Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 28.09.2009, Az.: S 73 AS 1264/09 ER

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
28.09.2009
Aktenzeichen
S 73 AS 1264/09 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50576
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen in der Hauptsache für die Zeit ab 01. September 2009 bis längstens 31. Dezember 2009 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung angemessener Kosten der Unterkunft i.H.v. 600,00 Euro zzgl. Heizkostenabschlägen i.H.v. 107,35 Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

2. Der Antragsgegner hat den Antragstellern ein Drittel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die den Antragstellern zu gewährenden Kosten für Unterkunft und Heizung.

2

Die Antragsteller zu 1. und 2. sind die Eltern der Antragsteller zu 3. bis 5. Sie bewohnen ein Einfamilienhaus in I.. Dieses verfügt über eine Wohnfläche von 185 m². Die Antragsteller zahlen hierfür eine monatliche Kaltmiete i.H.v. 780,00 Euro zzgl. kalten Betriebskosten i.H.v. 131,15 Euro. Beheizt wird das Einfamilienhaus über eine Nachtspeicherheizung. Die hierfür anfallenden Stromkosten rechnen die Antragsteller unmittelbar mit ihrem Energieversorgungsunternehmen, der J., ab. Diese stellte den Antragstellern zuletzt mit Rechnung vom 04. Februar 2009 monatliche Abschlagszahlungen für Strom i.H.v. 92,00 Euro für die Zeit bis Dezember 2009 in Rechnung. Diese Abschlagsbeträge leitete die K. aus dem Stromverbrauch im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2008 ab. In diesem Zeitraum betrugen die Stromaufwendungen für Heizungsstrom ausweislich der Abrechnung insgesamt 2.011,60 Euro (664,87 Euro Arbeitpreis HT, 1.273,41 Euro Arbeitspreis NT, 73,32 Euro Grundpreis für getrennte Messung des Heizungsstroms) und die sonstigen Stromaufwendungen insgesamt 855,79 Euro (805,87 Euro Arbeitspreis zzgl. 49,92 Euro Grundpreis für Zähler).

3

Mit Schreiben vom 27.1.2009 wies der Antragsgegner die Antragsteller zum einen darauf hin, dass hinsichtlich ihrer Wohnungsgröße eine Fläche von 85 m² für vier Personen, sowie für jedes weiteres Familienmitglied 10 m² mehr angemessen seien. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft (Kaltmiete und Nebenkosten ohne Heizkosten) würde der Höchstbetrag für einen 5-Personen-Haushalt bei 600,00 Euro liegen.

4

Mit Schreiben vom 07.05.2009 wies der Antragsgegner die Antragsteller nochmals darauf hin, dass ihre derzeitigen Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien. Es könnten daher spätestens ab dem 01.09.2009 nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden. Nach Ablauf der Übergangsfrist bis zum 31.08.2009 müssten die Antragsteller den unangemessenen Teil ggf. selbst bezahlen.

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Mit Bescheid vom 23.06.2009 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 01.07.2009 bis 31.12.2009 Kosten der Unterkunft als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 611,81 Euro für den Monat August 2009 sowie 562,81 Euro für die Monate ab September 2009. Dem legte der Antragsgegner ab September 2009 anerkannte Mietkosten inkl. kalter Nebenkosten i.H.v. 468,00 Euro sowie Heizkosten i.H.v. 106,81 Euro monatlich zugrunde.

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Gegen den Bescheid vom 23.06.2009 legten die Antragsteller mit Schreiben vom 08.07.2009 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2009 gab die Antragsgegnerin dem Widerspruch teilweise statt und bewilligte nun unter anderem für den Zeitraum August bis Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 563,12 Euro monatlich. Darüber hinaus wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er abermals aus, die Wohnung der Antragsteller sei unangemessen teuer. Für das Gebiet der Samtgemeinde Eschede sei für eine fünfköpfige Bedarfsgemeinschaft eine Bruttokaltmiete i.H.v. höchstens 468,00 Euro als angemessen anzusehen.

7

Gegen den Bescheid vom 23.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2009 erhoben die Antragsteller unter dem 20. August 2009 Klage zum hiesigen Sozialgericht, über die noch nicht entschieden wurde.

8

Gleichzeitig stellen die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem sie begehren, ihnen die vollständigen Kosten der Unterkunft zu gewähren.

