder etwas vorgetragen, noch im Übrigen sonst ersichtlich.

20

Der Kläger hat darüber hinaus für die in § 14 Abs. 1 S. 1 und S. 3 RVG genannten sonstigen Kriterien, mithin die Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder ein besonderes Haftungsrisiko, nichts vorgetragen, was sich als überdurchschnittlich einstufen ließe; vielmehr sind sie als unterdurchschnittlich zu bewerten, da der Kläger Lohnersatzleistungen bezog bzw. bezieht.

21

Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit waren durchschnittlich. Es hatte keine Auseinandersetzung mit schwierigen tatsächlichen Sachverhalten oder juristischen Rechtsfragen zu erfolgen. Als durchschnittliches Verfahren ist ein Gerichtsverfahren, das die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft zum Ziel hat, insbesondere dann zu bewerten, wenn der Prozessbevollmächtigte Klage einlegt, die Verwaltungsvorgänge zur Akteneinsicht anfordert, diese auswertet und sich mit denjenigen Befundberichten und mindestens einem fachärztlichen Sachverständigengutachten inhaltlich schriftsätzlich auseinandersetzt, die anlässlich des laufenden Klageverfahrens eingeholt werden. Streitgegenständlich war vorliegend die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50, die Vergabe eines Merkzeichens wurde nicht gefordert. Die Verfahrensdauer war zwar überdurchschnittlich lang, allerdings kann dies - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - nicht zur Bejahung einer überdurchschnittlich umfangreichen oder schwierigen anwaltlichen Tätigkeit führen, da in dem Zeitraum von Januar 2005 und Februar 2006 - dem Zeitpunkt des Wechsels im Kammervorsitz - keinerlei Bewegung im Klageverfahren erfolgte und auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers in diesem Zeitraum keine (erkennbare) Tätigkeit entfaltete. Darüber hinaus handelte es sich insgesamt auch nur um ein vergleichsweise geringes Aktenvolumen. Die Erhebung der Klage, die Durcharbeitung der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Prozessakte sowie die sonstige Korrespondenz des Prozessbevollmächtigten des Klägers und die in diesem Zusammenhang durchgeführten Besprechungen wiesen im vorliegenden Fall nach Einschätzung des Gerichts keinen Umfang oder eine Schwierigkeit auf, die die Überschreitung der Mittelgebühr rechtfertigen könnten. Vielmehr entspricht der geschilderte Aufwand des Prozessbevollmächtigten nach Auffassung des Gerichts einer durchschnittlichen Bearbeitung durch einen im Sozial- und Sozialversicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt. Das Verfahren ist daher als durchschnittlich einzustufen. Insoweit sind die von dem Prozessbevollmächtigten genannten Tätigkeiten für einen ordnungsgemäß beratenden und vertretenden Rechtsanwalt obligatorisch, so dass sich hieraus nicht ergibt, dass die Mittelgebühr überschritten werden könnte.

22

Im Übrigen ist nach Auffassung der Kammer ohnehin regelmäßig erst dann von einem durchschnittlichen sozialgerichtlichen Verfahren im Schwerbehindertenrecht auszugehen, wenn im vorbereitenden Verfahren zumindest - zusätzlich zu den oben aufgeführten obligatorischen Tätigkeiten - auch ein fachärztliches Sachverständigengutachten ausgewertet werden und diese Auswertung schriftsätzlich dokumentiert wird. Abweichend von diesem Regelfall kann auch dann von einem durchschnittlich schwierigen oder umfangreichen Verfahren ausgegangen werden, wenn die schriftsätzliche Auswertung besonders umfangreicher ausführlicher Befundberichte, ein langer Beurteilungszeitraum oder die Prüfung der medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung mindestens eines Merkzeichens anhand mehrerer Befundberichte oder aber mehrerer gutachtlicher Stellungnahmen erforderlich ist. Insoweit ist hier zunächst wegen des Fehlens einer schriftsätzlichen Auswertung des Sachverständigengutachtens eine besonders umfangreiche oder schwierige Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten schon nicht zu erkennen, so dass allein darauf abstellend, sogar von einem unterdurchschnittlich umfangreichen oder schwierigen Aufwand ausgegangen werden könnte. Indes ist - darauf hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers zu Recht hingewiesen - auch nicht unberücksichtigt zu lassen, dass sich wegen der psychiatrischen Erkrankung des Klägers der Umgang nach dem unwidersprochenen Vortrag der Prozessbevollmächtigten als schwierig darstellte. Dieser Aspekt wird dadurch gestützt, dass das Ausmaß der psychiatrischen Erkrankung im Verfahren letztlich auch zur Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft führte. Daher hebt sich die oben gezeigte unterdurchschnittlich umfangreiche und schwierige Tätigkeit des Rechtsanwalts auf ein insgesamt durchschnittliches Niveau an.

23

Wägt man die dargestellten insgesamt durchschnittlichen Anforderungen der anwaltlichen Tätigkeit und die Einkommensverhältnis des Klägers mit der unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit ab, so rechtfertigt dies gerade noch die Zuerkennung der Mittelgebühr in Höhe von 170,00 EUR.

24

b) Die Bestimmung der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr ist nicht verbindlich, weil sie unbillig ist. Jedoch wird auch die Festsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf 80,00 EUR dem Verfahren kostenrechtlich nicht gerecht, so dass der Kostenfestsetzungsbeschluss auch insoweit abzuändern war.

25

Der Rechtsstreit wurde durch die Annahme eines Anerkenntnisses beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden.

