Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 08.03.2007, Az.: S 24 AS 506/06
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 08.03.2007
- Aktenzeichen
- S 24 AS 506/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 61594
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2007:0308.S24AS506.06.0A
Tenor:
- 1.
Der Bescheid der Beklagten vom 21.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 01.03.2007 wird aufgehoben.
- 2.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen einen Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 5008,26 EUR.
Die Klägerin beantragte am 16.11.2004 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II). In dem hierauf gerichteten Antrag gab sie bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung an, mit Herrn G. H. in Wohngemeinschaft zu wohnen. Die aus 4 Zimmern sowie Küche und Bad bestehende Wohnung teile sie sich mit Herrn H ... Dafür zahle sie ihm monatlich 355,00 EUR Gesamtkosten. Der von ihr bewohnte Teil der Wohnung bestehe aus 2 Zimmern und Bad, die Küche teile man sich.
Der Klägerin wurden daraufhin Leistungen bewilligt. Für den Zeitraum Januar 2005 bis einschließlich Juni 2005 erbrachte die Beklagte die Regelleistung und die Kosten der Unterkunft. Ab Juli dann nur noch die Regelleistung. Insgesamt wurden der Klägerin und ihren Kinder an Regelleistung ein Betrag von 5008,26 EUR ausgekehrt.
Die Klägerin wohnt seit dem 01.05.2001 mit Herrn H. zusammen. Im Oktober 2005 erkundigte sich die Klägerin bei der Samtgemeinde I. nach den Voraussetzungen für eine Eheschließung. Hiervon erlangte die Beklagte Kenntnis und vermutete, dass zwischen der Klägerin und Herrn H. eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe. Die Klägerin wurde daraufhin mit Schreiben vom 24.10.2005 befragt, ob eine eheähnliche Gemeinschaft mit Herrn H. bestehe. Es sei beabsichtigt, den Bescheid über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes II ab dem 01.01.2005 ganz oder teilweise aufzuheben.
Die Klägerin teilte daraufhin in einem persönlichen Gespräch am 31.10.2005 der Beklagten mit, dass sie und Herr H. sich erst am 21.10.2005 entschlossen hätten zu heiraten. Vorher habe eine eheähnliche Gemeinschaft nicht bestanden. Man hätte sich entschlossen zu heiraten, da Herr H. es gefühlsmäßig nicht ertragen hätte, mit der Klägerin zusammen zu wohnen. Hätte man nicht geheiratet, wäre Herr H. ausgezogen.
Mit Schreiben vom 30.11.2005 wurde die Klägerin aufgefordert, weitere Angaben über Herrn H. sowie Verdienstbescheinigungen des Herrn H. einzureichen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin auch nach weiteren Aufforderungen nicht nach.
Mit Schreiben vom 16.01.2006 wurde die Klägerin zu einer Rückerstattung nach § 45 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) angehört. Die Klägerin erklärte daraufhin, dass die Ehe erst seit dem 02.12.2005 bestehe.
Mit Bescheid vom 21.02.2006 hob die Beklagte die Leistungen der Klägerin ab dem 01.01.2005 in voller Höhe auf. Es wurde ein Betrag von 5.008,26 EUR zurückgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin bereits seit dem 01.01.2005 mit Herrn H. in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt habe. Die Klägerin lebe bereits seit dem 01.05.2001 in einem Haushalt mit Herrn H ... Da Unterlagen über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Herrn H. nicht vorgelegt worden seien, sei davon auszugehen, dass dessen Einkommen den Bedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft übersteige. Nach § 45 Abs. 1 SGB X sei der Bewilligungsbescheid deshalb zurückzunehmen, da die Klägerin falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe.
Hiergegen erhob die Klägerin am 08.03.2006 Widerspruch. Sie vertrat die Ansicht, dass aus der Tatsache, dass man am 02.12.2005 die Ehe geschlossen habe, nicht gefolgert werden könne, dass man bereits seit dem 01.01.2005 in eheähnlicher Gemeinschaft lebe.
Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2006 zurückgewiesen. Die Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin und Herr H. mit den minderjährigen unverheirateten Kindern der Klägerin seit dem 01.05.2001 zusammen lebe. Es sei deshalb davon auszugehen, dass bereits bei Antragstellung eine eheähnliche Gemeinschaft vorgelegen habe.
Hiergegen richtet sich die am 04.05.2006 erhobene Klage, mit der die Klägerin die Ansicht vertritt, dass eine bloße Vermutung der Beklagten nicht ausreichend für eine Rücknahmeentscheidung sei. Vor dem Tag der Eheschließung habe weder einen gemeinsamen Haushalt geführt noch gemeinschaftlich gewirtschaftet.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 01.03.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid.
Die Klägerin hat am 02.12.2005 die Ehe mit Herrn H. geschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die dem Gericht bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten erweist sich als rechtswidrig und verletzt dadurch die Klägerin in ihren Rechten.
Eine Rückforderung der bewilligten Leistungen ist weder in voller Höhe gemäß § 45 SGB X (dazu unter 1.) noch teilweise gemäß § 48 SGB X (dazu unter 2.) möglich.
1. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter den Beschränkungen der folgenden Absätze aufgehoben werden.
Die von der Beklagten aufgehobenen Verwaltungsakte erweisen sich jedoch nicht als rechtswidrig.
Die Leistungsbescheide der Beklagten vom 01.02.2005, 08.06.2005, 23.09.2005 und 10.10.2005 sind nicht rechtswidrig, weil bei ihrem Erlass die Klägerin mit ihrem jetzigen Ehemann noch keine eheähnliche Gemeinschaft gebildet hat.
Die Klägerin hat im Zeitraum Januar 2005 bis einschließlich November 2005 mit ihren Kindern eine Bedarfsgemeinschaft gebildet, zu der ihr jetziger Ehemann nicht gehört. Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. b SGB II in der im Klagezeitraum geltenden Fassung gehören zur Bedarfsgemeinschaft die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung lag mit dem jetzigen Ehemann der Klägerin keine eheähnliche Gemeinschaft vor, auch nicht zum Zeitpunkt des letzterlassenen Bescheids am 10.10.2005.
Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist in der Gesetzgebung etabliert. Die bisherige Rechtsprechung aus dem Recht der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe kann fortgeführt werden, da der Gesetzgeber bei der Abfassung des SGB II ersichtlich hierauf aufgebaut hat. Es kommt hierbei nicht entscheidend darauf an, ob die Partner bereit sind, füreinander einzustehen, sondern ob von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (statt aller Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2005, L 8 AS 140/05 ER). Bei einer eheähnlichen Gemeinschaft bestehen gegen die Anrechnung des Partnereinkommens keine verfassungsrechtlichen Bedenken (so auch SG Hannover, S 50 AS 49/05 ER, Seite 5 m. w. N.; hiervon ausgehend auch LSG Niedersachsen-Bremen, L 8 AS 137/05 ER, Beschluss vom 6. Juli 2005).
Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist gemäß Urteil des BVerfG vom 17. November 1992, 1 BvL 8/87, durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bestimmt worden. Hiernach handelt es sich um eine typische Erscheinung des sozialen Lebens. Von anderen Gemeinschaften hebt sich diese Gemeinschaft hinreichend deutlich ab. Mit dem Begriff "eheähnlich" hat der Gesetzgeber an den Rechtsbegriff der Ehe angeknüpft, unter dem die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen ist. Gemeint ist also eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfG a.a.O.).
