Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 05.03.2009, Az.: S 7 AL 109/08
Rückforderung von Arbeitslosengeld und Beiträgen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung aufgrund des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Sperrzeit
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 05.03.2009
- Aktenzeichen
- S 7 AL 109/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 21363
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2009:0305.S7AL109.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III
- § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III
- § 335 Abs. 1 SGB III
- § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Arbeitslosengeld und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Sperrzeit für die Zeit vom 01. bis 07. April 2008 sowie gegen die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 7 Tage.
Der H. geborene, in I. wohnende Kläger ist gelernter Maurer. Er bezog ab dem 04. Januar 2008 erneut Arbeitslosengeld mit einem Tagessatz von 28,88 Euro und stellte sich dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung. Er war bei der Firma J. als Lagerarbeiter und Kraftfahrer beschäftigt, ehe er seinen Führerschein verlor. Im Anschluss nahm er dort ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis auf. Im Beratungsgespräch am 28. Januar 2008 erklärte er, dass ihn der Arbeitgeber nach Rückerhalt des Führerscheins im Juli 2008 wieder einstellen wolle (Bl. 200 der Verwaltungsakte). Die Nebenbeschäftigung beim alten Arbeitgeber stehe einer befristeten Beschäftigung nicht entgegen. Der Kläger könne sich vorstellen im Trockenbau oder im Lager zu arbeiten, wobei die Berufserfahrung hinsichtlich der ersten Sparte lange zurückliege und ihm im Übrigen der Staplerführerschein fehle. Der Kläger erklärte, sich ab sofort bewerben zu wollen.
Mit Schreiben vom 20. März 2008 (Bl. 202 der Verwaltungsakte) lud die Beklagte den Kläger zu einem Bewerbungstraining beim K. am 31. März 2008 in L. ein. Dieses Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung.
Mit am Freitag, dem 28. März 2008 zugegangenen Schreiben teilte der Kläger mit, dass er der Einladung nicht nachkomme, weil er an diesem Tag arbeiten müsse. Ferner werde er seine erlernte Tätigkeit im Juli wieder aufnehmen (Bl. 203 der Verwaltungsakte).
Der Kläger erschien nicht zum Bewerbungstraining.
Mit Bescheiden vom 15. und 19. Mai 2008 (Bl. 208 bis 209, 210 bis 213 der Verwaltungsakte, 4 bis 6 der Gerichtsakte) hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis 07. April 2008 in Höhe von 202,16 Euro auf, forderte die Erstattung, verfügte die Minderung des Anspruchs um 7 Tage, hob die Bewilligung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 68,10 Euro auf und rechnete den Erstattungsbetrag mit der laufenden Auszahlung aus.
Dagegen legte der Kläger am 18. April 2008 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2008 zurück wies (Bl. 215 bis 219 der Verwaltungsakte) und im Wesentlichen folgendermaßen begründete:
Der Kläger sei zu einem Meldetermin nicht erschienen, ohne einen wichtigen Grund vorweisen zu können. Denn die Nebentätigkeit dürfe seiner Verfügbarkeit nicht im Wege stehen, so dass ihm hätte klar sein müssen, dass der angegebene Grund nicht ausreichen würde. Er sei trotz Übernahmezusage des Arbeitgebers verpflichtet zur Beschäftigungssuche. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er von der Beklagten schriftlich auf die Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses hingewiesen worden sei.
Der Kläger hat am 09. Juni 2008 Klage erhoben.
Er trägt vor:
Die Sperrzeit sei nicht eingetreten, da ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Die Beklagte habe auf sein Schreiben vom 28. März 2008 nicht reagiert, so dass er davon ausgegangen sei, dass sein Fernbleiben genehmigt sei. Aus der Rechtsfolgenbelehrung ergebe sich nicht, dass er noch einmal hätte nachfragen müssen. Ferner habe die Trainingsmaßnahme keinen Erfolg versprochen. Denn es habe eine Einstellungszusage des Arbeitgebers bestanden. Aus diesem Grund sei ihm bereits die Förderung des Erwerbs eines Gabelstaplerführerscheins verweigert worden, so dass die Beklagte sich widersprüchlich verhalte.
Der Kläger hat am 01. November 2008 wieder eine Vollzeitbeschäftigung bei der Firma J. aufgenommen. Mitte Februar 2009 hat er den Führerschein nach M. zurückerhalten.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 15. und 19. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Eine Nebentätigkeit könne keinen wichtigen Grund darstellen, weil der Arbeitslose verfügbar sein müsse.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Bescheide der Beklagten vom 15. und 19. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2008 erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten.
Es wird auf die zutreffenden Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden Bezug genommen (§ 136 Absatz 3 SGG).
