Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 03.11.2009, Az.: S 7 AL 237/06
Rechtmäßigkeit einer Aufhebung und Erstattungsforderung gewährter Arbeitslosenhilfe; Grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen; Bestehen eines Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Rücknahme eines Dauerverwaltungsaktes
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 03.11.2009
- Aktenzeichen
- S 7 AL 237/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 31137
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2009:1103.S7AL237.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 190 Abs. 1 SGB III
- § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III
- § 24 Abs. 1 SGB X
- § 45 SGB X
- § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X
- § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Erstattungsforderung gewährter Arbeitslosenhilfe zuzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 9.468,34 Euro für die Zeit vom 15. Februar bis 23. Dezember 2003.
Der H. geborene Kläger war bis März 1999 Inhaber einer Kfz-Werkstatt. Nach Betriebsaufgabe nahm er eine Tätigkeit bei der Firma I. (J.) auf, einer Kfz-Reparaturwerkstatt mit Sitz in der K. in L ... Bis Januar 2002 war er in Vollzeit beschäftigt und erhielt monatlich 1.686,85 Euro brutto (Arbeitsvertrag vom 24. März 1999; Bl. 138 bis 139 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte). Dabei war er einziger gemeldeter Vollzeitarbeitnehmer und als Kfz-Meister Betriebsleiter. Der Schwager, Herr M. N., ist Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma. Dieser arbeitete gleichzeitig Vollzeit bei der Firma O. als Finanzmanager. Der Kläger wohnt auf dem Betriebsgrundstück. Es sind Öffnungszeiten von wochentags von 9.00 bis 17.00 Uhr ausgewiesen. Im Jahre 2003 waren zwei Praktikanten unentgeltlich beschäftigt. Wöchentlich fanden Abnahmen des TÜV oder der DEKRA statt. Der Betrieb ist mit dem Kläger als Meister in die Handwerksrolle eingetragen.
Der Kläger meldete sich im Januar 2002 arbeitslos und meldete gleichzeitig eine geringfügige Beschäftigung bei der bisherigen Arbeitgeberin an. Er bestätigte mit seiner Unterschrift den Erhalt des Merkblattes 1b Arbeitslosenhilfe (Bl. 103 der Rückseite der Verwaltungsakte). In der Folgezeit zeigte er stets Nebenverdienste von weniger als 165,- Euro im Monat an. Der Geschäftsführer der Firma gab gegenüber der Beklagten jeweils an, dass in jeder Beschäftigungswoche weniger als 15 Stunden gearbeitet worden sei.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2003 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 27. Januar bis 31. August 2003 Arbeitslosenhilfe mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 181,72 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 01. September 2003 bewilligte sie bis zum 31. Dezember 2003 Arbeitslosenhilfe.
Mit Schreiben vom 18. November 2003 (Bl. 166 bis 167 der Verwaltungsakte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er für die Zeit vom 15. Juni bis 31. Juli 2003 zu Unrecht Arbeitslosenhilfe bezogen habe und beabsichtigt sei, den überzahlten Betrag zurückzufordern.
Nach einem Vermerk vom 22. Dezember 2003 sah die Beklagte von einer Aufhebung und Erstattung zunächst ab, um Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Schadenshöhe abzuwarten (Bl. 171 der Verwaltungsakte). Im August 2006 erhielt die Beklagte den Schlussbericht des Hauptzollamtes.
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 23. August 2006 (Bl. 238 bis 239 der Verwaltungsakte) die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 15. Februar bis 23. Dezember 2003 auf und forderte die Erstattung gewährter Arbeitslosenhilfe zuzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 9.468,34 Euro. Sie begründete dies damit, dass der Kläger zumindest grob fahrlässig die Mitteilungspflichten verletzt habe.
