Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 30.01.2007, Az.: S 30 AS 119/07 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 30.01.2007
- Aktenzeichen
- S 30 AS 119/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 61648
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2007:0130.S30AS119.07ER.0A
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückzahlung verpflichtet, dem Antragsteller einen Betrag von 250,00 EUR für die Teilnahme an einer Klassenfahrt im Mai 2007 zu zahlen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
I.
Der Antragsteller besucht seit August 2006 das Wirtschaftsgymnasium in D ... Die Klasse, der er angehört, beabsichtigt, in der Zeit vom 11. Mai 2007 bis zum 16. Mai 2007 eine Segeltour nach E. als Klassenfahrt zu veranstalten. Die Kosten für die Tour belaufen sich auf 250,00 EUR. Aus organisatorischen Gründen muss der notwendige Betrag der Klassenlehrerin bis spätestens zum 31. Januar 2007 ausgehändigt werden.
Mit Antrag vom 28. Oktober 2006 hatte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter anderem die Gewährung der Kosten für die Klassenfahrt beantragt, was von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15. November 2006 zurückgewiesen wurde. Gründe hierfür wurden nicht angegeben, es wurde lediglich gebeten, acht Wochen vor Beginn der Klassenfahrt einen neuen Antrag auf Übernahme der Kosten hierfür zu stellen. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch am 14. Dezember 2006, über den die Antragsgegnerin bis heute nicht entschieden hat.
Der Antragsteller trägt vor, der beabsichtigte Segeltörn sei eine Klassenfahrt und diene der sozialen Interaktion in seiner Klasse und solle das Zusammengehörigkeitsgefühl der Schüler stärken. Ein Abwarten bis acht Wochen vor dem beabsichtigten Termin sei ihm nicht zumutbar, da die notwendigen Kosten bereits am 31. Januar 2007 bei der Klassenlehrerin gezahlt werden müssten.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen für eine Klassenfahrt in Höhe von 250,00 EUR zu zahlen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt im Rahmen einer telefonischen Anhörung vor, der Hinweis, noch acht Wochen abzuwarten, beruhe auf einem Versehen des zuständigen Mitarbeiters, der übersehen habe, dass die Kosten bereits bis zum 31. Januar 2007 gezahlt sein sollten. Die Antragsgegnerin habe mit der zuständigen Lehrerin telefoniert und sich von dieser bestätigen lassen, dass die schulrechtlichen Voraussetzungen im Sinne des SGB II vorlägen. Dennoch könne keine Leistung gewährt werden, da der Antragsteller seine 12-jährige Schulpflicht bereits erfüllt habe. Darüber hinaus sei der Betrag von 250,00 EUR für eine mehrtägige Klassenfahrt zu hoch. Es gebe eine interne Obergrenze, wonach nicht mehr als 200,00 EUR für eine Klassenfahrt gezahlt werden.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.
Voraussetzung für den Erlass der hier vom Antragsteller begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf die Zahlung von 250,00 EUR für die beabsichtigte Klassenfahrt im Mai 2007 glaubhaft gemacht.
Nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmung nicht von der Regelleistung umfasst, sondern werden gesondert erbracht.
Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine Klassenfahrt nach den schulrechtlichen Bestimmungen, wovon auch die Antragsgegnerin ausgeht.
Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, der Antragsteller habe seine 12-jährige Schulpflicht bereits erfüllt, ist darauf zu verweisen, dass es nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II nicht Voraussetzung ist, dass der Leistungsempfänger noch der Schulpflicht unterliegt. Der Sinn von Klassenfahrten ist es vielmehr, dass Zusammengehörigkeitsgefühl der Schüler untereinander zu stärken. Dies kann auch noch nach Erfüllung der Schulpflicht geschehen. Die Erfüllung der Schulpflicht steht dem Sinn einer Klassenfahrt keinesfalls entgegen. Vielmehr ist es üblich, dass Klassen auch nach Erfüllung der 12-jährigen Schulpflicht sogenannte Abschlussfahrten unternehmen.
Auch das Argument der Antragsgegnerin, die Kosten für die Klassenfahrt seien zu hoch, ist zurückzuweisen. Die Kosten für den Segeltörn sind in voller Höhe zu übernehmen. In der Höhe sind die Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten in tatsächlicher Höhe anzuerkennen. Die Pauschalierungsmöglichkeit des § 23 Abs. 3 Satz 5 sowie des § 27 Nr. 3 SGB II gilt für mehrtägige Klassenfahrten nicht. Dies gilt auch für Fahrten in das Ausland und nach Ende der allgemeinen Schulpflicht (Münder in LPK- SGB II, Randnr. 36 zu § 23). Die Ansetzung einer internen Obergrenze durch die Antragsgegnerin ist daher rechtswidrig. Ein Betrag von 250,00 EUR für einen mehrtägigen Segeltörn in E. ist als durchaus angemessen, sogar eher niedrig, einzustufen. Auch die Durchführung eines Segeltörns in E. an sich ist nicht als unangemessene Form der Klassenfahrt anzusehen. Es handelt sich bei den Schülern immerhin um erwachsene Berufsschüler, mit denen üblicherweise Fahrten ins Ausland gemacht werden. E. als Ziel ist nicht außergewöhnlich oder besonders weit entfernt, sondern bewegt sich im Rahmen des Üblichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.