Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 27.07.2009, Az.: S 12 SF 113/09 E

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
27.07.2009
Aktenzeichen
S 12 SF 113/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50511
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 25. Mai 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 20. April 2009 - S 29 AS 1329/06 - wird die aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung des Erinnerungsführers endgültig auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 373,66 € festgesetzt; bereits erfolgte Zahlungen sind dabei in Abzug zu bringen.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Das Erinnerungsverfahren ist gerichtskostenfrei.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

1

Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg geltend, in dem um die Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) gestritten wurde. Streitgegenstand war dabei - nach dem unwiderspro-chen gebliebenen Vortrag der Beklagten - lediglich der Zeitraum vom 01. November 2006 bis zum 30. November 2006. Das Verfahren endete nach etwa 1 1/2 Jahren Verfahrendauer, in der der Erinnerungsführer einen zweiseitigen Klageschriftsatz und einen weiteren - zweizeiligen - Schriftsatz zu den Akten reichte, am 14. April 2009 durch Erlass eines Gerichtsbescheides der 29. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg.

2

Die Erinnerung hat im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen bleibt sie erfolglos und war daher insoweit zurückzuweisen.

3

Der beigeordnete Rechtsanwalt ist im Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) allein erinnerungsbefugt (vgl. etwa Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 56, Rdn. 6); das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

4

Die danach gemäß § 56 Abs. 1 RVG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 20. April 2009 - S 29 AS 1329/06 - erhobene Erinnerung des Erinnerungsführers ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.

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Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung nicht gänzlich stand. Nach Auffassung der Kammer ist ein Gesamtvergütungsanspruch aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse in Höhe eines Betrages von 373,66 € kostenrechtlich angemessen. Dabei ist eine Verfahrensgebühr in Höhe eines  Betrages von 120,00 € (dazu unter 1.), eine Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 130,00 € (dazu unter 2.) sowie die beantragte Höhe der Auslagenpauschale, der Reisekosten, des Abwesenheitsgeldes und der Umsatzsteuer (dazu unter 3.) in die Berechnung einzustellen.

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Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landes-sozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss v. 12. September 2006, L 1 B 320/05 SF SK,   zitiert nach juris). Dabei ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Sep-tember 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.

7

Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.

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1. Ausgehend von diesen Maßstäben ist wegen der Vorbefassung des Erinnerungsführers im Widerspruchsverfahren eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - in Höhe eines Betrages von 120,00 € in die Berechnung einzustellen. Bei der Verfahrensgebühr handelt es sich um eine Tätigkeitsgebühr, mit der jede prozessuale Tätigkeit eines Rechtsanwalts abgegolten wird, für die das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz keine sonstige Gebühr vorsieht. Sie entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und gilt u. a. für die Prüfung der Schlüssigkeit der Klage oder des Rechtsmittels durch den Rechtsanwalt anhand von Rechtsprechung und Literatur, die im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Verfahren notwendigen Besprechungen des Rechtsanwalts mit dem Auftraggeber, Dritten, dem Gericht und Sachverständigen sowie Schriftwechsel mit dem Auftraggeber, Dritten, Behörden und dem Gericht usw., der sich auf den Prozessstoff bezieht, ferner die Mitwirkung bei der Auswahl und Beschaffung von Beweismitteln, die Sammlung und den Vortrag des aus der Sicht des Rechtsanwalts rechtlich relevanten Stoffs sowie das Anbieten von Beweismitteln     (BT-Drs. 15/1971, S. 210). Der entsprechende Rahmen der Nr. 3102 VV-RVG sieht eine Gebührenspanne von 20,00 € bis 320,00 € vor. Erweist sich das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 170,00 € angemessen.