9

Die Antragsteller sind der Meinung, die Werte, die der Antragsgegner für angemessen halte, könnten nicht herangezogen werden. Zudem habe der Antragsgegner keine wirksame Kostensenkungsaufforderung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II erlassen. Unabhängig davon seien ihnen über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus bereits deshalb die vollen Kosten der Unterkunft zu gewähren, weil sie bisher keinen angemessenen Wohnraum in der Samtgemeinde Eschede hätten finden können. Nunmehr beabsichtigten sie, ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von etwa 90 m² zu kaufen. Sie rechneten damit, dass die Finanzierung innerhalb der nächsten Wochen sichergestellt werden könnte. Es sei ihnen jedoch nicht zuzumuten, jetzt einen Umzug vornehmen zu müssen mit der Folge, dass in etwa drei bis vier Monaten nach Erwerb des Eigenheims erneut ein Wohnungswechsel erforderlich würde.

10

Die Antragsteller beantragen,

11

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen unter Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2009 die vollständigen Leistungen nach dem SGB II, hier Kosten der Unterkunft, zu gewähren.

12

Der Antragsgegner hat für den Monat August weitere Kosten der Unterkunft i.H.v. 544,63 Euro anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis haben die Antragsteller angenommen. Im Übrigen beantragt der Antragsgegner,

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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

14

Hinsichtlich der Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete von 468,00 Euro verweist der Antragsgegner auf die von der K. in seinem Auftrag durchgeführte Mietwerterhebung 2009.

15

Im Rahmen dieser Mietwerterhebung wurden zunächst drei Wohnungsmärkte im Landkreis Celle unterschieden. Dabei bestand der Wohnungsmarkttyp 1 aus der Stadt Celle, im Wohnungsmarkttyp 2 befanden sich die ländlichen, einkommensstärkeren Gebiete mit mittleren Grundstückspreisen, während der Wohnungsmarkttyp 3 die dünn besiedelten, einkommensschwachen Gemeinden mit entsprechend niedrigen Grundstückswerten repräsentiert. Die Gemeinde Eschede wurde dem Wohnungsmarkttyp 3 zugeordnet. Dem wurde zugrundegelegt, dass Bodenrichtwert, Pro-Kopf-Einkommen, Anteil der Mehrfamilienhäuser und die Bevölkerungsdichte in Eschede 2007 unterdurchschnittlich sowie das Bevölkerungswachstum von 2002 bis 2007 und die Entfernung nach Celle durchschnittlich gewesen seien.

16

Für jeden der drei Wohnungsmarkttypen wurde eine separate, nach Wohnungsgrößenklassen differenzierte Mietwerttabelle erstellt. Hierbei wurden jedoch nur Wohnungen berücksichtigt, die zumindest über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung" verfügten. Nicht berücksichtigt wurden Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich oder teilgewerblich genutzte Wohnungen, mietpreisreduzierte Werkswohnungen, bewohnte Unterkünfte, Wohnungen mit Freundschaftsmieten, Wohnungen mit unveränderter Nettokaltmiete seit mehr als vier Jahren, Penthouse-Wohnungen, Maisonette-Wohnungen, Appartements, Wohnungen in einem Gebäude mit max. fünf Stockwerken und Fahrstuhl sowie Wohnungen die über einen Raum von mehr als 25 m² verfügten.

17

Von rund 27.000 ermittelten Mieterhaushalten im Landkreis Celle entfielen 16 % (1.130) auf den Wohnungsmarkttyp 3. In diesem Wohnungsmarkttyp wurden alle Vermieter der in einer Mietwohnung wohnenden Haushalte kontaktiert. Diese Datenerhebung fand von Mitte November 2008 bis Mitte Februar 2009 statt. Von den insgesamt in allen drei Wohnungsmarkttypen zusammen bzgl. 4.730 Wohnungen angeschriebenen Vermietern haben Vermieter bzgl. 1.385 Wohnungen geantwortet, die den festgelegten Kriterien entsprachen. Nach einer vorgenommenen Extremwertkappung hinsichtlich 65 Wohnungen verblieben 1.320 Datensätze für die weitere Auswertung. Anhand dieser Datensätze wurde die Mietpreisobergrenze für den jeweiligen Wohnungsmarkttyp und die jeweiligen Wohnungsklassengröße berechnet. Im Hinblick auf die abstrakte Angemessenheit wurde hier der Median gewählt, der aussagt, dass 50 % der erhobenen Mietwerte unterhalb und 50 % oberhalb dieses Wertes liegen.