Der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner ist diesem zum Unterhalt nicht verpflichtet; er kann - auch beim Wirtschaften aus einem Topf - sein Einkommen ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Der Gesetzgeber darf hierbei nur solche Gemeinschaften erfassen, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen "ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann". Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr für-einander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hin-blick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar (BVerfG a.a.O.). Das BVerfG hat weiter ausgeführt, ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweise, lasse sich in der Verwaltungspraxis nur anhand von Indizien feststellen. Als solche Hinweistatsachen, die sich nicht erschöpfend aufzählen lassen, kämen etwa in Betracht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Eine eheähnliche Gemeinschaft könne zudem jederzeit ohne ein rechtlich geregeltes Verfahren aufgelöst werden. Ohne rechtlichen Hinderungsgrund könne der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner auch jederzeit sein bisheriges Verhalten ändern und sein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen verwenden. In der Regel werde dies allerdings mit der Auflösung der Wohngemeinschaft verbunden sein.
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Urteil vom 17. Mai 1995, 5 C 16/93, aufgegriffen. Hiernach muss für den jeweils streitgegenständlichen Zeitraum festgestellt werden, ob eine Lebensgemeinschaft auf der Grundlage entsprechender innerer Bindungen "auf Dauer angelegt" ist. Dabei sind alle feststellbaren Hinweistatsachen daraufhin in den Blick zu nehmen, ob sie den Schluss rechtfertigen, die Gemeinschaft werde von den Partnern mit dem Willen gelebt, nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer füreinander einzustehen. Das sicher gewichtigste Indiz stellt dabei - beispielhaft - eine lange Dauer des Zusammenlebens bei Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums dar (BVerwG, a.a.O., mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG (E 87, 234 (265)). Das BVerwG führt weiter aus: Weitaus größere Schwierigkeiten bereite der Nachweis der eheähnlichen Gemeinschaft, wenn der Beginn des Zusammenlebens mit dem Beginn des streitgegenständlichen Leistungszeitraums zusammenfalle. Als Hinweistatsachen kämen hier etwa in Betracht Dauer und Intensität der Bekanntschaft zwischen den Partnern vor der Begründung ihrer Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner während der streitgegenständlichen Zeit und die - nach außen erkennbare - Intensität der gelebten Gemeinschaft.
Nach der Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen sind die Indizien unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bewerten und zu gewichten (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2005, L 8 AS 140/05 ER). Die Dauer der bestehenden Beziehung ist ein gewichtiges Indiz (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. September 2005, L 8 AS 220/05 ER). Unabhängig von der vom Bundessozialgericht (BSG) zum Sperrzeitenrecht aufgestellten Drei-Jahres-Grenze werde auch unterhaltsrechtlich angenommen, dass vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer, nicht beurteilt werden könne, ob die Partner nur probeweise zusammenlebten oder auf Dauer eine verfestigte Gemeinschaft führten (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2005, L 8 AS 140/05 ER). Von Bedeutung ist auch, ob die Beteiligten sich selbst als "Lebenspartner" o.ä. bezeichnen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. September 2005, L 8 AS 220/05 ER), ferner die Angabe als Berechtigter in einer privaten Lebensversicherung (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. September 2005, L 8 AS 220/05 ER) oder der Kauf eines gemeinsamen Einfamilienhauses (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Juli 2005, L 8 AS 137/05 ER). Indizien für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft sind auch der Zuzug eines Partners zum anderen an einen anderen Ort, eine gemeinsame Wohnung ohne räumliche Trennung, gegenseitige finanzielle Unterstützung in Notfällen sowie eine nach außen erkennbare innere Bindung und eine gemeinsame Lebensplanung des Paares (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2005, L 8 AS 140/05 ER). Die Situation in einer eheähnlichen Gemeinschaft muss der Ehe so ähnlich sein, dass als Unterscheidungsmerkmal lediglich das Fehlen eines Trauscheins in Betracht kommt (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Juli 2005, L 8 AS 137/05 ER).
Nach den Umständen des Zusammenlebens der Klägerin und des Zeugen vor Eheschließung bestand kein Wille, füreinander ein zu stehen.
Die Klägerin und der Zeuge haben in sich schlüssig, glaubhaft und übereinstimmend ausgesagt, dass bis zum Zeitpunkt der Eheschließung ein getrenntes Leben und Wohnen stattgefunden hat.