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sind §§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4, 330 Absatz 3 Satz 1 SGB III in Verbindung mit § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X (1), § 335 Absatz 1 SGB III (2) und § 333 SGB III (3).
(1)
(a)
Die Voraussetzungen einer Rücknahme nach § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X sind gegeben.
Demnach ist ein Verwaltungsakt ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(aa)
Die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis 07. April 2008 war rechtswidrig.
Nach § 144 Absatz 1 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 378), zuletzt geändert durch Artikel 4, 17 des Zweiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des BAföG vom 23. Dezember 2007 (BGBl. I 3254) (a.F.), ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach Satz 2 liegt versicherungswidriges Verhalten unter anderem vor, wenn
nach Nr. 6 der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt (Sperrzeit bei Meldeversäumnis).
Gemäß Satz 3 der Norm hat der Arbeitnehmer die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen.
Nach § 144 Absatz 2 Satz 1 SGB III a.F. beginnt die Sperrzeit mit dem Tage nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit.
Nach Absatz 6 der Norm beträgt die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis eine Woche.
Gemäß § 309 Absatz 1 Satz 1 SGB III a.F. hat sich der Arbeitslose während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit ihn dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht).
Nach Absatz 2 dieser Norm kann die Aufforderung zur Meldung zum Zwecke der
- 1.
Berufsberatung,
- 2.
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit,
- 3.
Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
- 4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und
- 5.
Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch erfolgen.
Nach § 309 Absatz 3 Satz 1 SGB III a.F. hat sich der Arbeitslose zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden.
Der Kläger erschien nicht zu dem Meldetermin am 31. März 2008 in L., so dass objektiv ein Meldeversäumnis vorlag.
Die Festlegung eines Meldetermins muss der sachgerechten Erfüllung der mit dem Leistungsbezug zusammenhängenden Aufgaben, insbesondere Beratung und Vermittlung, dienen (vgl. Urteil des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 11. November 2005 - L 2 AL 12/04 -; Niesel-Winkler, Kommentar zum SGB III, § 309, Rd. 12; Gagel-Winkler, Kommentar zum SGB III, § 309, Rd. 2).
Die Ansetzung eines Bewerbungstrainings war statthaft, weil es sich dabei um die Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen und eine Vorbereitung der Vermittlung in Arbeit handelte (§ 309 Absatz 1 Nr. 2 und 3 SGB III). Das Bewerbungstraining kann unter den Begriff der Arbeitsvermittlung und diese unterstützenden Leistungen (§ 3 Absatz 1 Nr. 1 SGB III a.F.) subsumiert werden. Diese Förderung entsprach im Übrigen auch dem am 28. Januar 2008 konsensual festgelegten Vermittlungsziel, den Kläger in eine Teilzeitbeschäftigung zu vermitteln, um die Zeit bis zur Wiederaufnahme der Vollzeitbeschäftigung zu überbrücken. Dabei wäre auch eine Beibehaltung der Nebenbeschäftigung bei der bisherigen Arbeitgeberin möglich gewesen. Diesbezüglich hatte sich der Kläger auch uneingeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt.
Die Vorladung zum Meldetermin bzw. Meldeaufforderung ist dem Kläger auch unstreitig zugegangen und enthielt eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende, schriftlich Rechtsfolgenbelehrung. Letztere war konkret, verständlich, richtig und vollständig (vgl. Niesel § 144, Rd. 111). Der Kläger ist gelernter Maurer und war nach dem Bild, welches sich die Kammer im mündlichen Verhandlungstermin von ihm fertigen konnte, ohne weiteres in der Lage, die Rechtsfolgenbelehrung zu verstehen. Im Zweifel hätten sich direkte Nachfragen aufdrängen müssen.
Teilweise wird in der Literatur ein subjektiv vorwerfbares Verhalten bei der Obliegenheitsverletzung gefordert (vgl. Eicher/Schlegel/Henke, Kommentar zum SGB III, § 144, Rd. 446), weil dies beispielsweise für die Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung nach § 144 Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 ebenfalls vorausgesetzt werde. Nach der klaren Rechtsfolgenbelehrung und den persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist hier jedoch ein offensichtlicher Sorgfaltsverstoß anzunehmen. Ferner durfte der Kläger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte das Fernbleiben stillschweigend dulden würde. Insoweit kommt Schweigen keiner Zustimmung gleich. Des Weiteren zeigen die Zeitabläufe, dass die Beklagte das Absageschreiben erst am Freitag, dem 28. März 2008 erhielt, der Meldetermin aber bereits am Montag, dem 31. März war. Die Beklagte hatte keine Möglichkeit, auf das Schreiben zeitnah zu reagieren und den Kläger noch vor dem Bewerbungstraining zu erreichen, zumal er weder im Arbeitslosengeldantrag noch im Absageschreiben seine Telefonnummer hinterlassen hatte. Dabei kann offen bleiben, ob überhaupt die Beklagte eine Obliegenheit zur Rückmeldung getroffen hätte.