18

Das Ergebnis war, dass der Median im Wohnungsmarkttyp 3 bei Wohnungen, die kleiner als 50 m² waren, bei der Bruttokaltmiete 5,23 Euro (Nettokaltmiete 3,75 Euro zzgl. kalter Betriebskosten von 1,48 Euro) pro m², bei 50 m² mithin 261,50 Euro, beträgt.

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Bei Wohnungen von 85 und mehr m² betrug die Nettokaltmiete je m² 3,99 Euro zzgl. kalter Betriebskosten von 0,93 Euro, die Bruttokaltmiete somit 4,92 Euro/m². Bei einer zugrundegelegten Wohnungsgröße von 95 m² ergab sich so ein Betrag i.H.v. gerundet 468,00 Euro.

20

Im Rahmen einer weiteren konkreten Angemessenheitsprüfung wurde untersucht, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch tatsächlich Wohnungen im erforderlichen Umfang zu den als abstrakt angemessen ermittelten Preisen angemietet werden könnten. Dabei wurde festgestellt, dass im Wohnungsmarkttyp 3 keine Wohnungen mit einer Größe von bis zu 50 m² und einer Nettokaltmiete von 3,75 Euro pro m² angeboten wurden. In dem Gutachten wurde daher empfohlen, hier den Median der Angebotsmieten von 5,18 Euro je m² zugrundezulegen.

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Hinsichtlich der Schlüssigkeit dieser Mietwerterhebung verweist der Antragsgegner darauf, dass der Stichprobenumfang wesentlich umfangreicher sei als bei der Erstellung von repräsentativen qualifizierten Mietspiegeln.

22

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

23

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in dem tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist er unbegründet.

24

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

25

Voraussetzung ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch, das heißt ein subjektives öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln, und einen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit, glaubhaft macht. Zudem darf die einstweilige Anordnung grundsätzlich nicht die endgültige Entscheidung vorwegnehmen. Es kann im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes aber ausnahmsweise erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn andernfalls Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre.

26

Vorliegend folgt der tenorierte Anordnungsanspruch aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Diese Voraussetzung liegt hinsichtlich einer Bruttokaltmiete i.H.v. 600,00 Euro, sowie weiteren Heizkostenabschlägen i.H.v. 209,06 Euro vor.

27

Bei der Frage nach der Angemessenheit sind vorrangig örtliche Mietspiegel oder andere Mietdatenbanken heranzuziehen. Solche existieren für das Gebiet des Antragsgegners jedoch nicht. Die Kammer ist darüber hinaus der Ansicht, dass der Antragsgegner nicht in ausreichendem Maß seiner Verpflichtung nachgekommen ist, zum Zweck der Ermittlung der abstrakt angemessenen Wohnkosten ein schlüssiges Konzept einschließlich entsprechender Tabellen mit grundsicherungsrelevanten Daten zu erstellen. Maßstab hierfür ist, dass sich das Gericht im Hinblick darauf, dass der Hilfebedürftige gem. § 19 S. 1 SGB II einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs hat, gem. § 128 Abs. 1 SGG die Überzeugung bilden muss, dass unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse Wohnraum zu einem bestimmten Mietzins in ausreichender Zahl vorhanden ist. Zu einer solchen Überzeugung vermag die Kammer aufgrund der Mietwerterhebung 2009, die im Auftrag des Antragsgegners durchgeführt wurde, jedoch nicht zu kommen.

28

Diese Mietwerterhebung leidet nämlich unter erheblichen Mängeln. Insbesondere hinsichtlich der ermittelten Zahlen zum Wohnungsmarkttyp 3 ist das Gutachten nicht schlüssig. Dies ist besonders sichtbar bei einer Wohnungsgröße bis 50 m². Denn die zugrundegelegte Maximalförderung von 262,00 Euro in diesem Bereich errechnet sich aus dem Median der Bestandsmieten von 3,75 Euro je m² zzgl. der kalten Betriebskosten von 1,48 Euro je m², multipliziert mit der höchstzulässigen Größe von 50 m². Im Rahmen der durch das Gutachten so bezeichneten konkreten Angemessenheitsprüfung geht das Gutachten jedoch selbst davon aus, dass für eine Nettokaltmiete von 3,75 Euro je m² im Untersuchungszeitraum keine Wohnung angemietet werden konnte. Deshalb wurde empfohlen, den Median der Angebotsmieten als Obergrenze zu nutzen. Nachdem dieser Median der Angebotsmieten mit 5,18 Euro je m² angegeben wurde, würde sich zzgl. der kalten Betriebkosten von 1,48 Euro pro m², abermals multipliziert mit 50 m², eine angemessene Bruttokaltmiete von 333,00 Euro ergeben.