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Die Tätigkeit des Erinnerungsführers bewertet die Kammer mit Blick auf Anzahl und Umfang der eingereichten Schriftsätze und dem damit verbundenen Erörterungsbedarf mit dem Kläger als unterdurchschnittlich. Die objektiv erkennbare Tätigkeit des Erinnerungsführers bestand im Wesentlichen im Verfassen einer zweiseitigen Klageschrift nebst der Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der dazugehörigen Anlagen. Der Klageschriftsatz enthielt dabei im Wesentlichen die knappe Wiedergabe des überschaubaren streitigen Sachverhaltes sowie kurze rechtliche Erwägungen zur Frage des Getrenntlebens im Rahmen der Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des SGB II unter Bezugnahme und wörtlicher Zitierung eines Begründungselements eines Beschlusses des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen. Demgegenüber sind weitere - zeitintensivere - Tätigkeiten, wie etwa das Lesen und eingehende Auswerten von medizinischen Gutachten, das Verfassen von Schriftsätzen, die sich mit komplexen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen auseinandersetzen, die Sichtung und Auswertung von Rechtsprechung, die den Rückschluss auf einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand zulassen, nicht angefallen bzw. nicht belegt. Gleiches gilt für etwa erforderlich gewordene umfangreiche Besprechungstermine mit dem Mandanten oder umfangreichen weiteren Schriftwechsel. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer allenfalls durchschnittlich war (von der Klageerhebung am 29. November 2006 bis zur Erledigung des Rechtsstreits am 14. April 2009 war das Verfahren etwa 1 1/2 Jahre anhängig) und Repliken nicht zu fertigen waren. Insoweit erscheint es - auch mit Blick auf den Aktenumfang - gerechtfertigt, von einer deutlich unterdurchschnittlich umfangreichen anwaltlichen Tätigkeit auszugehen. Die Schwierigkeit des Verfahrens im materiellen Recht erwies sich im Hinblick auf die Problematik des Getrenntlebens der Ehegatten unter Berücksichtigung der Bestimmungen des SGB II als durchschnittlich, weil jedenfalls komplexe rechtliche Fragestellungen nicht zu erörtern waren, was im Übrigen durch die Wahl der Entscheidungsform des Gerichtsbescheides, der gemäß § 105 Abs.1 S. 1 SGG nur Verfahren vorbehalten bleibt, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach gelagert sind, unterstrichen wird. Insgesamt betrachtet war die anwaltliche Tätigkeit damit unterdurchschnittlich umfangreich und durchschnittlich schwierig.

10

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse erweisen sich als deutlich unterdurchschnittlich: Sie orientieren sich an dem Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung. Bessere wirtschaftliche Verhältnisse rechtfertigen demgemäß eine höhere Vergütung, eine schlechtere Einkommens- und Vermögenssituation des Auftraggebers bedingt eine geringere Vergütung. Für die gleiche Leistung hat deshalb ein wirtschaftlich besser ausgestatteter Mandant eine höhere Vergütung zu entrichten als ein wenig bemittelter Auftraggeber (vgl. etwa Gerold/Schmidt - Mayer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, § 14, Rdn. 18). Daher liegt es - auch im Rahmen der Festsetzung des Gesamtvergütungsanspruches aus Prozesskostenhilfemitteln - auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des von dem Erinnerungsführer vertretenen Klägers als Bezieher von Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II als deutlich unterdurchschnittlich darstellen.

11

Die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten des Erinnerungsführers ist ebenfalls als unterdurchschnittlich zu bewerten. Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit ist auf das unmittelbare Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, d. h. auf die Interessen des Auftraggebers, insbesondere die Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers abzustellen. Mittelbare Auswirkungen oder Fernwirkungen des anwaltlichen Handels sind nicht zu berücksichtigen. Einem Streit um die Frage, ob dem Kläger für einen Zeitraum von einem Monat Leistungen nach dem SGB II begehren kann, kommt im Vergleich zu Verfahren, in denen um die gänzliche Versagung existenz-sichernder Leistungen für mehrere Monate oder um die Gewährung von Dauerrentenleistungen gestritten wird, ersichtlich nur eine unterdurchschnittliche Bedeutung zu. Das Haftungsrisiko erweist sich dementsprechend auch allenfalls als durchschnittlich; jedenfalls ist für ein besonderes Haftungsrisiko nichts ersichtlich.

