Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 04.10.2007, Az.: S 22 SO 298/05
Übernahme der Kosten einer ambulanten Pflege anstatt einer stationären Unterbringung in einem Pflegeheim; Zumutbarkeit der Leistungserbringung in einer geeigneten stationären Einrichtung; Unverhältnismäßige Mehrkosten durch ambulante Betreuung
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 04.10.2007
- Aktenzeichen
- S 22 SO 298/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 65538
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2007:1004.S22SO298.05.0A
Rechtsgrundlage
- § 13 Abs. 1 SGB XII
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt vom Beklagten die Übernahme der Kosten einer ambulanten Pflege anstatt einer stationären Unterbringung in einem Pflegeheim.
Der 1955 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an einer Spastik. Er erlangte die mittlere Reife und erlernte den Beruf des Bürokaufmanns, ehe er als Verwaltungsangestellter der Stadt H. arbeitete. Bei einem Unfall im Jahre 1994 brach er sich den obersten Halswirbel, was erst später erkannt wurde. Eine Operation zur Stabilisierung schlug fehl. Der Grad der Pflegebedürftigkeit des Klägers entspricht der Pflegestufe III.
Der hoch querschnittsgelähmte Kläger, der sich nunmehr im elektrischen Rollstuhl fortbewegt, entschied sich nach den Klinikaufenthalten und einem Aufenthalt im Alten - und Pflegeheim I., in das J. zu ziehen. Dabei handelt es sich um ein Heim, in dem Pflegebedürftige mit einer schweren Körperbehinderung im Sinne der Eingliederungshilfe ab dem 18. Lebensjahr untergebracht werden. Die monatlichen Kosten der Unterbringung belaufen sich auf 5.424,98 Euro zuzüglich einmaliger Leistungen.
Im Lauf der Zeit verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Klägers, weil der Schmerzsymptomatik nicht adäquat entgegen gewirkt werden konnte.
Der Kläger beantragte am 22. März 2005 die Kostenübernahme für eine häusliche Pflege rund um die Uhr in einer eigenen Wohnung durch die K. (Bl. 240 der Verwaltungsakte). Diesen begründete er im Wesentlichen wie folgt:
Er habe den Wunsch, ein Leben in Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu führen. Er benötige eine "Persönliche Assistenz". Sein Hilfebedarf verändere sich von Tag zu Tag, so dass der ständige Wechsel an Pflegepersonal im Heim seinem Bedarf nicht gerecht werde. Ihm sei wichtig, dass er sein Pflegepersonal kenne und darüber mitbestimmen könne.
Daraufhin veranlasste der Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch die L. für Körperbehinderte Dr. M., welche in einem Schreiben vom 17. Juni 2005 feststellte, dass aus sozialmedizinischer Sicht nichts gegen den Einzug in eine eigene Wohnung spreche.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05. Juli 2005 (Bl. 3 bis 4 der Verwaltungsakte) ab und begründete dies wie folgt:
Der Vorrang ambulanter vor stationären Maßnahmen gelte nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar ist und die ambulante Leistung unverhältnismäßige Mehrkosten verursache. Dies sei hier der Fall, weil die ambulante Versorgung 15.866,20 Euro pro Monat koste und um 260 Prozent höher sei als die Kosten der stationären Unterbringung. Ferner sei die stationäre Unterbringung zumutbar, weil auf die Bewohnerstruktur, Wünsche des Klägers bei Einzug und familiäre sowie örtliche Umstände Rücksicht genommen worden sei. Zur Teilhabe werde dem Kläger auch eine Taxenpauschale von 50,- Euro gewährt.
Dagegen legte der Kläger am 23. August 2005 Widerspruch ein (Bl. 7 bis 8 der Verwaltungsakte) und begründete diesen wie folgt:
Eine stationäre Unterbringung sei für ihn unzumutbar. Im Heim werde sein Leben und sein Tagesablauf fremd bestimmt. Zudem herrsche Personalmangel, der sich auch auf die Lebensqualität auswirke. Es habe sich mittlerweile die Bewohnerstruktur verändert, so dass Pflegeleistungen anstelle von Eingliederungshilfe im Vordergrund stünden.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2005 zurück (Bl. 12 bis 17 der Verwaltungsakte) und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:
Eine stationäre Unterbringung wäre nur dann unzumutbar, wenn die Einrichtung ungeeignet ist oder wegen Qualitätsmängeln eine menschenwürdige Unterbringung nicht gesichert sei. Auch der Vortrag des Klägers, nach welchem er nach 10 Jahren nicht mehr in einem Heim leben wolle, reiche zur Bejahung des Tatbestandsmerkmales der Unzumutbarkeit nicht aus. Zudem habe er zu keinem Zeitpunkt Beanstandungen gegenüber dem Heimträger vorgebracht. Örtliche oder familiäre Umstände für die Unzumutbarkeit seien nicht erkennbar. Auch die Landesärztin habe sich nicht gegen die Zumutbarkeit der Heimunterbringung geäußert. Aufgrund dessen sei der Antrag zu Recht abgelehnt worden, weil durch die ambulante Betreuung unverhältnismäßige Mehrkosten entstünden.