Die jetzigen Eheleute haben sich etwa um das Jahr 1998 herum kennen gelernt. Die Klägerin befand sich damals in einer emotional sehr schwierigen Situation. Es hatte eine Trennung und Scheidung von ihrem ehemaligen Ehegatten und Vater ihrer Kinder stattgefunden. Das Verhältnis zwischen den ehemaligen Ehegatten war sehr angespannt. Ihren jetzigen Ehemann lernte sie über ihren ehemaligen Ehemann kennen. Sie stieß bei ihm auf Verständnis für ihre Probleme und fand in ihm einen guten Zuhörer. Sie befreundete sich mit ihm. Als sie beschloss, aus ihrer damaligen Wohnung auszuziehen, zum einen, weil dies ihre damaligen Vermieter so wollten, zum anderen, weil ihr die Wohnung zu teuer wurde, fragte sie diesen Freund, ob man zusammenziehen wolle. Dieser Entschluss war überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen entstanden. Es war für die Klägerin günstiger, sich eine Wohnung zu teilen. Die Klägerin und ihr jetziger Ehemann begründeten damals eine Wohngemeinschaft. Die Umstände des Zusammenlebens gestalteten sich getrennt; es standen in der angemieteten Wohnung für alle Parteien getrennte Schlafzimmer zur Verfügung. Das gemeinschaftliche Nutzen eines Wohnzimmers und einer Küche begründen noch keine eheähnliche Gemeinschaft. Es erfolgte über den gesamten Zeitraum ein getrenntes Wirtschaften. Die Klägerin kaufte für sich und ihre Kinder ein, der jetzige Ehemann der Klägerin für sich allein. Die Kosten der Unterkunft und deren Nebenkosten wurden zunächst vom jetzigen Ehemann der Klägerin vorgestreckt. Die Klägerin erstattete ihm daraufhin den auf sie entfallenden Anteil der Kosten.
Vor der Hochzeit kümmerte sich der jetzige Ehemann der Klägerin nicht um deren Kinder. Die Kammer hat den Eindruck gewonnen, dass ein solches Kümmern erst jetzt zögerlich beginnt. So hat der jetzige Ehemann der Klägerin beispielsweise nicht das genaue Alter des zweiten Sohns der Klägerin gewusst.
Nachvollziehbar und glaubhaft hat der jetzige Ehemann der Klägerin geschildert, dass er sich nach und nach in die Klägerin verliebt habe, ihr dieses jedoch nicht eingestehen wollte. Dieser Zustand des Verliebtseins und nicht Eingestehenwollens erstreckte sich über einen langen Zeitraum. Irgendwann kam es dann im Oktober des Jahres 2005 zu dem ungewöhnlichen, aber dennoch nachvollziehbaren und glaubhaften Vorgang, dass der jetzige Ehemann der Klägerin ihr seine Liebe gestand, sie um ihre Hand bat und die Klägerin daraufhin einwilligte. Die Kammer ist der Überzeugung, dass ein Füreinandereintreten erst seit diesem Zeitpunkt zögerlich begann.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es äußerst ungewöhnlich und äußerst selten ist, dass vor einer Hochzeit keine eheähnliche Gemeinschaft mit dem Willen, füreinander einzustehen, besteht. Aufgrund der Persönlichkeit der Klägerin und ihres jetzigen Ehemannes ist die Kammer jedoch davon überzeugt, dass es hier der Fall ist. So hat die Klägerin überzeugend dargestellt, dass ein Großteil der Motivation, sich für die Hochzeit zu entscheiden, aus einem Fürsorgegedanken für ihre Kinder entsprang. Nachdem die Kinder unter dem als unstabil empfundenen Zustand nach der Scheidung von ihrem ehemaligen Ehegatten litten, versuchte die Klägerin, ihnen ein wieder stabiles und fürsorgliches Umfeld zuschaffen. Dies glaubte sie, in der Ehe zu finden. Auch die finanziellen Vorteile einer Eheschließung mit ihrem jetzigen Ehemann erkannte die Klägerin. Auch wenn sie ihren Mann sehr schätzt und sich sehr zu ihm hingezogen fühlt und ihn als ihren guten Freund bezeichnet, haben doch einen überwiegenden Anteil der Motivation zur Hochzeit rationale Erwägungen getragen. Der Zeuge wiederum hat überzeugend dargelegt, dass er die Klägerin zwar lange Zeit sehr gemocht hat, ihr in dieser Zeit aber gerade nicht beigestanden hat, da er diese Zuneigung auch verheimlichen wollte. Der Zeuge hat insofern auf die Kammer in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gemacht, dass er mit der Äußerung seiner Gefühle sehr zurückhaltend ist. Die überraschende Kehrtwendung von einem "Nebeneinanderherleben" zu einer Ehe in einem äußerst kurzen Zeitraum von wenigen Wochen, erscheint der Kammer deshalb in diesem Fall nachvollziehbar.