Dagegen legt der Kläger am 03. September 2006 Widerspruch ein (Bl. 250 der Verwaltungsakte), den er damit begründete, dass er nur die von Herrn N. angegeben Stunden gearbeitet habe. Aus der Tatsache, dass nach dem Gesetz ein Meister mit mindestens 20 Wochenstunden anwesend sein müsse, könne kein Rückschluss auf die Dauer der Beschäftigung des Klägers gezogen werden. Eine solche Beschäftigung sei wirtschaftlich für den Betrieb nicht tragbar gewesen. Die Öffnungszeiten hätten auf dem Schild gestanden, was andernfalls hätte abgenommen werden müssen. Die Aussage des Praktikanten P. sei unglaubhaft, weil dieser nicht für längere Zeit beschäftigt worden sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06. November 2006 zurück (Bl. 264 bis 268 der Verwaltungsakte) und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:
Der Kläger sei einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen und nicht beschäftigungslos gewesen. Er habe grob fahrlässig Mitteilungspflichten verletzt. Für die Zeit ab 01. September 2003 sei § 45 SGB X die richtige Rechtsgrundlage.
Dagegen hat der Kläger am 18. November 2006 Klage erhoben.
Er trägt vor:
Der Kläger sei in den Jahren 2006 und 2007 zeitweise vollzeitig anderweitig beschäftigt gewesen, ohne dass die Betriebsabläufe gefährdet worden seien. Die Öffnungszeiten seien realisierbar gewesen, weil der Kläger auf dem Betriebsgelände gewohnt habe. Auf eine Nachholung der Anhörung werde verzichtet.
Zwischenzeitlich ist das Strafverfahren gegen den Kläger wegen des Straftatvorwurfes des Betruges mit Urteil des Amtsgerichtes Q. vom 08. Juli 2009 - R. - mit einem Freispruch beendet worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. November 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Während der Öffnungszeiten habe Arbeitsbereitschaft bestanden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft S. den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. November 2006 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.
Bei der Einschätzung, ob die Voraussetzungen einer Erstattungsforderung gegeben sind, ist die Kammer nicht an die Feststelllungen im strafgerichtlichen Urteil des Amtsgerichtes Celle gebunden, sondern nimmt unabhängig davon eine Bewertung der rechtlichen Voraussetzungen vor. Im Übrigen ist im Rahmen der §§ 45, 48 SGB X kein Vorsatz im Sinne einer Bereicherungsabsicht notwendig, sondern es genügt das Vorliegen grob fahrlässigen Verhaltens.
(I)
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide für die Zeit vom 15. Februar bis 31. August 2003 sind hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe und deren Erstattung §§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X, 330 Absatz 3 Satz 1 SGB III in Verbindung mit § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X.
Die angegriffenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte hat zwar außer für die Zeit vom 15. Juni bis 31. Juli 2003 keine nach § 24 Absatz 1 SGB X erforderliche Anhörung vorgenommen, ohne dass ein Ausnahmetatbestand des Absatzes 2 der Norm vorgelegen hätte. Jedoch hat der Kläger auf eine Nachholung, welche nach § 41 Absatz 1 Nr. 3 SGB X möglich gewesen wäre, verzichtet.
(1)
Die Voraussetzungen einer Rücknahme nach §§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, 330 Absatz 3 Satz 1 SGB III sind gegeben. Demnach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab dem Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
(a)
Die mit Bescheid vom 27. Januar 2003 verfügte Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wurde durch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig.
Nach § 190 Absatz 1 SGB III in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) (a.F.) haben Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe Arbeitnehmer, die
- 1.
arbeitslos sind,
- 2.
sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben,
- 3.
einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben,
- 4.
in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen Eintritts von Sperrzeiten mit der Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und
- 5.
bedürftig sind.
Gemäß §§ 198 Satz 2 Nr. 1 SGB III, 118 Absatz 1 SGB III a.F. ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der
- 1.
vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und
- 2.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche).
Nach §§ 198 Satz 2 Nr. 1, 118 Absatz 1 Satz 1 SGB III a.F. schließt die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung die Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt.
Nach §§ 198 Satz 2 Nr. 2, 122 Absatz 2 SGB III a.F. erlischt die Wirkung der Arbeitslosmeldung
- 1.
bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit,
- 2.
mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger, wenn der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich meldet.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung trägt die Behörde (vgl. von Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, vor §§ 44 bis 49, Rd. 5; Hauck/Noftz/Vogelsang, Kommentar zum SGB X, § 45, Rd. 68; Kasseler Kommentar/SGB X/Steinwedel § 45, Rd. 24). Die Beweislast kehrt sich jedoch um, wenn der Betroffene wesentliche, entscheidungserhebliche Tatsachen verschwiegen hat (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 19. März 1998 - B 7 AL 44/97 -).
