Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 01.10.2007, Az.: S 2 U 91/05
Kostenerstattung für einen Verdienstausfall der Ehefrau des Klägers im Rahmen der Gewährung von Betriebshilfe; Betriebsfremdheit der Ehefrau zum landwirtschaftlichen Betrieb ihres Mannes als Voraussetzung für die Übernahme der Kosten einer Betriebshilfe
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 01.10.2007
- Aktenzeichen
- S 2 U 91/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 52955
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2007:1001.S2U91.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VII
- § 54 Abs. 4 S. 4, 5 SGB VII
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für einen Verdienstausfall der Ehefrau des Klägers im Rahmen der Gewährung von Betriebshilfe.
Der im Jahr 1951 geborene Kläger ist Landwirt. Am 5. August 2004 erlitt er während der Arbeit einen Unfall, wobei er sich eine "Riss- und Quetschwunde des 2. - 4. Fingers rechts mit Strecksehnenrupturen des 2. und 4. Fingers" zuzog. Am 10. August 2004 beantragte er die Gewährung von Betriebshilfe und machte geltend, dass seine Ehefrau im Zeitraum vom 9. bis 13. August 2004 vier Stunden pro Tag unbezahlten Urlaub genommen habe, um die Viehversorgung zu übernehmen. Der Verdienstausfall habe 486,24 EUR betragen. Im Klageverfahren wurde mitgeteilt, dass die Klägerin nicht das Vieh versorgt, sondern Getreide gefahren, die Maschinen gewartet und gegrubbert habe. Mit Bescheid vom 27. August 2004 gewährte die Beklagte dem Grunde nach Betriebshilfe. Eine Verdienstausfallerstattung der Ehefrau des Klägers wurde jedoch abgelehnt, weil diese keine betriebsfremde Ersatzkraft sei. Hiergegen richtete sich der am 29. September 2004 eingelegte Widerspruch, in dem geltend gemacht wurde, dass die Ehefrau des Klägers vollschichtig als Vermessungsingenieurin tätig und nicht in den landwirtschaftlichen Betrieb integriert sei. Mit dem Schreiben vom 2. November 2004 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass der Ehegatte eines landwirtschaftlichen Unternehmers grundsätzlich nicht als betriebsfremd anzusehen sei. Allein schon aufgrund der Führung eines landwirtschaftlichen Haushalts sei von einer Integration der Ehefrau in den Betrieb auszugehen. Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2005 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 28. Juni 2005 beim Sozialgericht Lüneburg Klage erhoben und beantragt, dem Kläger eine Betriebshilfe zu bezahlen. Mit dem Gerichtsbescheid vom 7. Dezember 2006, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 18. Dezember 2006, wurde die Klage abgewiesen. Am 18. Januar 2007 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung über die Kostenerstattung entsprechend des § 54 Abs. 4 S. 4 und 5 SGB VII im Ermessen der Beklagten stehen würde. Da die Beklagte das Ermessen nicht ausgeübt habe, seien die Bescheide aufzuheben und die Kosten zu erstatten.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
- 1.
den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2004 abzuändern und den Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2005 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger im Rahmen der Betriebshilfe 486,24 EUR zu erstatten,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, da ein Anspruch auf Kostenerstattung für den Verdienstausfall der Ehefrau des Klägers nicht besteht.
Gem. § 54 Abs. 1, Abs. 3 Nr.1 SGB VII i.V.m. § 23 Abs. 1 der Satzung der Beklagten besteht bei unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich ein Anspruch auf Betriebshilfe. Gem. § 54 Abs. 4 SGB VII wird die Betriebshilfe zwar grundsätzlich durch die Stellung einer Ersatzkraft geleistet. Sofern dies jedoch nicht möglich ist oder ein Grund besteht, hiervon abzusehen, werden die Kosten für eine selbst beschaffte - betriebsfremde - Ersatzkraft in angemessener Höhe erstattet. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zutreffend entschieden, dass die Ehefrau des Klägers nicht als betriebsfremd anzusehen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine vollschichtige anderweitige Tätigkeit eine Betriebsfremdheit i. S. dieser Vorschrift nicht ausschließt. Eine Betriebsfremdheit ist auch nicht erst dann zu verneinen, wenn die betreffende Person völlig in die betrieblichen Abläufe integriert ist. Vielmehr ist es für die den Kostenerstattungsanspruch ausschließenden Nähe zum Betrieb ausreichend, wenn die betreffende Person an den betrieblichen Belangen unmittelbar oder auch nur mittelbar teilhat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Ehepartner - wie hier - an der Führung des landwirtschaftlichen Haushalts teilnimmt. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Ehefrau des Klägers nicht nur im Zeitraum ihres unbezahlten Urlaubs, sondern auch zu anderen Zeiten, wenn das Erfordernis bestand, im landwirtschaftlichen Betrieb ihres Ehemannes Hand anlegte und mit den dortigen Gegebenheiten vertraut war. Als Betriebsfremde wäre sie nämlich nicht in der Lage gewesen, die ausgeführten landwirtschaftlichen Arbeiten - inklusive der Tätigkeit Getreide fahren, Maschinenwartung und Grubbern - wie eine entsprechende Ersatzkraft zu erledigen.
Eine Kostenerstattung kann auch nicht entsprechend der Vorschrift des § 54 Abs. 4 S. 4 und 5 SGB VII erfolgen. Danach ist zwar eine Kostenerstattung für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grand grundsätzlich ausgeschlossen. Die Berufsgenossenschaft kann jedoch im Rahmen einer Ermessensentscheidung den Verdienstausfall erstatten, wenn die Erstattung in einem angemessenen Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten steht. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil es sich bei der Ehefrau nicht um eine Verwandte oder Verschwägerte des Klägers handelt. Da die Vorschrift nur einen Ausnahmefall regelt, ist eine enge Auslegung geboten. Dies ergibt sich auch aus der Vorstellung des Gesetzgebers über die Stellung des Ehepartners eines landwirtschaftlichen Unternehmers. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VII steht nämlich der Ehepartner bei allen Tätigkeiten, die er für den landwirtschaftlichen Betrieb verrichtet, unter Versicherungsschutz, während dies bei anderen Familienangehörigen nur dann der Fall ist, wenn sie "nicht nur vorübergehend" mitarbeiten (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 b SGB VII). Der Gesetzgeber ging daher davon aus, dass der mitarbeitende Ehegatte stets eine gewisse Nähe zum Betrieb aufweist, die eine Privilegierung beim Versicherungsschutz rechtfertigt. Dies schließt aber andererseits eine Betriebsfremdheit i. S. des § 54 Abs. 4 S. 2 SGB VII oder die analoge Anwendung des § 54 Abs. 4 S. 4 und 5 SGB VII aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§ 144 Abs. 2 SGG).