Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 12.05.2009, Az.: S 12 SF 56/09 E

Anerkenntnis; Annahme; Aufwand; Austausch; Bemessung; Betragsrahmengebühr; Erinnerung; Erinnerungsbefugnis; Erledigung; Erledigungsgebühr; Festsetzung; fiktive Terminsgebühr; Gebührentatbestand; Gericht; Grundsicherung für Arbeitsuchende; Kostenanspruch; Kostenfestsetzungsverfahren; Prozesskostenhilfe; Prüfung; Rechtsanwaltsvergütung; Sachverhaltsänderung; Sozialgerichtliches Verfahren; Sozialgerichtsverfahren; Staatskasse; Terminsgebühr; Urkundsbeamte; Verfahrensgebühr; Vergleichsbetrachtung; Vergütungsverzeichnis

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
12.05.2009
Aktenzeichen
S 12 SF 56/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50477
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Höhe der Prozesskostenhilfevergütung in einem grundsicherungsrechtlichen Klageverfahren nach dem SGB II, in dem Betragsrahmengebühren entstehen; insbesondere zur Bemessung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG und der (fiktiven) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG sowie zur Entstehung der Erledigungsgebühr nach Nr. 1005/1006 VV-RVG und schließlich zur Frage, inwieweit ein Austausch von Gebührentatbeständen durch das Gericht möglich und geboten ist.

Tenor:

Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 06. Februar 2009 wird die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 27. Januar 2009 - S 28 AS 836/08 - geändert.

Die aus der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu erstattende Prozesskostenhilfevergütung wird endgültig auf einen Betrag in Höhe von 416,50 € festgesetzt. Hiervon ist der bereits gezahlte Vorschuss in Höhe von 297,50 € in Abzug zu bringen.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

1

Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse geltend. Im zugrunde liegenden Klageverfahren stritten die dortigen Beteiligten um die Rechtmäßigkeit der von der dortigen Beklagten vorgenommenen Einkommensanrechnung im Rahmen der Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Das Verfahren endete nach etwa fünfmonatiger Verfahrensdauer durch die Annahme eines von dem Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses.

2

Die Erinnerung hat im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen war sie zurückzuweisen.

3

Der beigeordnete Rechtsanwalt ist in Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) allein erinnerungsbefugt (vgl. Gerold-Schmidt-Müller-Rabe, RVG, § 56, Rdn. 6). Das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

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Die danach gemäß § 56 Abs. 1 RVG gegen die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 27. Januar 2009 - S 28 AS 836/08 - erhobene Erinnerung des Erinnerungsführers ist zulässig und (teilweise) begründet.

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Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Kosten des Rechtsstreits zu Unrecht lediglich auf einen Betrag in Höhe von 297,50 € festgesetzt. Die Kammer hält vielmehr eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe eines Betrages von 416,50 € für angemessen. Dabei ist die Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 230,00 € (dazu unter 1.) in die Berechnung einzustellen; der Erinnerungsführer hat ferner eine Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 100,00 € (dazu unter 2.), jedoch keine Erledigungsgebühr (dazu unter 3.) verdient. Die übrigen Gebührenpositionen standen zwischen den Beteiligten nicht im Streit (dazu unter 4.).

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Rechtsgrundlage und Prüfungsmaßstab für die im Erinnerungsverfahren streitig gebliebene Höhe der zu erstattenden Gebühren sind die §§ 3 und 14 RVG. Nach § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, das Haftungsrisikos sowie der Einkommen- und Vermögensverhältnisse des Auftragsgebers nach billigem Ermessen. Zu beachten ist dabei im Wesentlichen das dem RVG als Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG angefügte Vergütungsverzeichnis (VV-RVG). Dort ist geregelt, dass der Anwalt in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen - wie vorliegend - Betragsrahmengebühren entstehen, für das Betreiben des Geschäfts eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG von 40,00 € bis 460,00 € erhält. Nach den Willen des Gesetzgebers steht ihm dabei in Verfahren mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den durchschnittlichen begüterten Mandanten die Mittelgebühr (hier: 250,00 €) zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung: Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potenziell beeinträchtigende Faktoren miteinander im Einzelfall abgewogen werden. Entsprechendes gilt für die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG mit einem Gebührenrahmen von 20,00 € bis 380,00 € (Mittelgebühr: 200,00 €) und die Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr nach Nr. 1005, 1006 VV-RVG mit einem Rahmen von 30,00 € bis 380,00 € (Mittelgebühr: 190,00 €).