Der Kläger war in der Zeit vom 15. Februar bis 31. August 2003 nicht arbeitslos.
Ob eine kurzzeitige Beschäftigung vorliegt, ist anhand einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu bewerten, wobei es auf die Umstände bei Beginn der Beschäftigung ankommt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 15. Dezember 1999 - B 11 AL 53/99 R -). Dabei ist auf den Arbeitsvertrag und die bisherige Übung abzustellen (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 20. Oktober 1960 - 7 RAr 80/58 -, 17. März 1981 - 7 RAr 19/08 -, 11. Mai 1993 - 12 RK 23/91 - und 15. Dezember 1999 - B 11 AL 53/99 -). Die zu treffende Prognose ist voll gerichtlich überprüfbar (vgl. Eicher/Schlegel/Söhngen, Kommentar zum SGB III, § 119, Rd. 65). Ändern sich die Arbeitszeiten nach Abschluss des Arbeitsvertrages, ist eine stillschweigende Änderung der Vereinbarung über die Beschäftigungszeit zu prüfen (vgl. Gagel/Steinmeyer, Kommentar zum SGB III, § 119, Rd. 71).
Bei der Bestimmung der Kurzzeitigkeit ist maßgebend auf die Zeitspanne abzustellen, während der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen (vgl. Gagel/Steinmeyer, Kommentar zum SGB III, § 119, Rd. 76). Irrelevant ist in diesem Kontext, ob die Beschäftigung entgeltlich war oder dabei Umsätze erzielt wurden, weil der Rechtsbegriff der Arbeitslosigkeit nicht daran gekoppelt ist (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 29. Juni 1995 - 11 RAr 97/94 -, 09. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R - und 13. Juli 2006 - B 7a AL 16/05 R -).
Bei der Beurteilung der Frage der Kurzzeitigkeit im Sinne von § 118 Absatz 2 SGB III a.F. ist maßgeblich auf die Beschäftigungswoche und nicht die Kalenderwoche abzustellen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 13. Juli 2006 - B 7a AL 16/05 R -; Niesel/ Brand, Kommentar zum SGB III, § 119, Rd. 29).
Zur Arbeitszeit in diesem Sinne gehören auch Zeiten der Arbeitsbereitschaft (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 09. November 1983 - 7 RAr 42/82 -). Unter Arbeitsbereitschaft ist die Zeit wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung zu verstehen (vgl. Gagel/Steinmeyer § 119, Rd. 79). Sie setzt eine gewisse, wenn auch im Zustand der Entspannung geleistete Arbeit voraus (vgl. Eicher/Schlegel/Söhngen, § 119, Rd. 67).
Der Rechtsbegriff der Arbeitsbereitschaft ist vom Bereitschaftsdienst und der Rufbereitschaft abzugrenzen. Im Rahmen letzterer steht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber an einem selbst bestimmten Ort, welchen er dem Arbeitgeber mitteilt, auf Abruf bereit. Dies ist nicht als Arbeitszeit zu werten. Insoweit kann nicht auf die vom Kläger gegenüber dem Hauptzollamt eingeräumte Tätigkeit des Abschleppservice für den telefonischen Kundendienst außerhalb der Betriebszeiten abgestellt werden (vgl. 81 der Ermittlungsakte).
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 29. November 1990 - 7 RAr 34/90 - folgendes ausgeführt:
"Bereitschaftsdienst kennzeichnet sich dadurch, daß der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, um seine Arbeit aufzunehmen, sobald es notwendig ist, ohne sich bis dahin im Zustand wacher Achtsamkeit zu befinden (BAGE 8, 25, 27 f; 8, 63, 71; 8, 245, 252; 10, 191, 194 f). Demgegenüber spricht man von Arbeitsbereitschaft, wenn Zeiten angespannter Tätigkeit mit Zeiten wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung wechseln. Wird bei der Arbeitsbereitschaft eine gewisse, wenn auch im Zustand der Entspannung geleistete Arbeit vorausgesetzt, so genügt beim Bereitschaftsdienst die bloße körperliche Anwesenheit des Arbeitnehmers. Während bei der Arbeitsbereitschaft noch eine im Vergleich zur Vollarbeit geringere vertragliche Leistung erbracht wird, besteht beim Bereitschaftsdienst die vertragliche Verpflichtung primär nicht in der Arbeitsleistung, sondern lediglich im "Anwesendsein" (vBAGE 8, 25, 30; BAG AP Nr. 11 zu § 15 AZO; BAG Betrieb 1981, 1195 f). Erst mit der Aufforderung zum Einsatz wird die eigentliche Leistung gefordert, erst mit dem Einsatz beginnt somit die Arbeit. Im übrigen, d.h. vor und nach der eigentlichen Arbeitsaufnahme kann der Arbeitnehmer über sich selbst verfügen. Er kann schlafen, ruhen oder sich sonstwie beschäftigen; lediglich die Bereitschaft, jederzeit die Arbeit aufzunehmen, darf durch die Art der privaten Beschäftigung nicht leiden (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 22)."