Der Kläger hat am 04. November 2005 Klage erhoben.
Er trägt vor:
Der Charakter des N. habe sich stark verändert zu einer Pflegeeinrichtung. Die individuelle Mobilisierung und Selbständigkeit sei in den Hintergrund getreten. Der Kläger habe sich durch die Regeln des Heimalltages zunehmend eingeengt gesehen. Rechtlich könne er die begehrte Leistung beanspruchen, weil ihm der weitere Aufenthalt im Heim nicht zumutbar sei. Es sei auf einen vernünftig urteilenden Mensch anstelle des Betroffenen abzustellen. Dabei sei der Fokus auf die konkrete individuelle Lebenssituation zu richten, die sich beim Kläger dadurch auszeichne, dass er ständig unter erheblichen Schmerzen leide, die auch medikamentös nicht vollständig beseitigt werden könnten. Zudem sei er ein eigenwilliger Mensch, der als vorrangiges Ziel ein eigenständiges Leben führen wolle. Dazu bedürfe er eines hohen Maßes an Flexibilität, welches im Heim nicht gegeben sei. Er müsse sich in Schmerzphasen zurückziehen können und bedürfe hingegen in schmerarmen Phasen verstärkter Unterstützung. Er könne insgesamt die Situation in einem Heim schlechter kompensieren, worunter er zeitweise auch körperlich durch starken Gewichtsverlust gelitten habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 05. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2005 den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für die häusliche Pflege in Form der "Persönlichen Assistenz" zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Die stationäre Unterbringung sei zumutbar, so dass es auf einen Kostenvergleich und damit auf die Unverhältnismäßigkeit der Merkosten ankomme. Der Vortrag des Klägers reiche zur Annahme der Unzumutbarkeit des Verbleibes nicht aus. Fiskalische Gesichtspunkte spielten eine Rolle bei der Entscheidung durch die Behörde, was auch vom Willen des Gesetzgebers gedeckt sei. Im Übrigen seien dem Kläger auch bei stationärer Unterbringung eine Vielzahl von Aktivitäten möglich, die seine Lebensqualität erhöhten. Dass unverhältnismäßige Mehrkosten vorlägen, sei evident.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch - psychiatrischen Gutachtens von Dr. O. vom 15. März 2007 (Bl. 105 bis 114 der Gerichstakte), in welchem dieser zu dem Ergebnis gelangt, dass keine Einrichtung in Hamburg existiert, die geeigneter als das P. sei. Dieses entspreche jedoch nicht dem Teilnahmebedürfnis des Klägers. Dort könne nicht flexibel und einzelfallbezogen auf die Bedürfnisse des Klägers eingegangen werden. Eine persönliche Assistenz sei medizinisch möglich und der Kläger könne damit mit Sicherheit selbständiger leben. Der qualitative Unterschied sei erheblich.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 05. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2005 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide sind im Rahmen der Hilfe zur Pflege bzw. Eingliederungshilfe §§ 61, 53, 54, 13 Absatz 1 Satz 4 SGB XII. Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 61 SGB XII liegt im vorliegenden zweifelsfrei vor. Auch der Umfang ist unstreitig. Der Kläger ist auch mit der Lähmung wesentlich körperlich behindert im Sinne von § 2 SGB IX.
Gemäß § 13 Absatz 1 SGB XII können Leistungen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfes außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen erbracht werden. Bei letzteren handelt es sich um Einrichtungen, in den der Hilfebedürftige lebt und die erforderlichen Hilfeleistungen erhält. Nach § 13 Absatz 1 Satz 4 SGB XII gilt der Vorrang der ambulanten Leistungen nicht, wenn eine Leistung in einer geeigneten stationären Einrichtung zumutbar ist und eine ambulante Leistungen mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Auf den Mehrkostenvergleich kommt es nach § 13 Absatz 1 Satz 5, 7 SGB XII nicht an, wenn die stationäre Unterbringung unzumutbar ist (vgl. Beschluss des Landessozialgerichtes Niedersachsen - Bremen vom 07. Juni 2007, - L 8 SO 118/07 ER -).