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1. Der Erinnerungsführer hat - wovon die Beteiligten auch übereinstimmend ausgehen - zunächst wegen der fehlenden Vorbefassung im vorangegangenen Widerspruchsverfahren eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG verdient. Zwar hält die Kammer unter Berücksichtigung von unterdurchschnittlichem Umfang und durchschnittlicher Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, von durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichem Haftungsrisiko und den deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftragsgebers des Erinnerungsführers eine Verfahrensgebühr in Höhe von 200,00 € für angemessen, sieht sich jedoch durch den dem Erinnerungsführer zuzugestehenden Tolleranzrahmen an die im Rahmen seines Ermessens liegende Bestimmung in Höhe eines Betrages von 230,00 € gebunden (vgl. zur Einräumung eines Toleranzrahmens: Bundesgerichtshof, Urteil vom 31. Oktober 2006, - VI ZR 261/05, zitiert nach juris). Dementsprechend ist auch dieser Betrag in die Berechnung einzustellen.

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2. Darüber hinaus ist eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG entstanden, die sich aus einem Betragsrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € ergibt; die Mittelgebühr beträgt insoweit 200,00 €. Zwar hat der Erinnerungsführer in seinem korrigierten Kostenerstattungsantrag für Prozesskostenhilfe vom 02 Dezember 2008 eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005, 1006 VV-RVG in die Berechnung eingestellt, dieser Gebührentatbestand ist jedoch nicht erfüllt, wozu sogleich ausgeführt werden wird. Entgegen der Auffassung des Erinnerungsgegners ist eine solche Auswechslung der Gebührentatbestände auch nicht unstatthaft. Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist nämlich der geltend gemachte Gesamtvergütungsanspruch, der einerseits durch den begehrten Gesamtbetrag und andererseits durch den Sachverhalt konkretisiert wird, aufgrund dessen eine Kostenposition beansprucht wird. Insoweit gilt also nichts anderes als für den Begriff des Streitgegenstandes im sozialgerichtlichen Prozess, der ebenfalls durch den Antrag und den Lebenssachverhalt, auf den der Anspruch begründet wird, bestimmt wird. An den Streitgegenstand, den prozessualen Anspruch, ist das Gericht gebunden (§ 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Innerhalb des Streitgegenstandes hat das Gericht den Sachverhalt umfassend von Amts wegen zu ermitteln (§ 103 SGG) und unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 17 Abs. 2 S. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Für das Kostenfestsetzungsverfahren bedeutet dies, dass der Urkundsbeamte nach § 197 Abs. 1 SGG oder das Gericht nach § 197 Abs. 2 SGG nicht über den Betrag hinaus gehen dürften, dessen Erstattung begehrt wird. Ebenso unzulässig ist es, den Sachverhalt, aufgrund dessen die einzelnen Gebührentatbestände geltend gemacht werden, von Amts wegen zu verändern oder zu erweitern. Zulässig und geboten ist es dagegen, den geltend gemachten Kostenanspruch unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten, dass heißt unter allen in Betracht kommenden Gebührentatbeständen des Vergütungsverzeichnisses zu prüfen (vgl. auch Gerold/Schmidt - Müller-Rabe RVG, § 55 Rdn. 27).

9

Maßgeblich ist insoweit, für welches anwaltliche Handeln bzw. für welches Ereignis eine Kostenposition geltend gemacht wird. Erhebt der Prozessbevollmächtigte lediglich eine Verfahrensgebühr, nennt er als kostenverursachenden Tatbestand lediglich die anwaltliche Tätigkeit durch Einleitung und Führung des Verfahrens und begrenzt so den im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu prüfenden Sachverhalt. Weder der Urkundsbeamte noch das Gericht dürfen in einem solchen Fall etwa eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1005, 1006 VV-RVG oder eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG zuerkennen, da dadurch der Sachverhalt im Kostenfestsetzungsverfahren um ein kostenverursachendes Ereignis (Erledigung durch anwaltliche Mitwirkung, Stattfinden eines Termins zur mündlichen Verhandlung) erweitert würde, auf das der geltend gemacht Kostenanspruch nicht begründet würde. Anders liegt der Fall jedoch dann, wenn der Prozessbevollmächtigte zum Beispiel eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005, 1006 VV-RVG oder eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG geltend macht. Damit nennt er in seinem Antrag ein weiteres, möglicherweise kostenverursachendes Ereignis, das daraufhin zu überprüfen ist, ob ein Vergütungstatbestand nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG erfüllt ist. Liegen die rechtlichen Voraussetzungen des von dem Prozessbevollmächtigten genannten Gebührentatbestandes nicht vor, bedeutet dies nicht, dass dem Prozessbevollmächtigten ein weitergehender Gebührenanspruch nicht zusteht. Vielmehr sind weitere Anspruchsgrundlagen, das heißt weitere Tatbestände des Vergütungsverzeichnisses zu prüfen, aufgrund derer sich eine Gebühr für das geltend gemachte möglicherweise kostenverursachende Ereignis ergeben könnte. Der Austausch von Kostenpositionen ist also möglich, soweit es in der Sache lediglich um einen Austausch der Anspruchsgrundlagen geht.