Damit knüpfte das Bundessozialgericht an die bisherige Rechtsprechung an (vgl. Urteil vom 09. November 1983 - 7 RAr 42/82 -).
Der Kläger ging im streitigen Zeitraum einer mehr als 15 Wochenstunden umfassenden Beschäftigung nach, indem er zum einen die in den Nebeneinkommensbescheinigungen angegebenen Arbeitszeiten absolvierte und zum anderen in Arbeitsbereitschaft stand. Denn während der Öffnungszeiten des Betriebes von 9.00 bis 17.00 Uhr war der als Kfz-Meister qualifizierte Kläger für Kunden stets erreichbar, zumal sich die Wohnung auf dem Betriebsgelände befand. Er war jederzeit bereit und in der Lage, Kundschaft zu empfangen und Arbeitsaufträge entgegenzunehmen. Ferner hat er sich um die Versorgung des Wachhundes gekümmert, welcher für die Sicherung des Betriebsgeländes eingesetzt wurde.
Die Öffnungszeiten eines Betriebes sind zwingend bei der Beurteilung der Frage der Kurzzeitigkeit der Beschäftigung einzubeziehen, was das Bundessozialgericht mit Urteil vom 28. Oktober 1987 - 7 RAr 28/86 - im Falle eines selbständigen Gastronomiebetreibers festgestellt hat. Dieser Rechtsmeinung hat sich beispielsweise auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 05. März 2003 - L 12 AL 124/02 - angeschlossen.
Die zitierte Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil der Kläger als einziger Arbeitnehmer für den Betrieb gemeldet und anders als der Betriebsinhaber, der selbständig tätig war, durchgehend vor Ort war, was auch dem gemeinsame Willen der Arbeitsvertragsparteien entsprach. So hat beispielsweise das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 21. September 2004 - L 9 AL 2836/03 - im Falle eines Aushilfskellners, welcher in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand, auf die Zeit der Anwesenheit im Lokal mit der Bereitschaft, Gäste zu bewirten, sobald sie erscheinen, abgestellt und diese als Arbeitsbereitschaft gewertet.
Selbst wenn man die Zeit der Arbeitsbereitschaft rechtlich als Bereitschaftsdienst bewerten würde, gelangte man zu dem Ergebnis, dass dieser ebenfalls als Beschäftigungszeit im Sinne des § 118 SGB III a.F. zu werten wäre. Dieser Schluss lässt sich aus der Rechtsprechung des EuGH ziehen, nach welcher Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort nach der Arbeitszeitrichtlinie zu beurteilen ist (vgl. Eicher/Schlegel/Söhngen § 119, Rd. 68).
Der Kläger führte zudem aus, dass er nicht nach Arbeitszeit bezahlt worden sei, sondern nach Umsatz. Dies verdeutlicht, dass die Arbeitszeit nach Art und Umfang der Tätigkeit gerade nicht auf weniger als 15 Wochenstunden beschränkt war, sondern der Arbeitgeber keine Vorgaben hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit tätigte. Da kein schriftlicher Arbeitsvertrag für die Zeit ab 2002 bestand, war auf die mündliche Vereinbarung mit Herrn N. abzustellen.