Auch wenn der Zeuge angegeben hat, der Klägerin hin und wieder mit geringen Beträgen unter die Arme gegriffen zu haben, lässt sich daraus doch nicht ein füreinander Einstehenwollen im Sinne einer eheähnlichen Gemeinschaft ableiten. Vielmehr sieht die Kammer hierin ein Einstehen, wie es auch unter guten Freunden üblich ist, wenn der eine dem anderen gelegentlich aushilft.
Überzeugend haben die Klägerin und ihr Ehemann auch dargestellt, dass vor der Eheschließung keinerlei gemeinschaftliche Aktivitäten, wie etwa Urlaubsreisen oder Wochenendgestaltung, stattfanden, und dies auch nach der Eheschließung erst zögerlich beginnt.
Die Klägerin hat auf die Kammer den Eindruck gemacht, dass sie sich um eine Person handelt, die für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder selbständig aufkommen möchte, auch nach der Eheschließung. Die Kammer sieht es deswegen als glaubhaft an, dass die Klägerin eher anderweitig (beispielsweise bei ihrem Bruder) um finanzielle Unterstützung gebeten hätte, wenn sie solcher bedurft hätte. Es ist deshalb durchaus glaubhaft, dass der Zeuge der Klägerin nicht finanziell geholfen hat und für diese eingestanden hat. Das Wirtschaften aus einem Topf, wie es bei einem Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft notwendig ist, hat hier nicht stattgefunden.
Die Beziehung der Klägerin und des Zeugen hätte vor der Eheschließung auch eine andere Beziehung zugelassen. Die Klägerin und der Zeuge haben übereinstimmend und glaubhaft ausgesagt, dass sie zwischenzeitlich immer wieder überlegt hatten, sich andere Wohnungen zu suchen und andere Lebenswege zu gehen. Von einer verfestigten Beziehung kann nicht gesprochen werden.
Ihre Beziehung war zum Zeitpunkt des Erlasses der zwischenzeitlich aufgehobenen Bewilligungsbescheide also nicht derart gefestigt, dass sich auf Dauer angelegt war. Es handelte sich um eine Freundschaft und Wohngemeinschaft.
2. Die aufgehobenen Bewilligungsbescheide können auch nicht gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden. Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X kann ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufgehoben werden, so weit sich in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zu denken wäre hier daran, dass durch das Eheversprechen im Oktober 2005 sich die tatsächlichen Verhältnisse derart geändert haben, dass die Leistungsbewilligung zumindest für Oktober und/oder November aufzuheben sein könnte. Unter Hinweis auf die obigen Ausführungen hat die Kammer jedoch den Eindruck gewonnen, dass sich der Einstandswille erst nach und nach seit der Eheschließung entwickelt. Vor der tatsächlichen Schließung der Ehe konnte die Kammer diesen Einstandswillen nicht feststellen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz.