Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 24.01.2007, Az.: S 25 AS 1443/06 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 24.01.2007
- Aktenzeichen
- S 25 AS 1443/06 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 61632
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2007:0124.S25AS1443.06ER.0A
Tenor:
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin H. wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Die 1974 geborene Antragstellerin zu 1. beantragte am 28. November 2006 bei der Antragsgegnerin, die nicht von der Möglichkeit des § 44 b SGB II Gebrauch gemacht hat, für sich, ihre drei Kinder I., J. und K. (geboren 1993, 1995 und 2000, Antragsteller zu 3. bis 5.) sowie ihren 1974 geborenen erwerbstätigen Ehemann, den Antragsteller zu 2., der nicht der Vater der genannten Kinder ist, laufende Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnen zusammen ein Einfamilienhaus in Dannenberg, für das monatliche Zins- und Tilgungsbeiträge zur Bedienung hierauf bezogener Baudarlehensverträge zu zahlen sind.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit der Begründung ab, die Antragstellerin und die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen seien nicht hilfebedürftig. Es ergebe sich wegen des auch anzurechnenden Einkommens des Ehemanns ein erheblicher Einkommensüberhang.
Über den hiergegen mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 erhobenen Widerspruch ist bislang - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2006, eingegangen am 27. Dezember 2006, hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Lüneburg einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung führt sie aus, die Antragsgegnerin habe bei ihrer Berechnung unberücksichtigt gelassen, dass der Ehemann zur Finanzierung seines Hauses eine monatliche Belastung in Höhe von 1.035,85 EUR habe. Dieser Betrag sei von seinem Einkommen zusätzlich abzusetzen, so dass sich eine Hilfebedarf der Bedarfsgemeinschaft und damit ein Leistungsanspruch ergebe.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr und ihren Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, dass Hausabträge nicht vom Einkommen des Ehemannes abgesetzt werden könnten. Insbesondere seien Schulden nicht berücksichtigungsfähig.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die die Antragstellerin betreffende Leistungsakte der Antragsgegnerin zum Az. 27102 BG 0008067 ergänzend Bezug genommen. Diese lagen vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Zunächst war das Rubrum von Amts wegen zu berichtigen, weil das Gericht davon ausgeht, dass die oben genannten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ihre individuellen Ansprüche gegen die Antragsgegnerin durchzusetzen gedenken, wobei die jeweilige Bevollmächtigung der Antragstellerin zu 1. gemäß § 73 Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vermutet wird.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist gemäß § 86 Abs. 2 S. 2 SGG als Regelungsanordnung zulässig, er ist jedoch nicht begründet.
Nach der genannten Vorschrift ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung des vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch, d.h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, sowie der Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Es kann zunächst dahinstehen, ob den Antragstellern wegen des erheblichen Einkommensüberhangs überhaupt ein Anordnungsgrund zur Seite steht, der eine einstweilige Anordnung nötig macht; jedenfalls haben sie einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können.
Gemäß § 19 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II unter anderem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die unter anderem hilfebedürftig sind. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II u. a. der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils. Ferner gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II die dem Haushalt angehörenden Kinder der in den Nr. 1 bis 3 genannten Personen dann auch zur Bedarfsgemeinschaft, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
Die Antragsteller haben jedoch nicht glaubhaft machen können, dass sie ausgehend von diesen Grundsätzen hilfebedürftig sind, denn sie können ihren Lebensunterhalt durch ihr eigenes Einkommen bestreiten. Darauf hat das Gericht die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller bereits mit Verfügung vom 15. Januar 2007 hingewiesen. Darin heißt es u. a.
"[ ] Die Antragstellerin und die in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen können nach bisheriger Einschätzung keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen, weil die Antragsgegnerin zu Recht von der fehlenden Hilfebedürftigkeit ausgehen durfte.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Alle von der Antragsgegnerin bei der Bedarfsberechnung berücksichtigten Personen gehören gemäß § 7 Abs. 3 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft, so dass insbesondere gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II auch das Einkommen des Herrn Stefan Schultz zu berücksichtigen ist. Ferner ist auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Nr. 4 a. E. SGB II vorliegen, da für die Kinder ohnehin nur Kindergeldzahlungen von jeweils 154,00 EUR geleistet werden und deren Einzelbedarfe - unabhängig davon, welche Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen wären - hierdurch nicht gedeckt werden.