26

Durch die Regelung der Nr. 3106 VV-RVG (Ziffern 1 bis 3) soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur Wahrung des Gebührenanspruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die Durchführung des Termins zu verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die "fiktive" Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Nr. 1 bis 3 VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer hält an ihrer bisherigen Rechtsauffassung, wonach sich die Höhe der Terminsgebühr an der Höhe der Verfahrensgebühr zu orientieren hatte, nicht mehr fest und teilt nunmehr auch die Auffassung des Sozialgerichts Hannover (vgl. u. a. Beschluss vom 20. Dezember 2005, - S 34 SF 119/05 -) und des Sozialgerichts Lüneburg (vgl. Beschluss vom 29. August 2006, - S 5 SF 79/06 - und Beschluss vom 29. August 2006, - S 14 SF 42/06 -), wonach bei der Bemessung der Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Somit ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden hätte (vgl. auch Beschluss der Kammer vom 19. April 2007, - S 15 SF 48/06 -).

27

Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG daher erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Festlegung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer eigenständigen Festsetzung unter Beachtung der in § 14 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung eines Gebührenrahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in denen keine Betragsrahmengebühren entstehen einen festen Wert - nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen von 1,2 - festgeschrieben hat. Insoweit ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht immer dann, wenn es um die Abgeltung der fiktiven Terminsgebühr geht, quasi automatisch nur die Mindestgebühr gerechtfertigt. Anderenfalls hätte der Normgeber auch bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag festgeschrieben wie er es beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2600 ff. VV-RVG, in Strafsachen bei den Gebühren des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG getan hat. Auch wenn in diesen Verfahren keine Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.

28

Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwischen 20,00 EUR und 380,00 EUR auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 RVG, dass insoweit eine unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr hinsichtlich der Terminsgebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall abgewogen werden.

29

Unter Beachtung aller Abwägungskriterien, die für die Verfahrensgebühr die Mittelgebühr rechtfertigt, erscheint eine Terminsgebühr in Höhe eines Viertels der Mittelgebühr angemessen.

30

Dabei ist der anwaltliche Aufwand für den nicht stattgefundenen entbehrlichen Termin als weit unterdurchschnittlich zu werten. Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Nr. 3 VV RVG - also bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis - besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre. Sinn und Zweck des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist in erster Linie die sachgerechte Vergütung (des Aufwands) für den Bevollmächtigten. Diese ist aber erfahrensgemäß sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen muss oder nicht. Nimmt der Mandant ein Anerkenntnis der Gegenseite an, führt dies auch beim Bevollmächtigten zu einer erheblichen Reduzierung seines Aufwands in diesem Verfahren. Die Annahme des Anerkenntnisses kann er dem Gericht in einem kurzen Schriftsatz mitteilen. Der im Vergleich zur notwendigen Teilnahme einer mündlichen Verhandlung also deutlich verminderte Aufwand kann gebührenrechtlich nicht außer Betracht bleiben. Unberücksichtigt bleiben darf dabei auch nicht, dass eine mündliche Verhandlung, welche regelmäßig eine zusätzliche Vorbesprechung, Vorbereitung und Terminswahrnehmung mit - je nach Einzelfall unterschiedlich aufwändigem - Hin- und Rückweg nicht stattgefunden hat. In der Zusammenschau sieht das Gericht deshalb den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit insoweit als weit unterdurchschnittlich an.

31

Da bei der Bemessung auch der Terminsgebühr gemäß § 14 RVG jedoch alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, kann andererseits auch nicht allein auf den zu erwartenden geringen Aufwand allein abgestellt werden.

32

Indes erscheint auch der Schwierigkeitsgrad eines entsprechenden Termins unterdurchschnittlich. Streitig war zwar insoweit die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. Gemessen an dem Schwierigkeitsgrad der sonstigen bei den Sozialgerichten zu verhandelnden Rechtsstreitigkeiten auch im Schwerbehindertenrecht, in dem im Termin medizinische Unterlagen und regelmäßig ein ausführliches schriftliches Sachverständigengutachten auszuwerten und zu erörtern sind sowie gegebenenfalls eine Anhörung der Beteiligten erforderlich ist, weicht die Schwierigkeit eines solchen (fiktiven) Termins zweifelsfrei nach unten ab, zumal auch nicht die Zuerkennung der medizinischen Voraussetzungen für ein Merkzeichen begehrt worden ist und hätte erörtert werden müssen. Auch und gerade darf bei der Bewertung des Schwierigkeitsgrades kostenrechtlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte die Klägerin klaglos gestellt hat und es in einem etwaigen Termin lediglich noch der Erklärung der Annahme des Anerkenntnisses bedurft hätte. Der vorliegende Termin wäre bezogen auf die Höhe der Terminsgebühr nach alledem mit Sicherheit nicht durchschnittlich schwierig.

33

Wägt man die dargestellten unterdurchschnittlichen Anforderungen an die hypothetische anwaltliche Tätigkeit mit den unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen und der unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sowie das unterdurchschnittliche Haftungsrisiko gegeneinander ab, ist das vorliegende Streitverfahren auch hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 50,00 EUR - mithin in Höhe eines Viertels der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst.

34

4. Im Übrigen verbleibt es bei den Festsetzungen im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Oktober 2006; die Festsetzung der Auslagenpauschale und der Mehrwertsteuer stand nicht in Streit.

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Es ergibt sich folgende Berechnung:

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Widerspruchsverfahren Gebühr gemäß § 116 Abs. 1 BRAGO 200,00 EUR Post- und Telekommunikationsentgelte 20,00 EUR 16 % Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO 35,20 EUR Summe 255,20 EUR

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Klageverfahren Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG 170,00 EUR Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 I Nr. 3 VV-RVG 50,00 EUR Entgelt für Post- und Telekommunikations- dienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV 20,00 EUR 16 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7007 VV 38,40 EUR Summe 278,40 EUR

38

Insgesamt ergibt dies den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag.

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5. Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig.