Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 31.07.2007, Az.: S 30 AS 968/07 ER

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
31.07.2007
Aktenzeichen
S 30 AS 968/07 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 61655
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2007:0731.S30AS968.07ER.0A

Tenor:

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

    Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung eines Darlehens für einen Umzug von ihrer jetzigen Wohnung in eine Wohnung in der D. sowie für die Mietkaution in Höhe von 705,58 EUR. Weiter beantragt sie, ihr Leistungen für die Kosten der Unterkunft der in Aussicht genommenen Wohnung in der D. in voller Höhe zu gewähren.

2

Die Antragstellerin bezieht Leistungen nach dem SGB II. Sie wohnt derzeit in einer Wohnung von 30 m2 und möchte umziehen, auch um mit ihren Kindern das Umgangsrecht problemloser durchführen zu können. Die in Aussicht genommene Wohnung in der D. ist 60 m2 groß. Die Kaltmiete beträgt 352,97 EUR. Hinzu kommen Nebenkosten außer Heizkosten in Höhe von monatlich 62,37 EUR.

3

Der Antrag hat keinen Erfolg.

4

Der Antrag ist zulässig, auch wenn gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin bisher keine Klage erhoben wurde. Die Durchführung eines Eilverfahrens ist nur möglich in den Fällen, in denen ein streitiges Rechtsverhältnis besteht, also ein Widerspruch- oder Klageverfahren. Zwar ist gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Juli 2007 noch kein Widerspruch eingelegt worden; die Widerspruchsfrist ist jedoch noch nicht abgelaufen. Da die Antragstellerin daher noch die Möglichkeit hat, gegen den Widerspruchsbescheid im Wege der Klage vorzugehen, ist die Durchführung eines Eilverfahrens zulässig.

5

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.

6

Voraussetzung für den Erlass der hier von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

7

Im vorliegenden Fall wurde ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Mietkaution sowie Gewährung der Kosten für den Umzug in die in Aussicht genommene Wohnung in der D. und die Kosten der Unterkunft hierfür.

8

Nach § 22 Abs. 3 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Die Übernahme dieser Kosten steht im Ermessen des Leistungsträgers. Das Leistungsermessen ist eingeschränkt, wenn der Umzug durch den Leistungsträger veranlasst oder sonst notwendig ist. Notwendig ist ein bestimmter Umzug nicht schon dann, wenn der Auszug aus der bisherigern Unterkunft erforderlich ist, sondern erst dann, wenn der Einzug in eine kostenangemessene Unterkunft erfolgt (Berlit in LPK SGB II, Randnr. 57 und 59). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der in Aussicht genommenen Wohnung jedoch nicht um eine kostenangemessene Unterkunft.

9

Nach der ständigen Rechtsprechung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen sowie des Sozialgerichtes Lüneburg, die der Antragsgegnerin bekannt ist, ist für die Frage die Angemessenheit der Wohnung die Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz, und zwar die äußerste rechte Spalte, zu Grunde zu legen. Im vorliegenden Fall führt das dazu, dass für die Antragstellerin Unterkunftskosten ohne Heizkosten bis zur monatlichen Höhe von 350,00 EUR als angemessen anzusehen sind. Für die Stadt E. gilt die Mietenstufe 5, so dass bei einem Haushalt mit einem Mitglied - wie hier - der Tabellenwert nach § 8 Wohngeldgesetz 350,00 EUR beträgt. Die in Aussicht genommene Wohnung ist daher zu teuer und darüber hinaus mit 60 m2 zu groß.

10

Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie benötige mehr Raum, um das Umgangsrecht mit ihren Kindern auszuüben, und jedenfalls einer ihrer Söhne habe erklärt, er würde sich überlegen, zu ihr zu ziehen, wenn sie über eine größere Wohnung verfüge, führt dies zu keiner anderen Entscheidung.