Die einzelnen Bedarfe der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergeben daher einen Gesamtbedarf in Höhe von 1.243,00 EUR (2 x 311,00 EUR sowie 3 x 207,00 EUR). Dem steht ein Nettoeinkommen des Herrn Stefan Schultz in Höhe von 1.925,48 EUR sowie Kindergeldzahlungen in Höhe von insgesamt 462,00 EUR (3 x 154,00 EUR) gegenüber, so dass sich ein Gesamteinkommen in Höhe von 2.387,48 EUR ergibt. Von dem Nettoeinkommen des Herrn Stefan Schultz ist dann allerdings gemäß §§ 11 und 30 SGB II ein Gesamtfreibetrag in Höhe von 310,00 EUR (100,00 EUR Grundfreibetrag [§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II], ein Freibetrag in Höhe von 140,00 EUR [§ 30 S. 2 Nr. 1 SGB II] und ein weiterer Freibetrag in Höhe von 70,00 EUR [§ 30 S. 2 Nr. 2 SGB II]) abzusetzen. Bislang ist nicht glaubhaft gemacht, dass von dem Nettoeinkommen noch weitere Beträge abzusetzen sein könnten. Insbesondere sind die KFZ-Haftpflichtversicherungsprämie, die Werbungskostenpauschale und die Versicherungspauschale in dem Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II enthalten und mit diesem abgegolten.
§ 11 SGB II i. V. m. der Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung sowie § 30 SGB II geben darüber hinaus abschließend vor, welche Beträge von dem jeweiligen Einkommen absetzbar sind. In dem dortigen Katalog sind Absetzungen für etwaige Kosten der Unterkunft und Heizung sowie für Darlehensverbindlichkeiten nicht vorgesehen, vielmehr werden derartige Beträge ggf. gesondert erbracht. Hierfür ist jedoch nicht die Antragsgegnerin, sondern gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II der Landkreis Uelzen zuständig, bei dem die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung gesondert zu begehren wäre.
[ ] Darüber hinaus sind gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II etwaige Unterhaltsverpflichtungen des Herrn Stefan Schultz nur dann von seinem Einkommen abzusetzen, wenn die hierfür anfallenden Beträge in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegt sind. Hierfür ist bislang jedoch nichts ersichtlich und damit auch nicht glaubhaft gemacht.
[ ] Daher steht dem Gesamtbedarf in Höhe von 1.243,00 EUR ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 2.077,48 EUR (1.925,00 EUR zuzüglich 462,00 EUR Kindergeld abzüglich Gesamtfreibetrag in Höhe von 310,00 EUR) gegenüber, so dass sich kein Hilfebedarf, sondern ein Einkommensüberhang ergibt, der bei der Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen wäre. Ob sich dort dann ein Auszahlungsbetrag ergibt, ist - wegen der Unzuständigkeit der Antragsgegnerin in diesem Verfahren - hier nicht entscheidungserheblich. [ ]"
An dieser Einschätzung hält die Kammer fest, weil die Antragsteller hierauf nichts vorgetragen haben, was zu einer anderen Einschätzung und Entscheidung führen könnte. Die im Laufe des Verfahrens mitgeteilte Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Antragstellerin zu 1. führt demgegenüber noch dazu - darauf hat die Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen - dass sich der oben ermittelte Einkommensüberhang weiter erhöht und erst Recht kein Leistungsanspruch bestehen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG, das Verfahren ist für die Antragsteller gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das einstweilige Rechtsschutzverfahren war abzulehnen, weil die nötigen hinreichenden Erfolgsaussichten fehlen, § 73 a SGG i. V. m. § 114 ZPO, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.