Bei der Zumutbarkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff dessen Auslegung sich insbesondere an § 13 Absatz 1 Satz 6 SGB XII orientiert (vgl. Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm, Kommentar zum SGB XII, § 13, Rdn. 6; Grube/ Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 13, Rdn. 5). Nach dieser Norm sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Im Rahmen des Begriffes der Angemessenheit steht dem Sozialhilfeträger ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm a.a.O..). Dabei ist eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen (vgl. Beschluss des Sozialgerichtes Hamburg vom 15. Dezember 2005, - S 50 SO 583/05 ER -), welche immer auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt sein muss (vgl. Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 11. Februar 2000, - 13 B 3030/99 -).
Unzumutbarkeit liegt in der Regel dann vor, wenn bei einer stationären Unterbringung unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben droht, etwa wenn ernsthaft mit einem Suizid des Hilfebedürftigen zu rechnen ist ( vgl. Beschluss des Landessozialgerichtes Niedersachsen - Bremen vom 07. Juni 2007 a.a.O..). Gleiches gilt, wenn er in der Einrichtung nichtmenschenwürdig wohnt oder wegen erheblicher Qualitätsmängel nicht fachgerecht betreut wird (vgl. LPK - SGB XII - Krahmer, § 13, Rdn. 9; Beschluss des Sozialgerichtes Hamburg vom 15. Dezember 2005, - S 50 SO 583/05 ER -).
Unzumutbarkeit aus persönlichen Gründen liegt auch vor, wenn ein junger Pflegebedürftiger auf das Altersheim verwiesen wird (vgl. Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 28. August 1996, - 4 L 1845/96 -; Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm, a.a.O..)
Ein persönlicher Umstand besteht in dem Verlust der sozialen Gemeinschaft, welche bei Eintritt in ein Heim verloren gehen würde (vgl. Grube/ Wahrendorf, § 13, Rdn. 5).
Familiäre Umstände liegen vor, wenn beispielsweise eine Pflege durch einen Angehörigen bei Wechsel in eine Heim nicht fortgesetzt werden könnte (vgl. LPK - SGB XII - Krahmer a.a.O..)
Im vorliegenden Fall ergibt eine Gesamtabwägung aller entscheidungserheblichen Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. O., dass eine Heimunterbringung dem Kläger nicht unzumutbar ist:
Dr. O. konstatiert keine erheblichen Pflegemängel oder das völlige Fehlen von Maßnahmen der Eingliederungshilfe. Insbesondere besteht keine Lebensgefährdung und Beeinträchtigung der Menschenwürde des Klägers, was im Übrigen nicht vorgetragen wurde. Der 1955 geborene Kläger wird auch nicht unzumutbarer Weise auf ein Altersheim verwiesen. Auch familiäre Aspekte spielen bei dem Wunsch nach ambulanter Betreuung keine entscheidende Rolle, weil der Kläger bereits seit mehr als 10 Jahren stationär untergebracht wird. Soziale Kontakte würden dadurch nicht zerstört, wobei der Kläger solche Aspekte bei Antragstellung auch nicht vornehmlich vorgebracht hat.
Das Landessozialgericht Hamburg stuft eine Verweisung auf eine stationäre Unterbringung im Falle der Beantragung einer ambulanten Versorgung "rund um die Uhr" nicht als unzumutbar ein, wenn rechtzeitige Notfallhilfe sichergestellt sei und das Grundbedürfnis des Betroffenen nach Kontakt und Kommunikation nicht unzumutbar eingeschränkt wird (vgl. Beschluss vom 14. Februar 2006, - L 4 B 406/05 SO ER -). Dabei hat es eine wöchentlich halbstündige ambulante Betreuung und die Möglichkeit, uneingeschränkt Besuche zu empfangen und fernzusehen, als ausreichend angesehen.
So liegt es prinzipiell auch im vorliegenden Fall. Der Kläger hat sich noch nicht an die Heimleitung gewandt, um sämtliche Maßnahmen auszuschöpfen. Denkbar wäre auch die Bewilligung spezieller ambulanter Betreuung, zu der der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Antrag stellen müsste. Es muss ferner berücksichtigt werden, dass der Kläger sich im geeignetesten Heim in Hamburg befindet, was auch in den überdurchschnittlichen Kosten der Unterbringung zum Ausdruck kommt.
Die ambulante Betreuung verursacht im vorliegenden Fall unverhältnismäßige Mehrkosten für den Beklagten, so dass dieser zu Recht die begehrte Leistung ablehnen durfte. Die Feststellung, ob unverhältnismäßige Mehrkosten vorliegen, ist nach den besonderen örtlichen und persönlichen Verhältnissen im Einzelfall zu treffen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. November 1994, - 5 C 13.92 -, BVerwGE 97, 103, 107 [BVerwG 17.11.1994 - 5 C 13/92]; Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm, § 13, Rdn. 5). Dabei existiert nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes zu der Vorgängerregelung des § 3 Absatz 2 BSHG keine starre Grenze, ab welcher Unverhältnismäßigkeit angenommen werden muss (vgl. Beschluss vom 25, Mai 1990, - 4 M 44/90 -, FEVS 41, 68, 70). In den Niedersächsischen Hinweisen zur Sozialhilfe wird auf eine Grenze von 50 Prozent übersteigender Kosten Bezug genommen worden (vgl. HzSH, § 9, Rdn. 9.2.6).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist im Rahmen des Kostenvergleiches nicht auf die absoluten Kosten der Pflegeeinrichtungen abzustellen, sondern auf die Mehrkosten, welche für den örtlichen Sozialhilfeträger entstehen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Februar 1982, - 5 C 85.80 -, FEVS 31, 221, 225; Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Januar 1987, - 5 C 10.85 -, FEVS 36, 353, 359). Dieser Rechtsprechung, der auch die Kammer folgt, haben sich mit Urteil vom 14. März 1997 (- 6 S 775/95 -, FEVS 48, 86 ff.) der Verwaltungsgerichtshof Baden - Württemberg und mit Urteil vom 26. Juli 1982 auch dar Bayerische Verwaltungsgerichtshof (- 12 B 80 A. 1474 -, FEVS 32, 228, 236) angeschlossen, die beide auf die tatsächlichen Aufwendungen des Sozialhilfeträgers abgestellt haben.
Dem ist zwar das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. Mai 1990 (s.o.) entgegengetreten, jedoch vermag die Argumentation, welche zum Teil auch im Schrifttum aufgegriffen und weiter entwickelt wurde ( vgl. LPK - SGB XII - Krahmer § 13, Rdn. 10; Krahmer, ZfF 2000, 265, 267), nicht zu überzeugen, weil der zentrale Schutzzweck des § 13 Absatz 1 Satz 4 bis 7 SGB XII ( bzw. § 3 Absatz 2 BSHG) verkannt wird. Dieser besteht in dem Schutz des örtlichen Sozialhilfeträgers vor unverhältnismäßigen Mehrkosten, die durch die in Ausübung des Wunschrechtes des Leistungsberechtigten geleistete ambulante Hilfe entstehen. Nach dem Sinn und Zweck der Norm und den Regelungskontext kann zulässigerweise nur auf die Kosten abgestellt werden, die den Sozialhilfeträger letztlich treffen. Denn dies ergibt sich gerade bei teleologischer Auslegung. Dabei trifft der Hinweis von Krahmer zwar zu, dass die Besserstellung des Sozialhilfeträgers bei der Heimunterbringung aus der Anrechnung sämtlicher Einkünfte im Rahmen von §§ 85, 87, 19 Absatz 3 SGB XII resultiert, wie es im Übrigen auch im vorliegenden Fall zutreffend ist. Dies führt dann nach Krahmer zu einer Ungleichbehandlung in Vergleich zu einem Pflegebedürftigen, der über keinerlei Einkünfte verfügt. Hierin vermag die Kammer aber keinen Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz zu erkennen, weil es ein sachlich gerechtfertigtes Differenzierungskriterium, nämlich den Bezug von Einkommen, gibt. Mit den §§ 85 ff. SGB XII schuf der Gesetzgeber ein abgeschlossenen Regelungssystem, welches das Nachrangigkeitsprinzip der Sozialhilfe in zulässiger Form konkretisierte. Dieses würde bei anderer Auslegung der Norm aus den Angeln gehoben.
Dies zugrunde gelegt, ist die Unverhältnismäßigkeit der anfallenden Mehrkosten bei ambulanter Hilfe evident, weil die Kosten der ambulanten Betreuung diejenigen der stationären Unterbringung etwa um 260 Prozent übersteigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.