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Nach diesen Grundsätzen ist jedenfalls die hier vorzunehmende Ersetzung der geltend gemachten Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1005, 1006 VV-RVG, deren rechtliche Voraussetzungen nach den zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss mangels der erforderlichen weitergehenden anwaltlichen Mitwirkungen nicht vorlagen (vgl. hierzu auch Bundessozialgericht Urteile vom 07. November 2006 - B 1 KR 13/06 R; B 1 KR 22/06 R; B 1 KR 23/06 R und Urteil vom 21. März 2003 - B 11 a AL 53/06 R), durch die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG nicht zu beanstanden, denn eine unzulässige Erweiterung des Gegenstandes des Kostenfestsetzungsverfahrens ist damit - entgegen der Auffassung des Erinnerungsgegners - nicht verbunden. Geltend gemacht wurde allgemein eine Kostenposition aufgrund der Erledigung des Verfahrens in Folge des abgegebenen Anerkenntnisses. Dieser Sachverhalt war rechtlich eben dann auch unter den Gesichtspunkt einer fiktiven Terminsgebühr wegen eines angenommenen Anerkenntnisses zu prüfen.

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Wenn danach den Erinnerungsführer eine (fiktive) Terminsgebühr zusteht, ist diese dem Rahmen der Nr. 3106 VV-RVG 20,00 € bis 380,00 € zu entnehmen.

12

Der Rechtsstreit wurde durch die Annahme eines Anerkenntnisses beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden. Durch die Regelung der Nr. 3106 VV-RVG (Ziffern 1 bis 3) soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur Wahrung des Gebührenanspruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die Durchführung des Termins zu verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die „fiktive" Terminsgebühr nach Nr. 3106 - Ziffer 1 bis Ziffer 3 - VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer vertritt in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei der Bemessung der Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Daher ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden.

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Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG daher erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Festlegung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer eigenständigen Festsetzung unter Beachtung aller der in § 14 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung eines Gebührenrahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in denen keine Betragsrahmengebühren entstehen, einen festen Wert - nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen von 1,2 - festgeschrieben hat. Daher wäre es auch nicht gerechtfertigt, in diesen Fallkonstellationen grundsätzlich nur die Mindestgebühr in Höhe von 20,00 € anzuerkennen. Dabei wird nämlich verkannt, dass auch bei der Bemessung der fiktiven Terminsgebühr alle Kriterien des § 14 RVG in die Abwägung einzustellen sind. Anderenfalls hätte der Normgeber auch bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag festgeschrieben wie er es beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2500 ff. VV-RVG, in Strafsachen nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG geregelt hat. Auch wenn in diesen Verfahren selbstredend keine Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.

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Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 RVG, dass insoweit eine insgesamt weit unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr hinsichtlich der Terminsgebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall abgewogen werden.

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Unter Beachtung aller Abwägungskriterien erscheint mit Blick auf die Bemessungskriterien, die bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr einen Betrag unterhalb der dortigen Mittelgebühr auszulösen vermochten, eine Terminsgebühr in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr angemessen.

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Dabei ist der anwaltliche Aufwand für den nicht stattgefundenen - entbehrlichen - Termin als weit unterdurchschnittlich zu werten. Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG - also bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis - besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre. Sinn und Zweck des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist in erster Linie die sachgerechte Vergütung (des Aufwands) für den Bevollmächtigten. Diese ist aber erfahrensgemäß sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen muss oder nicht. Nimmt der Mandant ein Anerkenntnis der Gegenseite an, führt dies auch beim Bevollmächtigten zu einer erheblichen Reduzierung seines Aufwands in diesem Verfahren. Die Annahme des Anerkenntnisses kann er dem Gericht in einem kurzen Schriftsatz mitteilen. Der im Vergleich zur notwendigen Teilnahme einer mündlichen Verhandlung also deutlich verminderte Aufwand kann gebührenrechtlich nicht außer Betracht bleiben. Unberücksichtigt bleiben darf dabei auch nicht, dass eine mündliche Verhandlung, welche regelmäßig eine zusätzliche Vorbesprechung, Vorbereitung und Terminswahrnehmung erfordert, nicht stattgefunden hat. In der Zusammenschau sieht das Gericht deshalb den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit insoweit als weit unterdurchschnittlich an.

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Da bei der Bemessung auch der Terminsgebühr gemäß § 14 RVG jedoch - wie ausgeführt - alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, kann andererseits auch nicht allein auf den zu erwartenden geringen Aufwand allein abgestellt werden.

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Wägt man die dargestellten unterdurchschnittlichen Anforderungen an die hypothetische anwaltliche Tätigkeit mit den deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und der allenfalls durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten des Erinnerungsführers und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko gegeneinander ab, ist das vorliegende Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 100,00 € - mithin in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst. Dies bedeutet zugleich, dass bei einem tatsächlich stattgefundenen Termin, in dem lediglich die Annahme des Anerkenntnisses erklärt worden wäre, auch ein Betrag in Höhe dieses Betrages festzusetzen gewesen wäre.

19

Die Kammer vermag im Übrigen die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gelegentlich gerügte Ungleichbehandlung zu sonstigen Gerichtszweigen nicht zu erkennen, weil sich der Gesetzgeber - wie oben bereits ausgeführt - bewusst für die Differenzierung zwischen Verfahren, in denen Wertgebühren entstehen und Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, entschieden hat. Eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Regelung - Entstehen einer 1,2-Gebühr in allen dort genannten Fällen - auch in den Fällen, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, enthält die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG ausdrücklich nicht. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass insoweit eine Gesetzeslücke besteht, die im Wege der Rechtsprechung geschlossen werden könnte. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 1995 - 1 RK 20/94 = BSGE 76, 109 ff.). Weder liegt hier ein absichtliches oder ein versehentliches Schweigen des Gesetzes vor, noch ist nach Inkrafttreten des RVG eine Gesetzeslücke durch eine Änderung tatsächlicher Umstände eingetreten. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich in Nr. 3104 VV- RVG auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG verwiesen, sofern es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt, in dem Betragsrahmengebühren entstehen und für diese Fälle einen Gebührenrahmen vorgesehen. Hätte er eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Vorschrift auch für diese sozialgerichtlichen Verfahren treffen wollen, hätte er - wie er das hinsichtlich Nr. 3104 VV-RVG geregelt hat - eine entsprechende Regelung in der Nr. 3106 VV-RVG treffen können vgl. zum Themenkomplex der (fiktiven) Terminsgebühr bei angenommenem Anerkenntnis: Beschlüsse der seit dem 01. Januar 2009 bei dem Sozialgericht Lüneburg eingerichteten Kostenkammer vom 04. März 2009, - S 12 SF 53/09 E, vom 16. März 2009 - S 12 SF 59/09 E, - S 12 SF 64/09 E, vom 25. März 2009, - S 12 SF 43/09 E sowie vom 27. April 2009, - S 12 SF 39/09 E; vgl. ferner: Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 25. August 2008, - S 6 SF 78/08 sowie vom 24. Januar 2008, - S 6 SF 29/07; so auch Beschlüsse des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. April 2007 - S 15 SF 48/06; vom 20. April 2007 - S 15 SF 141/04; vom 02. Mai 2007 - S 15 SF 51/06; vom 22. November 2007 - S 15 SF 81/07; vom 17. Januar 2008 - S 15 SF 80/07; vom 24. Januar 2008 - S 15 SF 55/07; vom 25. Januar 2008, - S 15 SF 113/07 sowie Beschluss vom 27. Mai 2008, - S 15 SF 43/08).

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3. Demgegenüber ist - darauf hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bereits zutreffend hingewiesen - eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1005, 1006 VV-RVG nicht angefallen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen des Urkundsbeamten in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 S. 3 SGG Bezug genommen. Diese Ausführungen macht sich die Kammer zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen.

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4. Da die übrigen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen, ergibt sich folgende Berechnung:

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Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG

230,00 €

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG

100,00 €

Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG

20,00 €

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG

66,50 €

Summe

416,50 €

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Soweit der Erinnerungsführer einen höheren Gesamtvergütungsanspruch geltend gemacht hat, war die Erinnerung im Übrigen zurückzuweisen. Der aus der Staatskasse bereits gezahlte Vorschuss in Höhe eines Betrages von 297,50 € (Auszahlungsanordnung vom 06. Oktober 2008, Aktenzeichen des Erinnerungsführers: 0096/08 - dieses hatte er auch in seiner Vorschusskostennote vom 11. September 2008 angegeben) ist von dem festgesetzten Betrag in Abzug zu bringen, was zur Klarstellung in den Tenor aufzunehmen war.

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5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.

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6. Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des RVG vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06. März 2009, - L 8 SF 1/09 B sowie zur fehlenden Beschwerdemöglichkeit bei Entscheidungen über die Prozesskostenhilfevergütung: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF und Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF mit zahlreichen weiteren Nachweisen).