12

Damit rechtfertigen der unterdurchschnittliche Umfang und die durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die unterdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit, die deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten des Erinnerungsführers und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko des Erinnerungsführers die Zuerkennung einer Verfahrensgebühr unterhalb der Mittelgebühr, wobei die Kammer einen Betrag in Höhe von 120,00 € für angemessen hält. Der darüber hinausgehend geltend gemachte Betrag in Höhe von 250,00 € ist - auch unter Berücksichtigung  eines gewissen Toleranzrahmens - erkennbar unbillig.

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2. Eine Terminsgebühr ist - entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle - in Höhe eines Betrages von 130,00 € entstanden. Dieser Gebührentatbestand ist dabei dem Rahmen der Nr. 3106 VV-RVG zu entnehmen; er beträgt 20,00 € bis 380,00 €, die Mittelgebühr demnach 200,00 €. Der Rechtsstreit wurde gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden.

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Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die „fiktive" Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 1 bis 3 VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei der Bemessung der Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Daher ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden hätte.

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Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG insoweit erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Fest-legung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer eigenständigen Festsetzung unter Be-achtung der in § 14 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung eines Gebühren-rahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in denen keine Betragsrahmengebühren entstehen einen festen Wert - nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen von 1,2 - festgeschrieben hat. Daher ist es auch nicht gerechtfertigt, etwa grundsätzlich nur die Mindestgebühr in Höhe von 20,00 € anzuer-kennen. Anderenfalls hätte der Normgeber auch bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag festgeschrieben wie er es beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2600 ff. VV-RVG, in Strafsachen bei den Gebühren des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG getan hat. Auch wenn in diesen Verfahren keine Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.

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Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 RVG, dass insoweit eine insgesamt unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr hinsichtlich der Termins-gebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall abgewogen werden.

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Unter Beachtung aller Abwägungskriterien des § 14 RVG, die für die Verfahrensgebühr nach Auffassung der Kammer einen Betrag unterhalb der Mittelgebühr rechtfertigt, ist auch eine Terminsgebühr unterhalb der Mittelgebühr angemessen. Hinsichtlich des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gilt dabei Folgendes: Abzustellen ist - wie ausgeführt - auf den hypothetischen Aufwand, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Der Ablauf eines derartigen Termins hätte sich hier jedoch anders als in den Fällen der Nr. 3106 Ziffer 3 VV-RVG dargestellt. Bei dieser Konstellation ist es gerechtfertigt, von einem (fiktiven) weit unterdurchschnittlichen anwaltlichen Aufwand im (hypothetischen) Termin zur mündlichen Verhandlung auszugehen. Demgegenüber hätten in der diesem Erinnerungsverfahren zugrunde liegenden Fallgestaltung (hypothetisch) der Sachvortrag des Vorsitzenden, ergänzende Fragen an die Beteiligten, die Erörterung der Sach- und Rechtslage und schließlich das Stellen der Anträge erfolgen müssen. Dies entspricht einem Termin zur mündlichen Verhandlung, der für den Anwalt mit durchschnittlichem Aufwand verbunden wäre und stimmt im Übrigen auch mit den gesetzlichen Vorgaben des § 112 SGG über den Gang einer mündlichen Verhandlung im sozialgerichtlichen Verfahren überein. Es wäre insoweit gerade nicht ausreichend gewesen, etwa nur noch die Annahme eines abgegebenen Anerkenntnisses zu erklären. Nur für diese Konstellation entspricht es ständiger Rechtsprechung der Kostenkammer des Sozialgerichts Lüneburg, die fiktive Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 100,00 € zugrunde zu legen, wenn die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr anzusetzen ist (vgl. hierzu etwa Beschluss vom 4. März 2009, - S 12 SF 53/09 E, vom 16. März 2009 - S 12 SF 59/09 E, - S 12 SF 64/09 E, vom 25. März 2009, - S 12 SF 43/09 E, vom 27. April 2009, - S 12 SF 39/09 E, vom 12. Mai 2009, - S 12 SF 56/09 E, vom 26. Ju-ni 2009, - S 12 SF 116/09 E sowie vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 67/09 E, jeweils zitiert nach juris).

