Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 17.12.2007, Az.: S 30 AS 1678/07 ER

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
17.12.2007
Aktenzeichen
S 30 AS 1678/07 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 61610
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2007:1217.S30AS1678.07ER.0A

Tenor:

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin stellte am 25. Oktober 2007 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II für sich und ihre drei Kinder. Sie trug vor, sie lebe innerhalb des gemeinsamen Hauses von ihrem Ehemann getrennt. Gegenüber diesem mache sie keinen Unterhalt geltend, da er so viele Schulden habe, dass sich dies nicht lohne. Innerhalb des Hauses bewohne der Ehemann der Antragstellerin eine abgeschlossene Wohnung mit einem separaten Eingang.

2

Die Antragsgegnerin hat keinen Hausbesuch bei der Antragstellerin und ihrem Ehemann durchgeführt. Vielmehr wurde ein Telefongespräch über die häuslichen Verhältnisse geführt und ein Grundriss des Hauses von der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin eingereicht.

3

Mit Bescheid vom 15. November 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen ab mit der Begründung, die Vermögensverhältnisse des Ehegatten Herrn W.... R.... seien von der Antragstellerin nicht eingereicht worden, so dass die Hilfebedürftigkeit von der Antragsgegnerin nicht habe geprüft werden können. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden wurde.

4

Die Antragstellerin trägt vor, da sie von ihrem Ehemann getrennt lebe, obwohl sie in einem Haus wohnten, brauche sie die Unterlagen über dessen Einkommen nicht einzureichen. Sie habe also ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

5

Die Antragstellerin beantragt,

  1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. den Antrag abzulehnen.

7

Sie trägt vor, die Antragstellerin lebe nach wie vor mit ihrem Ehemann, Herrn Waldemar Rennich, im Rahmen der bestehenden Ehe zusammen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Trennung vollzogen worden sei. Die Antragstellerin lebe weiterhin mit ihrem Ehemann in häuslicher Gemeinschaft und das Sorgerecht für die Kinder werde gemeinsam ausgeübt. Eine vermeintliche Trennung lasse sich nicht nachvollziehen.

8

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

9

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.

10

Voraussetzung für den Erlass der hier von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

11

Im vorliegenden Fall wurde ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

12

Im Gegensatz zur Antragsgegnerin geht das Gericht davon aus, dass die Antragstellerin nicht mit ihrem Ehemann in eheähnlicher Gemeinschaft nach § 7 Abs. 3, 3a SGB II lebt. Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie habe sich von ihrem Ehemann innerhalb des Hauses getrennt. Soweit die Antragsgegnerin dies anzweifelt, ist dies nicht durch Ermittlungen, insbesondere nicht durch einen Hausbesuch, belegt. Das Vorbringen der Antragstellerin ist auch nicht unglaubhaft. Sofern sie und ihr Ehemann sich erst vor kurzem getrennt haben, ist es nicht ungewöhnlich, wenn trotz einer vollzogenen Trennung noch gemeinsam in einer Wohnung oder einem Haus gelebt wird. Ohne eine nähere Überprüfung bzw. ohne weitere Ermittlungen diesbezüglich kann die Antragsgegnerin nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Antragstellerin die Unwahrheit sagt. Das Gericht legt daher bei seiner Entscheidung die Angaben der Antragstellerin, es bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft, zu Grunde.

13

Die Antragstellerin hat dennoch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Nach § 7 Abs. 1 Ziffer 3 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seiner Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

14

Um Leistungen zu erhalten, hat die Antragstellerin nachzuweisen, dass sie bedürftig im Sinne dieser Vorschriften ist. Auch wenn die Antragstellerin sich von ihrem Ehemann getrennt hat, hat sie nach dem bürgerlichen Recht gegen ihn einen Anspruch auf Unterhalt. Gleiches gilt für die gemeinsamen Kinder. Erst wenn sie aus diesem Unterhaltsanspruch ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, ist sie bedürftig im Sinne der oben genannten Vorschriften. Die Antragstellerin hat im Rahmen des Verwaltungsverfahrens angegeben, sie mache keinen Unterhalt gegenüber ihrem Mann geltend, weil dieser viele Schulden habe. Der Aufforderung, Nachweise über Einkommen und Vermögen ihres Ehemannes und dessen Leistungsfähigkeit vorzulegen, ist sie nicht nachgekommen. Dass der Ehemann der Antragstellerin tatsächlich nicht in der Lage ist, Unterhaltsleistungen für sie und die Kinder zu zahlen, kann erst mit der erforderlichen Sicherheit nachgeprüft werden, wenn hierzu entsprechende Angaben gemacht werden. Die vage Angabe, ihr Ehemann habe so viele Schulden, reicht hierfür nicht aus.

15

Die Antragstellerin ist auch verpflichtet, entsprechende Angaben, soweit sie ihr möglich sind, zu machen. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschl.v. 30.03.07, Az.: L B 13/07 AS) besteht eine Mitwirkungspflicht hinsichtlich von Einkommensnachweisen des Partners gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I mit der Folge, dass eine Leistungsversagung bei fehlender Mitwirkung zu bejahen ist, wenn der Antragsteller in der Lage war, jedenfalls ungefähre Angaben über die Höhe des Einkommens zu machen, er sich also nicht erst Kenntnisse hierüber verschaffen muss. Diese Rechtsprechung des Landessozialgerichts bezieht sich zwar auf die Angaben von Einkommen im Rahmen eines Zusammenlebens in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft (früher eheähnliche Gemeinschaft), sie ist jedoch auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Entscheidend ist, dass eine Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers festgestellt wird, wenn dieser in der Lage ist, zumindest ungefähre Angaben über die Höhe des Einkommens seines Ehegatten zu machen, wenn hiervon die Frage der Bedürftigkeit des Antragstellers abhängt. Die Konstellation ist dieselbe wie bei dem Zusammenleben von Partnern in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft.

16

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin über zumindest ungefähre Kenntnisse über das Einkommen und Vermögen ihres Ehemannes verfügt. Sie war mit ihrem Ehemann mehrere Jahre verheiratet. Üblicherweise haben Ehegatten Kenntnis über das monatliche Einkommen des Partners sowie über die Höhe von evtl. bestehenden Schulden und bei wem diese bestehen. Die Antragstellerin gibt auch selbst an, von den Schulden ihres Ehegatten zu wissen. Sie ist daher im Rahmen ihrer Mitwirkungsverpflichtung nach § 60 SGB I verpflichtet, der Antragsgegnerin Angaben hierüber und über das monatliche Einkommen Ihres Mannes zu machen, damit diese über den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II entscheiden kann.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.