Der Kläger vermag keinen wichtigen Grund für sein Fernbleiben vorzuweisen. Ein solcher liegt objektiv nicht vor.
Es sind sämtliche Gründe wichtig, welche dem Arbeitslosen die Meldung unmöglich gemacht haben, aber auch diejenigen, die ihm die Meldung erschwert haben, wenn eine Abwägung der privaten Bedürfnisse mit den Interessen der Agentur für Arbeit ergibt, dass den privaten Interessen Vorrang einzuräumen ist (vgl. Gagel/Winkler, § 144, Rd. 198). Hierzu zählen in der Regel solche Gründe, dem Arbeitsplatz fernzubleiben, wie Erkrankung, genehmigte Ortsabwesenheit oder Erkrankung eines Kindes. Darunter können unter Umständen im Einzelfall aber auch Hinderungsmotive, wie die Vorstellung bei einem anderen Arbeitgeber, Erledigung dringender persönlicher Angelegenheiten oder sonstige Gründe, wie der unvorhergesehen Ausfall der Verkehrsmittel subsumiert werden (vgl. Eicher/Schlegel/Henke § 144, Rd. 448).
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist ex post zu beurteilen, so dass es nicht darauf ankommt, ob die einem wichtigen Grund möglicherweise zugrunde liegenden Tatsachen zuvor der Behörde mitgeteilt worden sind (vgl. Eicher/Schlegel/Henke § 144, Rd. 448; Gagel/Winkler § 144, Rd. 200; Niesel § 144, Rd. 113).
Im vorliegenden Einzelfall war es bei einer Gesamtabwägung dem Kläger möglich und zumutbar, den Meldetermin am 31. März 2008 wahrzunehmen. Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung rechtfertigt nicht das Fernbleiben vom Bewerbungstraining. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Vermittlungsziel die (übergangsweise) Eingliederung in eine Teilzeitbeschäftigung war und der Kläger sich gleichzeitig dem Arbeitsmarkt unbeschränkt zur Verfügung stellte.
Keine andere Bewertung kann unter dem Blickwinkel vorgenommen werden, nach dem eine Wiederaufnahme der Beschäftigung bei der früheren Arbeitgeberin in Aussicht gestellt worden war. Zu diesem Aspekt ist auszuführen, dass die Wiedereinstellungszusage weder sicher noch unwiderruflich ausgesprochen wurde, sondern an die unsichere und nicht feststehende Tatsache geknüpft war, nämlich ob und wann der Kläger seinen Führerschein würde zurückerhalten können. Dies ergibt sich zum einen aus dem eigenen Klagevortrag, nach dem der Kläger auf das Wohlwollen des Arbeitgebers angewiesen sein soll und sich jederzeit von der behaupteten Einstellungszusage hätte lösen können. Zum anderen ging der Kläger bis zum die Sperrzeit begründenden Ereignis davon aus, dass er bereits im Juli 2008 seinen Führerschein zurückerhalten würde. Diese Annahme erwies sich jedoch als unrichtig. Der Kläger erhielt die Fahrerlaubnis erst erhebliche Zeit später, nämlich im Februar 2009 zurück. Selbst wenn er diese zu dem angenommenen Zeitpunkt zurückerhalten hätte, hätte dies jedoch aus dem Grund keinen wichtigen Grund darstellen können, weil die Interessen der Behörde überwogen, den Kläger ab April 2008 zumindest übergangsweise in ein Teilzeitarbeitsverhältnis zu vermitteln. Dies hätte die Gesamtheit der Beitragszahler entlastet und hätte auch dem 1977 geborenen Kläger in seiner weiteren Erwerbslaufbahn zum Vorteil gereichen können. Dass er durchaus bereit war, eine andere Beschäftigung aufzunehmen, wie seine umfangreiche Bewerbungsbemühungen dokumentieren, verkennt die Kammer dabei nicht.