29

Dieser Fehler wirkt sich jedoch nicht nur bei den Wohnungen mit einer Größe von bis zu 50 m² im Wohnungsmarkttyp 3 aus, sondern zieht sich mittelbar durch das gesamte Gutachten (sog. "Domino-Effekt" vgl. SG Lüneburg, Beschluss vom 05.08.2009, Az.: 79 AS 779/09 ER). Denn wenn man die Maximalförderung nur im Wohnungsmarkttyp 3 bei Wohnungen mit einer Fläche von bis zu 50 m² auf 333,00 Euro hochsetzen, im Übrigen aber unverändert lassen würde, so würden sich Wertungswidersprüche ergeben. Dann wäre es nämlich möglich, dass ein Ein-Personen-Haushalt dort eine teurere Wohnung bewohnen könnte als ein 2-Personen-Haushalt (312,00 Euro); ebenso könnte ein Ein-Personen-Haushalt im (günstigeren) Wohnungsmarkttyp 3 eine teurere Wohnung bewohnen als im (teueren) Wohnungsmarkttyp 2, wo nur 320,00 Euro als angemessen angesehen werden.

30

Im Übrigen erscheint bereits fraglich, inwieweit die Bestandsmieten überhaupt ein geeigneter Maßstab zur Beurteilung der Frage sein können, ob es dem Hilfebedürftigen im konkreten Zeitpunkt möglich ist, eine Wohnung anzumieten. Denn die Mietpreise können deutlich schwanken.

31

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob das Datenmaterial, das verwertet worden ist, das Gutachten überhaupt trägt (dazu vgl. SG Lüneburg, Beschluss vom 05.08.2009, Az.: S 79 AS 779/09 ER).

32

Aufgrund dieser Unzulänglichkeiten ist auf die Beträge der Tabelle zu § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz in der seit dem 01.01.2009 geltenden Fassung zurückzugreifen. Ein solcher Rückgriff ist ausnahmsweise möglich (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 11 B AS 18/06 R). Zwar sind die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes kein von vornherein geeigneter Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft, weil für das Wohngeld rechtlich ohne Bedeutung ist, inwieweit die Wohnung als solche im Sinne eines notwendigen Bedarfs angemessen ist. Die Tabelle zu § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz stellt aber mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln, den einzig normativen Ansatz dar, an den die Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angelehnt werden kann.

33

Nach der Tabelle in § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetzt sind für ein 5-Personen-Haushalt in der Samtgemeinde Eschede Bruttokaltmieten bis zu einem Höchstbetrag von bis zu 600,00 Euro angemessen.

34

Hinsichtlich der Heizkosten ergibt sich der Anordnungsanspruch im tenorierten Umfang von 107,35 Euro ebenfalls aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Dabei ist zunächst der Betrag, der in den monatlichen Stromkostenabschlägen von 298,00 Euro auf die Heizkosten entfällt, aus dem Verhältnis von Heizungsstromkosten zu Stromkosten im allgemeinen Tarif zu ermitteln. Dies erfolgt rechnerisch, indem der Anteil des auf die Heizung entfallenden Stroms an den Gesamtstromkosten im Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2008 (2.011,60 Euro von 2.867,39 Euro) mit den laufenden Abschlägen für Strom von 298,00 Euro multipliziert wird. Ergebnis ist ein Betrag von 209,06 Euro. Dieser Betrag kann insoweit als angemessen angesehen werden, als er der Beiheizung einer angemessenen Wohnfläche dient. Die Angemessenheit der Wohnfläche richtet sich typisierend nach den landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Wohnungsbaus (BSG, Urteile vom 07.11.2006, Az.: B 7 B AS 10/06 R und B 7 B AS 18/06 R).

