Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 05.03.2009, Az.: S 7 AL 257/05
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung von Insolvenzgeld
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 05.03.2009
- Aktenzeichen
- S 7 AL 257/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 21360
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2009:0305.S7AL257.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 183 SGB III 1997
- § 188 Abs. 1 SGB III
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 08. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2005 verurteilt, dem Kläger einen weiteren Betrag von 598,19 Euro als Insolvenzgeld zu zahlen.
- 2.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
- 3.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt von der Beklagten nunmehr die Gewährung eines weiteren Insolvenzgeldes in Höhe von 598,19 Euro.
Der G. geborene Kläger war beim Fuhrunternehmen H. in I. beschäftigt, bevor über diese Firma am 15. Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Mit Bescheid vom 08. März 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 15. Oktober 2004 bis 14. Januar 2005 in Höhe von 5.304,61 Euro und zwar nach den Angaben des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt J. für die Zeit vom 15. bis 31. Oktober 2004 von 840,38 Euro, für November 2004 von 1.880,38 Euro, für Dezember 2004 von 1.670,38 Euro und für die Zeit vom 01. bis 14. Januar 2005 von 913,47 Euro. Dem stünden Zahlungen an den Insolvenzverwalter von 1.198,19 Euro und Zahlungen an die K. von 4.106,42 Euro entgegen, welche einen Forderungskaufvertrag mit dem Kläger zuvor abschloss, so dass das Insolvenzgeld 0,- Euro betrage.
Den Antrag füllte ein Mitarbeiter des Insolvenzverwalters aus und behauptete eine Abtretungserklärung wegen privater Telefongebühr von 1.198,19 Euro.
Mit Bescheid vom 08. März 2005 bewilligte die Beklagte dem Insolvenzverwalter Insolvenzgeld für Dritte in Höhe jener 1.198,19 Euro.
Gegen den ablehnenden Bescheid legte der Kläger am 22. März 2005 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass die Aufstellung nicht die Beträge wiedergebe, die ihm vom Arbeitgeber und der Firma K. geschuldet würden. Für Januar stünden noch 561,89 Euro und für Februar 2.508,08 Euro Gehalt aus.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2005 zurück und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:
Es könnten nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis berücksichtigt werden, welche innerhalb von drei Monaten vor dem Insolvenzereignis entstanden seien.
Dagegen hat der Kläger am 23. September 2005 Klage erhoben.
Er trägt vor:
Der Kläger könne für die Zeit vom 15. bis 31. Oktober 2004 einen Bruttoarbeitlohn von 1.194,29 Euro, für November 2004 von 1.880,38 Euro, für Dezember 2004 von 1.670,38 Euro und für die Zeit vom 01. bis 14. Januar 2005 netto 913,47 Euro verlangen. Daraus ergebe sich ein Nettobetrag von 5.428,24 Euro, von dem Zahlungen der Beklagte von 4.106,42 Euro abzusetzen seien. Den Differenzbetrag beanspruche er, weil der die Forderung des Insolvenzverwalters von 1.198,19 Euro nicht akzeptiere. Er habe diese Forderung nicht abgetreten, und der Insolvenzverwalter verweigere die Herausgabe. Der Betrag rühre nicht aus Telefongebühren für private Nutzung des Diensthandys her, was der Insolvenzverwalter auch nicht habe nachweisen können. Auch die Firma K. habe die Telefongebühren abgesetzt. Der Insolvenzverwalter habe hinsichtlich der Abtretung und der Telefongebühren unrichtige Angaben getätigt, um sich den Insolvenzgeldanspruch des Klägers zu erschleichen. Mit dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Hildesheim habe er die Rechtmäßigkeit der Gebühren aber nicht anerkannt.
Der Kläger und der Insolvenzverwalter haben am 24. Juli 2006 einen Vergleich abgeschlossen (3 Ca 284/06), mit dem sich letzterer zu einer Zahlung von 600,- Euro auf ausstehende Arbeitslöhne verpflichtete.
Der Insolvenzverwalter hat mit Schriftsatz vom 13. Mai 2008 mitgeteilt (Bl. 72 der Gerichtsakte), dass keine Abtretungserklärung vorliege, aber die Telefongebühren zu Recht erhoben würden.