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Die Kammer vermag im Übrigen die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gelegentlich gerügte Ungleichbehandlung zu sonstigen Gerichtszweigen nicht zu erkennen, weil sich der Gesetzgeber - wie oben bereits ausgeführt - bewusst für die Differenzierung zwischen Verfahren, in denen Wertgebühren entstehen und Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, entschieden hat. Eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Regelung - Entstehen einer 1,2-Gebühr in allen dort genannten Fällen - auch in den Fällen, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, enthält die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG ausdrücklich nicht. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass insoweit eine Gesetzeslücke besteht, die im Wege der Rechtsprechung geschlossen werden könnte. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 1995 - 1 RK 20/94 = BSGE 76, 109 ff.). Weder liegt hier ein absichtliches oder ein versehentliches Schweigen des Gesetzes vor, noch ist nach Inkrafttreten des RVG eine Gesetzeslücke durch eine Änderung tatsächlicher Umstände eingetreten. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich in Nr. 3104 VV- RVG auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG verwiesen, sofern es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt, in dem Betragsrahmengebühren entstehen und für diese Fälle einen Gebührenrahmen vorgesehen. Hätte er eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Vorschrift auch für diese sozialgerichtlichen Verfahren treffen wollen, hätte er - wie er das hinsichtlich Nr. 3104 VV-RVG geregelt hat - eine entsprechende Regelung in der Nr. 3106 VV-RVG treffen können (ständige Rechtsprechung der Kostenkammer des Sozialgerichts Lüneburg - vgl. hierzu etwa: Beschlüsse vom 4. März 2009, - S 12 SF 53/09 E, vom 16. März 2009 - S 12 SF 59/09 E, - S 12 SF 64/09 E, vom 25. März 2009, - S 12 SF 43/09 E, vom 27. April 2009, - S 12 SF 39/09 E, vom 12. Mai 2009, - S 12 SF 56/09 E, vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 116/09 E sowie vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 67/09 E, jeweils zitiert nach juris).

19

Wägt man daher die dargestellten durchschnittlichen Anforderungen an die hypothetische anwaltliche Tätigkeit bei der Wahrnehmung des Termins mit den auch hier maßgebenden deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und der unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko des Erinnerungsführers gegeneinander ab, ist das vorliegende Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 130,00 € - mithin unterhalb der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst. Dies bedeutet zugleich, dass bei einem tatsächlich stattgefundenen Termin auch ein Betrag in dieser Höhe festzusetzen gewesen wäre.

20

3. Weil andere Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen, ergibt sich folgende Berechnung:

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Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG

120,00 €

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG

130,00 €

Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG

20,00 €

Reisekosten gemäß Nr. 7003 VV-RVG

24,00 €

Abwesenheitsgeld gemäß Nr. 7005 VV-RVG

20,00 €

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG

59,66 €

Summe

373,66 €

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In diesem Umfang hat die Erinnerung Erfolg, im Übrigen bleibt sie erfolglos.

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4. Die Kammer sieht sich im Übrigen trotz des auch im Erinnerungsverfahren geltenden Verbots der reformatio in peius nicht daran gehindert, einzelne (bereits festgesetzte) Gebührenpositionen zu Lasten des Erinnerungsführers abzuändern, weil sich das Verschlechterungsverbot allein auf die Festsetzung des Gesamtvergütungsanspruches bezieht, der hier auf die Erinnerung des Erinnerungsführers zu erhöhen war.

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5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.

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6. Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06. März 2009, - L 8 SF 1/09 B sowie zur fehlenden Beschwerdemöglichkeit bei Entscheidungen über die Prozesskostenhilfevergütung: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF, Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF sowie Beschluss vom 09. Juni 2009, - L 13 B 1/08 SF mit zahlreichen weiteren Nachweisen).