35

Hierbei handelt es sich in Niedersachsen um die Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen - WFB). Nach deren Ziffer 11.2. gilt bei Mietwohnungen, die von fünf Haushaltsmitgliedern bewohnt werden, eine Wohnfläche von bis zu 95 m² als angemessen. Die tenorierten 107,35 Euro angemessener Heizkosten ergeben sich so, wenn man die Gesamtheizkosten von 209,06 Euro durch die tatsächliche Wohnfläche von 85 m² dividiert und anschließend mit der angemessenen Wohnfläche von 95 m² multipliziert.

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Die als Anordnungsgrund erforderliche Eilbedürftigkeit folgt daraus, dass es den Antragstellern schlechterdings nicht zuzumuten ist, dauerhaft auf einen 10 Prozent der Regelleistung übersteigenden Anteil an Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zu verzichten. Dies ergibt sich daraus, dass die zu gering bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt monatlich 144,23 Euro betragen. Ein solcher Einschnitt in das soziokulturelle Existenzminimum der Antragsteller kann nicht hingenommen werden.

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Hinsichtlich der nicht zugesprochenen Kosten der Unterkunft fehlt es demgegenüber bereits an einem Anordnungsanspruch.

38

So ist bei einer Anwendung der Tabelle zu § 12 Abs. 1 des Wohngeldgesetzes in seiner ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung kein zehnprozentiger Aufschlag vorzunehmen, wie dies unter Geltung von § 8 Abs. 1 Wohngeldgesetz bis zum 31.12.2008 der Fall war. Dies erfolgte nämlich, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Werte der alten Wohngeldtabelle zwischenzeitlich deutlich betagt waren. Mit der Änderung des Wohngeldgesetzes sind die veralteten Werte an die neuere Entwicklung angepasst worden.

39

Die Antragsteller gehen auch fehl, wenn sie meinen, die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung seien über den Sechs-Monats-Zeitraum gem. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II zu übernehmen. Danach sind Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, diese durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Regelübergangsfrist beginnt, wenn sich dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen frei jeden vernünftigen Zweifels aufdrängen musste, dass die tatsächlichen Kosten eindeutig zu hoch und daher zu senken sind. Eine ausdrückliche formelle Kostensenkungsvoraussetzung ist nicht gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung (vgl. Berlit in LPK- SGB II, 2. Auflage, § 22 RdNr. 64 mit weiteren Nachweisen). Dies war spätestens seit dem Schreiben des Antragsgegners vom 27.01.2009 der Fall. Für den Zeitraum ab September 2009 ergab sich auch nichts anderen aus dem Schreiben vom 07.05.2009. Soweit die Antragsteller vorbringen, es sei ihnen nicht möglich gewesen, günstigeren Wohnraum in der Samtgemeinde Eschede anzumieten, ist dies jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. Allein die Behauptung, sie hätten im Februar diesen Jahres damit begonnen, sich nach anderweitigem Wohnraum zu erkundigen und dutzende von Zeitungsinseraten abzuarbeiten, kann nicht genügen. Insoweit wären die Antragsteller vielmehr gehalten gewesen, ihre Bemühungen konkret darzulegen. Dies könnte z.B. geschehen, indem sie durchgesehene Zeitungsinserate vorlegen.

40

Etwas anderes kann sich auch nicht daraus ergeben, dass die Antragsteller vortragen, sie beabsichtigten, in nächster Zeit ein Eigenheim zu kaufen. Abgesehen davon, dass es bereits fraglich ist, ob sie mit Grundsicherungsleistungen ein solches Eigenheim werden finanzieren können, hätten sie auch insoweit spätestens ab Erhalt des Schreibens vom 27.01.2009 entsprechende Bemühungen entfalten können. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Bemühungen zwischenzeitlich nicht in einem Vertragsschluss hätten münden sollen, soweit die Finanzierbarkeit doch gegeben wäre.

41

Die Entscheidung ergeht zunächst nur für den Zeitraum bis Dezember 2009, da ab Januar die zu gewährenden Heizkosten neu zu berechnen sein werden. Denn die Abschlagszahlungen sind durch die L. nur bis zum 31.12.2009 festgesetzt wurde.

42

Soweit der Antragsgegner den geltend gemachten Anspruch für August 2009 anerkannt hat und die Antragsteller dieses Anerkenntnis angenommen haben, war entsprechend § 101 Abs. 2 SGG nicht mehr in der Hauptsache zu entscheiden.

43

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 183, 193 SGG.