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 08. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2005 zu verurteilen, dem Kläger einen weiteren Betrag von 598,19 Euro als Insolvenzgeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Der Vergleichsbetrag sei anzurechnen. Der Vergleich zeige, dass der Kläger die Telefongebühren dem Grunde nach anerkenne. Der Arbeitgeber sei zur Lohnkürzung berechtigt gewesen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst beigezogener Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierauf gemäß § 124 Abs. 2 SGG verzichtet haben.
Der Bescheid der Beklagten vom 08. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2005 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 183 SGB III in der Fassung vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 09. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3242) (a.F.).
Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
- 1.
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers,
- 2.
Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
- 3.
vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Gemäß § 185 Absatz 1 SGB III a.F. wird Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgeltes geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Absatz 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Gewährung eines weiteren Insolvenzgeldes in Höhe von 598,19 Euro, wobei dieser Betrag sich aus der Differenz zwischen 1.198,19 Euro und 600,- Euro ergibt. Letzteren Betrag hat der Kläger vergleichsweise vom Insolvenzverwalter erhalten, so dass eine Anrechnung auf die Forderung gegenüber der Beklagten erfolgt.
Der Anspruch auf Gewährung weiterer 598,19 Euro ist nicht dadurch untergegangen, dass die Beklagte Insolvenzgeld an Dritte, das heißt den Insolvenzverwalter, gezahlt hat.
Eine wirksame Zahlung an einen Dritten setzt gemäß § 188 Absatz 1 SGB III voraus, dass der Arbeitnehmer vor seinem Antrag auf Insolvenzgeld Ansprüche auf Arbeitsentgelt auf den Dritten übertragen hat.
Dies ist indes nicht der Fall, weil keine wirksame Abtretung stattgefunden hat. Der Insolvenzverwalter hat eine solche wahrheitswidrig behauptet, wobei die Forderung gegen den Kläger auf einer privaten Telefongebühr von 1.198,19 Euro beruhe. Der Insolvenzverwalter musste im Laufe des Verfahrens einräumen, dass keine Abtretung vorlag (Bl. 72 der Gerichtsakte). Die Beklagte konnte mangels Abtretung nicht an den Insolvenzverwalter mit schuldbefreiender Wirkung gegenüber dem Kläger leisten, zumal sie sich auch nicht die Abtretungsurkunde vorlegen ließ (§ 409 BGB) (vgl. Niesel/Krodel, Kommentar zum SGB III, § 188, Rd. 11). Sie muss sich ggf. auf bereicherungsrechtliche Ansprüche verweisen lassen.
Die Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein einer anspruchsvernichtenden Einwendung. Dabei kann es sich, wie oben gezeigt, um eine Abtretung handeln oder um einen aufrechenbaren Gegenanspruch. Die Voraussetzungen der Aufrechung ergeben sich aus §§ 387 ff. BGB.
Der Kläger hat eine einredefreie Hauptforderung in Höhe von 598,19 Euro gegen den Arbeitgeber. Ob dieser eine entsprechende Gegenforderung wegen privater Telefongebühren entgegen steht, ist nicht erwiesen. Weder der Arbeitgeber noch der Insolvenzverwalter konnten diesen anspruchsvernichtenden Sachverhalt beweisen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter bereits bei der Antragstellung bezüglich des Insolvenzgeldes für Dritte unrichtige Angaben getätigt hat, als er eine Abtretung des Klägers behauptete. Durchgreifende Zweifel an der Berechtigung der Gegenforderung ruft auch die Höhe der eingeforderten Beträge von 1.198,19 Euro hervor. Der Kammer sind derartig Hohe Telefonkosten nicht nachvollziehbar. Vor allem die in der Zeit vom 15. bis 31. Oktober 2004 entstandenen Telefonkosten erscheinen als exorbitant hoch und hätten einer substanziierten Begründung bedurft.
Darüber hinaus verstößt die Aufrechnung für Oktober 2004 gegen § 394 BGB, weil dem Kläger nicht der pfändbare Betrag erlassen wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer der Beklagten mit 598,19 Euro unter 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe abweicht.