Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 26.04.2007, Az.: S 24 AS 492/07 ER
Anspruch eines Empfängers von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) auf Übernahme der Kosten einer Klassenfahrt in tatsächlicher Höhe; Rechtmäßigkeit einer Erstattung von Klassenfahrtkosten lediglich bis zur Höchstgrenze von 205,00 EUR
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 26.04.2007
- Aktenzeichen
- S 24 AS 492/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 65570
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2007:0426.S24AS492.07ER.0A
Rechtsgrundlage
- § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II
Fundstelle
- SchuR 2007, 114
Tenor:
- 1.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller einen weiteren Betrag von 120,00 EUR als Zuschuss für eine Klassenfahrt zu bezahlen.
- 2.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Übernahme der Kosten einer Klassenfahrt in tatsächlicher Höhe.
Der Antragsteller steht im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II). Für eine Klassenfahrt nach D. muss der Antragsteller 320,00 EUR bezahlen.
Der Antragsteller beantragte am 05.03.2007 die Übernahme dieser Kosten. Der Antragsgegner bewilligte daraufhin durch Bescheid vom 04.04.2007 einen Betrag von 200,00 EUR.
Am 07.04.2007 hat der Antragsteller das Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm den Restbetrag der Kosten der Klassenfahrt zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Ansicht, dass Klassenfahrten nur bis zu einer Höchstgrenze 205,00 EUR zu erstatten seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen, die dem Gericht bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz richtet sich nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung nötig erscheint (Satz 2). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist deshalb, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile müssen glaubhaft gemacht werden, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Dabei darf die einstweilige Anordnung wegen des summarischen Charakters des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich nicht die Entscheidung der Hauptsache vorwegnehmen.
Unter diesen Voraussetzungen besteht sowohl ein Anordnungsanspruch, als auch ein Anordnungsgrund.
1.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II, wonach Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst sind und gesondert erbracht werden. Vorliegend handelt es sich um eine Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. Eine Begrenzung der Erstattungskosten sieht das Gesetz nicht vor. Auch die Rechtsprechung dazu, die sich auf die Rechtsprechung zur Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) stützte, ist vereinzelt geblieben (siehe hierzu SG Lüneburg, S 24 AS 4/05 ER). Die ganz herrschende Meinung hält eine Pauschalierung oder Begrenzung der entstehenden Kosten einer Klassenfahrt für nicht zulässig (siehe z.B. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht , Beschluss vom 20.09.2006 - L 11 B 340/06 AS ER -, Hessisches Landessozialgericht , Beschluss vom 20.09.2005 - L 9 AS 38/05 ER; SG Oldenburg , Urteil vom 29.03.2006 - S 48 AS 791/05 -). Diese Ansicht vertrat auch der Kammervorsitzende bereits als Vorsitzender der 47. Kammer des SG Hannover. Die Rechtsprechung der 24. Kammer des SG Lüneburg wird nicht fortgeführt.
Die Ansicht ist gestützt auf den klaren Wortlaut der Norm sowie auf den Sinn und Zweck der Vorschrift. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, auch Kindern von Hilfeempfängern die Teilnahme an einer Klassenfahrt zu ermöglichen. Würde man, wie dies der Antragsgegner hier vorschlägt, die Kosten der Klassenfahrt nur teilweise ersetzen, bliebe den Kindern der Hilfeempfänger die Teilnahme an der Klassenfahrt dennoch verwehrt. Art und Umfang der Klassenfahrt ist gerichtlicherseits nicht zu überprüfen, da es sich hierbei um eine pädagogische Entscheidung handelt, die der Schulleitung und den entsprechenden Gremien vorbehalten ist. Weder die Behörde noch das Gericht hat deshalb die Möglichkeit, die Kosten der Klassenfahrt auf ein für angemessen erachtetes Limit zu kürzen, z.B. weil sich mit dem für angemessen erachteten Limit ein anderes Fahrtziel erreichen ließe.
Ein Anordnungsgrund ergibt sich aus der finanziellen Situation des Antragstellers sowie aus dem Termin der Klassenreise.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.