Sozialgericht Lüneburg
v. 26.03.2009, Az.: S 7 AL 177/08
Arbeitslosengeld; Bemessungsentgelt; Bemessungsrahmen; Bemessungszeitraum; Berechnung; Entgeltabrechnungszeitraum; Höhe; Leistungsentgelt; regelmäßige Abrechnung; Vereinfachungsgedanke; voller Abrechnungszeitraum; zeitnahes Lohnniveau
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 26.03.2009
- Aktenzeichen
- S 7 AL 177/08
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2009, 50500
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 130 SGB 3
- § 131 SGB 3
- § 133 SGB 3
Tenor:
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. Juli 2008, abgeändert durch Bescheid vom 28. August 2008, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab dem 25. Juli 2008 für die Dauer von 360 Kalendertagen Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 639,90 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 44 Prozent seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Gewährung eines höheren Arbeitslosengeldes für die Zeit ab dem 25. Juli 2008.
Der D. geborene Kläger war ab dem 01. September 2004 zunächst als Auszubildender und anschließend bis zum 24. Juli 2008 als Betriebsschlosser in E. beschäftigt. Er meldete sich am 04. Juli mit Wirkung zum 25. Juli 2008 arbeitslos.
Zu diesem Zeitpunkt war das beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt bis einschließlich des Monats Juni 2008 abgerechnet.
Mit Bescheid vom 22. Juli 2008 (Bl. 18 bis 21 der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungssatz von 20,78 Euro für die Zeit ab 25. Juli 2008 für die Dauer von 360 Kalendertagen.
Dagegen legte der Kläger am 14. August 2008 Widerspruch ein (Bl. 11 der Verwaltungsakte), den er damit begründete, dass noch Nachzahlungen für die Monate Januar bis Juli 2008 zu berücksichtigen seien. Der Bruttoarbeitslohn für den Bemessungsrahmen für die Zeit vom 25. Juli 2007 bis 24. Juli 2007 habe 19.396,62 Euro betragen.
Mit Änderungsbescheid vom 28. August 2008 (Bl. 37 bis 39 der Verwaltungsakte) änderte die Beklagte die Bewilligung ab und bewilligte nunmehr einen täglichen Leistungssatz von 20,84 Euro. Dabei berücksichtigte sie Nachzahlungen für die Zeit von Februar bis Juni 2008.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01. September 2008 zurück (Bl. 41 bis 44 der Verwaltungsakte) und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:
Der Bemessungszeitraum umfasse die bei Ausscheiden des Betroffenen aus dem Arbeitsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume und betrage ein Jahr. Dies sei vorliegend die Zeit vom 01. Juli 2007 bis 30. Juni 2008, in der ein Bruttoarbeitsentgelt von 18.034,63 Euro erzielt worden sei, woraus sich ein tägliches Bemessungsentgelt von 49,27 Euro ergebe. Das Entgelt für den Monat August 2008 sei erst im August abgerechnet worden, so dass es nicht zu berücksichtigen sei.
Dagegen hat der Kläger am 23. September 2008 Klage erhoben.
Er trägt vor:
Es müsse auch das Entgelt für Juli 2008 Berücksichtigung finden, weil eine Abrechnung beim Ausscheiden aus dem Betrieb nicht möglich gewesen sei. Der Bemessungsrahmen erstrecke sich auf die Zeit vom 25. Juli 2007 bis 24. Juli 2008.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 2008, abgeändert durch Bescheid vom 28. August 2008, in Gestalt de Widerspruchsbescheides vom 01. September 2008 zu verurteilen, im Rahmen des Bemessungsrahmens ein Arbeitsentgelt von 19.396,62 Euro anzunehmen und dem Kläger ab dem 25. Juli 2008 für die Dauer von 360 Tagen Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungssatz von 21,95 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Lohnabrechnungszeiträume, die nur teilweise in den Bemessungsrahmen fielen, seien voll zu berücksichtigen. Der Monat Juli 2008 sei erst nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis abgerechnet worden.
Die Beteiligten wurden von der Kammer über die Möglichkeit, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise insoweit Erfolg, als der Kläger ein monatliches Arbeitslosengeld von 639,90 Euro beanspruchen kann.
Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.
Der Rechtsstreit wird nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Absatz 1 SGG entschieden, denn der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art auf.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2008, abgeändert durch Bescheid vom 28. August 2008, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2008 erweist sich im tenorierten Umfang als rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.
Gemäß § 129 SGB III beträgt das Arbeitslosengeld
1. für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne von § 32 Absatz 1, 3 bis 5 des EStG haben, sowie Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Absatz 1, 4 und 5 des EStG hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz),
2. für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz)
Nach § 130 Absatz 1 Satz 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen auf dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Nach Satz 2 umfasst der Bemessungsrahmen ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.
Gemäß § 131 Absatz 1 Satz 1 SGB III ist Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Nach Satz 2 gelten Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind.
Gemäß § 133 Absatz Satz 1 SGB III ist Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Die Abzüge richten sich nach Satz 2 der Norm.
Der Bemessungsrahmen gemäß § 130 Absatz 1 Satz 2 SGB III umfasst die Zeit vom 25. Juli 2007 bis 24. Juli 2008.
Der Bemessungszeitraum muss innerhalb des Bemessungsrahmens liegen, so dass teilweise hineinragende Entgeltzeiträume nicht zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 29. Mai 2008 - B 11a/7a AL 64/06 R -; Gagel/Rolfs, Kommentar zum SGB III, § 130, Rd. 24). Ein Hineinragen hatte das Bundessozialgericht zu der früheren Rechtslage für statthaft gehalten (vgl. Urteil vom 25. Januar 1996 - RAr 90/94 -). Diese Rechtsprechung ist mittlerweile durch die Änderung der Gesetzesnormen überholt.
Insoweit ist die durch die Beklagte vorgenommene Berücksichtung des vollen Monats Juli 2007 rechtswidrig. Für die vom Bundessozialgericht nunmehr vertretene Auslegung der Norm spricht im Übrigen deren klarer Wortlaut, nach dem Beschäftigungen im Bemessungsrahmen den Bemessungszeitraum bildeten.
Der Bemessungszeitraum erstreckt sich somit auf die Zeit vom 25. Juli 2007 bis 30. Juni 2008. Die Zeit bis zum 24. Juli 2008 könnte nur dann berücksichtigt werden, wenn dieser Entgeltzeitraum bereits beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechnet worden wäre. Dies ist indes nicht der Fall, da die Abrechnung erst im August 2008 erfolgte, wobei unerheblich ist, auf welche Gründe dies zurückzuführen ist oder ob der Kläger dies zu vertreten hätte.
Entgeltabrechnungszeiträume sind Zeiträume, in denen nach dem Inhalt des Beschäftigungsverhältnisses regelmäßig das laufende Arbeitsentgelt abgerechnet wird (vgl. Gagel/Rolfs, § 130, Rd. 25). Dabei ist nur auf volle Abrechnungszeiträume abzustellen, um die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes zu erleichtern. Abgerechnet ist ein Zeitraum, wenn der Arbeitgeber das in diesem erarbeitete Entgelt vollständig und endgültig errechnet hat (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 23. November 1988 - 7 RAr 38/87 -, vom 18. April 1991 - 7 RAr 52/90 - und vom 17. November 2005 - B 11a/11 AL 57/04 R -). Die Abrechnung muss daher spätestens am letzten Arbeitstag vorliegen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 21. Juni 1977 - RAr 88/75 -). Der gesetzlichen Regelung liegt der Vereinfachungsgedanke und die Ausrichtung an einem zeitnahen Lohnniveau zugrunde (vgl. Eicher/Schlegel/Pawlak, Kommentar zum SGB III, § 130, Rd. 60).
Der Bemessungszeitraum beträgt 342 Tage. In diesem Zeitraum hat der Kläger abgerechnete Entgelte von 17.443,92 Euro erzielt. Dividiert durch die Anzahl der Tage ergibt sich ein Bemessungsentgelt von täglich 51,-- Euro, was einem Leistungssatz von täglich 21,33 Euro und monatlich 639,90 Euro entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer des Klägers mit 223,20 Euro und diejenige der Beklagten von 176,40 Euro jeweils den Schwellenwert von 750,-- Euro nicht überschreitet. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe abweicht.