11

Zwar hat nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 07. November 2006, Az: B 7 b AS 14/06 R) der Aufenthalt von Kindern bei Leistungsempfängern im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts keinen Besuchscharakter. Das Bundessozialgericht hat hierzu entschieden: "Die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II verlangt schon nach ihrem Wortlaut ("dem Haushalt angehörend") kein dauerhaftes "Leben" im Haushalt wie etwa Abs. 3 Nr. 2 und 3. Es genügt vielmehr ein dauerhafter Zustand in der Form, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wie vorliegend - bei dem Kläger länger als einen Tag wohnen, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen. Auch nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung kann bei minderjährigen Kindern eine getrennte und damit doppelte Bedarfsgemeinschaft sowohl mit dem einen als auch dem anderen Elternteil angenommen werden, etwa wenn sich die Eltern darauf einigen, die Kinder abwechselnd im Haushalt des Einen und des Anderen zu versorgen. Diese Situation unterscheidet sich jedenfalls qualitativ nicht von der Konstellation, dass die Kinder nur an wenigen Tagen außerhalb des Haushaltes der Mutter dem Haushalt des Vaters angehören. Der rein quantitative Unterschied der Anzahl der Tage kann jedoch nicht bedeuten, dass die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft, die sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen Elternteil besteht, ausgeschlossen ist. dass sich bei der Annahme einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft in der Praxis Umsetzungsprobleme ergeben werden, ist hinzunehmen und Folge der problematischen Rechtsfigur der Bedarfsgemeinschaft "

12

Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Antragstellerin nicht schon aufgrund der Tatsache, dass die Kinder sich einige Tage im Monat bei ihr aufhalten und sie mit diesen für diesen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft bildet, ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Unterkunft für eine für sie allein zu große und zu teure Wohnung zusteht. Das Bundessozialgericht hat in der oben genannten Entscheidung darauf hingewiesen, dass es bei der Annahme einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft Umsetzungsprobleme geben wird, was den Schluss zulässt, dass für diese Art Bedarfsgemeinschaften nicht zwangsläufig dieselben Maßgaben gelten wie für diejenigen, die das Gesetz ausdrücklich vorsieht.

13

Auch wenn die Kinder der Antragstellerin möglicherweise Ansprüche nach dem SGB II haben, bestehen diese nach Auffassung der Kammer nicht darin, dass der Mutter eine größere Wohnung zu gewähren ist, als sie für eine Alleinstehende angemessen ist. Es ist sowohl der Antragstellerin als auch ihren Kindern zuzumuten, sich für die Dauer der Aufenthalte, auch wenn sie nicht nur als Besuche gelten, in einer kleineren Wohnung einzurichten. Dies folgt insbesondere daraus, dass sich die Kinder eben nur einige Tage im Monat und zeitweise während der Ferien bei der Antragstellerin aufhalten. Hinsichtlich der übrigen Zeit im Monat wäre die Antragstellerin sowohl gegenüber Hilfebedürftigen, die gemeinsam mit ihren Kindern dauerhaft in einer Wohnung leben, als auch gegenüber alleinstehenden Hilfebedürftigen im Vorteil. Erstere hätten einen ebenso großen Wohnraum wie die Antragstellerin zur Verfügung, müssten sich diesen aber dauerhaft mit mehr Personen teilen, so dass die Wohnfläche pro Person geringer wäre. Das gleiche gilt für alleinstehende Hilfebedürftige. Die Antragstellerin hätte für die überwiegende Zeit des Monats mehr Wohnraum als diese zur Verfügung. Das Gericht ist der Auffassung, dass jedenfalls im vorliegenden Fall die monatlich anteilige Zeit, die die Kinder bei der Antragstellerin verbringen, keine hinreichende Rechtfertigung für eine solche Ungleichbehandlung darstellt. Anders wäre es möglicherweise, wenn sich die Eltern das Sorgerecht teilen und die Kinder einen größeren Zeitanteil bei einem hilfebedürftigen Elternteil verbringen. So ist es hier jedoch nicht. Es gibt darüber hinaus auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es der Antragstellerin nicht möglich wäre, beispielsweise in einer Wohnung von 50 m2, wie sie für sie angemessen wäre, ihr Umgangsrecht mit den Kindern auszuüben.

14

Sollte der Sohn der Antragstellerin tatsächlich bei ihr leben, wäre die angemietete Wohnung allerdings angemessen entsprechend den Werten der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz. Dass dies unmittelbar bevorsteht, hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht. Dass der Sohn der Antragstellerin angegeben hat, er überlege sich, zu seiner Mutter zu ziehen, wenn diese eine größere Wohnung beziehe, kann nicht zu der Annahme führen, dass er dies zwangsläufig tatsächlich tun wird. Das Gericht geht davon aus, dass das Sorgerecht für die Kinder bei dem Vater liegt. Auch der - bisher noch nicht endgültige - Wunsch des 9-jährigen Sohnes, zur Mutter zu ziehen, hätte daher nicht automatisch zur Folge, dass dies auch so geschehen würde. Vielmehr dürfte in diesem Fall eine Änderung des Sorgerechts notwendig sein.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.