Für den Umstand, dass auch der Kläger und der Arbeitgeber nicht von einer geringfügigen Beschäftigung ausgingen, spricht im Übrigen die Tatsache, dass ein Meister nach der Handwerksordnung mindestens mit 20 Wochenstunden in einem Betrieb angestellt sein muss. Auffallend ist in diesem Kontext ferner der Umstand, dass die Umwandlung des Vollzeitarbeitsverhältnisses in eine geringfügige Beschäftigung, welche der Kläger ab dem 04. Februar 2002 behauptet, nicht gegenüber der Handwerkskammer mitgeteilt wurde (vgl. Bl. 244 der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft). Der Kläger war im Übrigen als Meister für den Betrieb in die Handwerksrolle eingetragen. Dies deckt sich auch mit den Angaben des Praktikanten T., welche dieser im Ermittlungsverfahren tätigte und nach denen der Kläger von Mitte Juni bis Ende Juli 2003 an zumindest drei Wochentagen täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr in der Werkstatt gewesen sei, ohne dass die Kammer streitentscheidend auf diesen Aspekt abstellt. Auch der Praktikant U. erklärte gegenüber dem Hauptzollamt, dass der Kläger morgens um 9.00 Uhr in der Regel anwesend gewesen sei und am Feierabend habe er diesem die Werkstatt übergeben, wenn auch maximal 3 Stunden pro Tag maximal gearbeitet worden sei (Bl. 69 bis 71 der Ermittlungsakte).
Der Kläger räumt selbst ein, dass die Praktikanten werktags am Morgen zwischen 7.00 und 8.00 Uhr erschienen seien und etwa bis 15.00 Uhr anwesend waren. Er hatte dabei eine Fürsorge- und Aufsichtspflicht gegenüber den Praktikanten auszuüben, so dass unglaubhaft erscheint, dass er diese den gesamten Tag sich selbst überlassen haben könnte.
(b)
Der Kläger hat seine Mitteilungspflichten gegenüber der Beklagten verletzt.
Gemäß § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I trifft denselben Personenkreis die Pflicht, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse muss der Betroffene von sich aus mitteilen (vgl. Kasseler Kommentar/Seewald,§ 60 SGB I, Rd. 25). Dieses hat unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von § 121 Absatz 1 SGB I, zu geschehen (vgl. Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB I, § 60, Rd. 16).
Die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit stellt eine mitteilungspflichtige Tatsache dar. Im Übrigen sind die gesamten Umstände bezüglich des eingegangenen Arbeitsverhältnisses mitzuteilen. Die wesentliche Tatsache, dass während der Öffnungszeiten eine ständige Arbeitsbereitschaft bestand, hat der Kläger nicht unverzüglich nach Aufnahme der Beschäftigung offenbart.
Da der Kläger der Beklagten die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht unverzüglich mitteilte, ist zudem die Arbeitslosmeldung gemäß § 122 Absatz 2 Nr. 2 SGB III a.F. erloschen.
(c)
Der Kläger handelte zumindest grob fahrlässig.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im gegebenem Fall jedem hätte einleuchten müssen (Palandt/ Heinrichs, Kommentar zum BGB, § 276, Rd. 5; v. Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, § 45, Rd. 24; Urteil des Bundessozialgerichtes vom 26. August 1987 - 11 a RA 30/86 -). Dabei sind die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtvermögen und das Verhalten des Betroffenen unter den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 13. Dezember 1972 - 7 RKg 9/69 -).
Dem Kläger hätte unmittelbar einleuchten müssen, dass der tatsächliche Umfang seiner Tätigkeit einschließlich der Zeiten der Arbeitsbereitschaft der Beklagten mitzuteilen war. Der Kläger ist mehrfach anhand des Merkblattes für Arbeitslose über seine Rechte und Pflichten belehrt wurden. Er war als gelernter Kfz-Meister auch ohne weiteres in der Lage, den Inhalt des Merkblattes zur Kenntnis zu nehmen und die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 15 Wochenstunden zu erkennen. Im Zweifel hätten sich ihm Nachfragen bei der Beklagten aufdrängen müssen.