Einen wichtigen Grund begründet letztlich auch nicht der Umstand, dass dem Kläger die Kostenübernahme für einen Gabelstaplerführerschein (mündlich) verweigert worden ist, und zwar mit der behaupteten Erklärung, dass er ohnehin im Juli 2008 wieder seine bisherige Vollzeitbeschäftigung aufnehmen werde. Zum einen hätte die Möglichkeit bestanden, gegen die Ablehnung rechtlich vorzugehen. Zum anderen bestand nach Einlassung des Klägers grundsätzlich die Möglichkeit, eine Beschäftigung im Bereich Trockenbau oder Lager aufzunehmen, welche nicht einen Gabelstaplerführerschein voraussetzt. Zum dritten ergibt sich aus der Ablehnung in keinem Fall, dass die Beklagte jegliche Vermittlungsbemühungen nunmehr habe aufgeben wollen mit der Konsequenz, dass auch unterstützende Maßnahmen, die einen Meldetermin rechtfertigen, unzulässig gewesen wären. Das behauptete Verhalten der Behörde stellt somit keinen Dispens von den Verpflichtungen nach § 119 Absatz 5 SGB III dar und war subjektiv nicht verständig dergestalt zu werten. Somit überwog das Interesse der Versichertengemeinschaft klar das Interesse des Klägers.
(bb)
Der Kläger handelte auch zumindest grob fahrlässig.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im gegebenem Fall jedem hätte einleuchten müssen (Palandt/ Heinrichs, Kommentar zum BGB, § 276, Rd. 5; v. Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, § 45, Rd. 24; Urteil des Bundessozialgerichtes vom 26. August 1987 - 11 a RA 30/86 -). Dabei sind die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtvermögen und das Verhalten des Betroffenen unter den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 13. Dezember 1972 - 7 RKg 9/69 -).
Der Kläger hat eine klare und unmissverständliche Rechtsfolgenbelehrung zeitnah mit der Einladung zum Meldetermin erhalten. Es war offensichtlich, dass das Fernbleiben ohne wichtigen Grund eine Sperrzeit mit einer Leistungskürzung würde nach sich ziehen können. Dies zu erkennen, war der Kläger aufgrund seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten, von denen sich die Kammer durch Befragung in der mündlichen Verhandlung ein Bild fertigen konnte, ohne weiteres in der Lage. Ferner durfte der Kläger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte das Fernbleiben stillschweigend dulden würde. Insoweit kommt Schweigen keiner Zustimmung gleich. Des Weiteren zeigen die Zeitabläufe, dass die Beklagte das Absageschreiben erst am Freitag, dem 28. März 2008 erhielt, der Meldetermin aber bereits am Montag, dem 31. März war. Die Beklagte hatte keine Möglichkeit, auf das Schreiben zeitnah zu reagieren und den Kläger noch vor dem Bewerbungstraining zu erreichen, zumal er weder im Arbeitslosengeldantrag noch im Absageschreiben seine Telefonnummer hinterlassen hatte. Dies hätte ihm auch unmittelbar einleuchten müssen, so dass aus dem Schweigen der Behörde keine Vertrauensschutzgesichtspunkte hergeleitet werden können. Dies ändert nichts an der Begründung eines groben Sorgfaltsverstoßes.
(cc)
Rechtsfolge des Vorliegens der Rücknahmetatbestände ist die gebundene Entscheidung der Beklagten zur Rücknahme (§ 330 Absatz 3 SGB III) und Rückforderung der überzahlten Leistungen nach § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X.
(b)
Die Voraussetzungen einer Minderung um 7 Tage nach § 128 Absatz 1 Nr. 3 SGB III a.F. liegen vor, weil eine Sperrzeit eingetreten ist, welche denselben zeitlichen Umfang hat. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
(2)
Die Rückforderung der geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beruht auf § 335 Absatz 1 SGB III und folgt als gebundene Entscheidung aus der Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes.
(3)
Rechtsgrundlage der Aufrechnung des Erstattungsanspruchs wegen Eintritts einer Sperrzeit mit dem laufenden Bezug von Arbeitslosengeld ist § 333 SGB III.
Diese Norm ist lex specialis zu § 51 Absatz 2 SGB I. Die Entscheidung steht im Ermessen der Beklagten (vgl. Niesel § 333, Rd.6).
Eine Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur auf Ermessensfehler hin zu überprüfen, eigenes Ermessen darf die Kammer nicht ausüben (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 54, Rd. 28). Dies gebietet der Grundsatz der Gewaltenteilung.
Die Entscheidung der Beklagten, die ihren Ermessensspielraum erkannt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ermessensfehler liegen nicht vor. Insbesondere hat die Beklagte sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen, sondern zutreffend eine Abwägung zwischen dem Interesse des Beitragszahlers und demjenigen des Leistungsempfängers getroffen. Ein Abstellen auf § 76 Absatz 1 SGB IV ist im vorliegenden Einzelfall nicht unstatthaft.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer des Klägers mit 540,52 Euro unter 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe abweicht.