Ferner erfolgte die Rücknahme innerhalb der Jahresfrist der §§ 48 Absatz 4 Satz 1, 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X. Die Jahresfrist beginnt erst nach Abschluss der Anhörung zur Erstattung zu laufen (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 08. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 -, 25. Januar 1994 - 7 RAr 14/93 -, v. Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, § 45 R.33; Kasseler Kommentar/SGB X/Steinwedel § 45, Rd.27). Die Anhörung bezüglich der Zeit vom 15. Juni bis 31. Juli 2003 war erst abgeschlossen, als die Beklagte im August 2006 den Schlussbericht des Hauptzollamtes und eine Aufforderung zur Berechnung der Schadenshöhe nunmehr für die Zeit vom 15. Februar bis 23. Dezember 2003 erhielt. Daraufhin erging der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid am 23. August 2006. Eine Anhörung bezüglich der Zeit vom 15. Februar bis 14. Juni und 01. August bis 23. Dezember 2003 erfolgte entgegen § 24 Absatz 1 SGB X nicht, ohne dass Ausnahmetatbestände nach § 24 Absatz 2 SGB X vorgelegen hätten. Auch die Nachholung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juni 2009 verzichtet.
Rechtsfolge des Vorliegens der Rücknahmetatbestände ist die gebundene Entscheidung der Beklagten zur Rücknahme (§ 330 Absatz 3 SGB X) und Erstattung der überzahlten Leistungen nach § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X. Gegen die Höhe und Berechnung der Erstattungsforderung hat der Kläger keine Einwände erhoben. Die Berechnung ist auch objektiv nicht zu beanstanden.
(2)
Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen einer Rücknahme nach §§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X, 330 Absatz 3 Satz 1 SGB III gegeben. Demnach ist ein Dauerverwaltungsakt ab dem Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Die nachträgliche wesentliche Änderung der Verhältnisse wurde bereits vorstehend festgestellt.
Der Kläger hat zudem zumindest grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit der Bewilligung ab dem 15. Februar 2003 verkannt. Der Kläger ist mehrfach anhand des Merkblattes für Arbeitslose über seine Rechte und Pflichten belehrt wurden. Er war als gelernter Kfz-Meister auch ohne weiteres in der Lage, den Inhalt des Merkblattes zur Kenntnis zu nehmen und die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 15 Wochenstunden zu erkennen. So räumte er in der mündlichen Verhandlung, dass er zumindest theoretisch die Kurzzeitigkeitsgrenze positiv kannte. Im Zweifel hätten sich ihm Nachfragen bei der Beklagten aufdrängen müssen.
(II)
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe und deren Erstattung für die Zeit vom 01. September bis 23. Dezember 2003 sind §§ 45 SGB X, 330 Absatz 2 SGB III in Verbindung mit § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X.
(1)
Nach § 45 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er grob fahrlässig oder vorsätzlich unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X).
(a)
Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 01. September 2003 mit Bescheid vom gleichen Tag war von Anfang an rechtswidrig, weil der Kläger nicht arbeitslos war. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
(b)
Der Kläger hat im Übrigen auch zumindest grob fahrlässig seine Mitteilungspflichten verletzt, wobei die tatbestandlichen Voraussetzungen identisch mit denen des § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X sind.
(c)
Rechtsfolge des Vorliegens der Rücknahmetatbestände ist die gebundene Entscheidung der Beklagten zur Rücknahme (§ 330 Absatz 2 SGB X) und Erstattung der überzahlten Leistungen nach § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X. Gegen die Höhe und Berechnung der Erstattungsforderung hat der Kläger keine Einwände erhoben. Die Berechnung ist auch objektiv nicht zu beanstanden.
(2)
Nach § 45 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Die Voraussetzungen sind gegeben. Diesbezüglich wird auf Ausführungen zu § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X Bezug genommen.
(III)
Die Erstattungsforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beruht auf § 335 Absatz 1 SGB III a.F. Sie stellt eine an die Erstattung der Arbeitslosenhilfe gebundene Entscheidung dar, welche nicht im Ermessen der Beklagten steht.
Gegen die Höhe und Berechnung der Erstattungsforderung hat der Kläger keine Einwände erhoben. Die Berechnung ist auch objektiv nicht zu beanstanden.
Eine Rechtswidrigkeit der Erstattungsforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Wortlaut des § 335 Absatz 1 Satz 1 SGB III seit dem 01. Januar 2005 nicht mehr ausdrücklich die Arbeitslosenhilfe nennt und die Bescheide der Beklagten nach diesem Zeitpunkt erlassen wurden (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 27. August 2008 - B 11 AL 11/07 R -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.