Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 26.06.2009, Az.: S 12 SF 98/09 E
Abweichen von der Mittelgebühr; Angemessenheit; Bemessung; Grundsicherung; Mittelgebühr; Prozesskostenhilfevergütung; Rechtsanwaltsgebühr; Vergütung
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 26.06.2009
- Aktenzeichen
- S 12 SF 98/09 E
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 50485
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14 RVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Höhe der Prozesskostenhilfevergütung in einem grundsicherungsrechtlichen Verfahren nach dem SGB II, in dem Betragsrahmengebühren entstehen; insbesondere zur Frage, wie die Berechnung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG i. V. m. Nr. 1008 VV-RVG vorgenommen werden muss, wenn mehrere Auftraggeber vertreten worden sind (Betragsrahmenverschiebung).
Tenor:
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 16. März 2009 - S 30 AS 188/06 - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
Die Erinnerungsführerin macht als beigeordnete Rechtsanwältin einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse geltend.
Die Erinnerung bleibt erfolglos.
Der beigeordnete Rechtsanwalt ist im Verfahren über die Festsetzung der Rechts-anwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) allein erinnerungsbefugt (vgl. etwa Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 56, Rdn. 6); das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Die danach gemäß § 56 Abs. 1 RVG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 16. März 2009 - S 30 AS 188/06 - erhobene Erinnerung der Erinnerungsführerin ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig und hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung stand. Der von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgesetzte Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 811,58 € ist im Ergebnis kostenrechtlich nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der Bemessung der Verfahrensgebühr ist indes klarstellend auf Folgendes hinzuweisen: Soweit die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in ihrem Rechenwerk von einer Erhöhung von „2 x 30 %“ wegen der Vertretung von zwei weiteren Auftragsgebern ausgeht, entspricht dies nicht der gesetzlichen Regelung der Nr. 1008 VV-RVG. Vielmehr ist in einem ersten Schritt der hier zugrunde zu legende Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV-RVG entsprechend der Regelung des Nr. 1008 VV-RVG neu zu bilden. Bei der Vertretung von zwei weiteren Auftraggebern ist dabei jeweils auf den Mindest- und den Höchstbetrag des ursprünglichen Gebührenrahmens (20,00 € bis 320,00 €) ein Aufschlag von 60 % zu addieren. Daraus ergibt sich dann ein gänzlich anderer Gebührenrahmen. Daher ist zu der Mindestgebühr der Nr. 3103 VV-RVG in Höhe eines Betrages von 20,00 € ein Betrag in Höhe von 12,00 € und zu der Höchstgebühr in Höhe eines Betrages von 320,00 € ein Betrag in Höhe von 192,00 € zu addieren, so dass bei der Vertretung von zwei weiteren Auftraggebern ein Gebührenrahmen zwischen 32,00 € und 512,00 € auszufüllen ist; die Mittelgebühr beträgt dann 272,00 € . Ferner ist in einem zweiten Schritt zu beachten, dass die durch Nr. 1008 Abs. 3 VV-RVG vorgegebene „Deckelung“ des Gebührenrahmens (60,00 € bis 960,00 €) nicht überschritten wird.
Zur Ausfüllung des so ermittelten Rahmens nimmt das Gericht zunächst gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Begründung seiner Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen. Auch die Kammer hält das zugrunde liegende Verfahren mit Blick auf Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit für durchschnittlich. Wägt man den durchschnittlichen Umfang und die durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mit der im Gegensatz zu Verfahren, in denen um die vollständige Leistungsversagung oder um den Bezug von Dauerrentenleistungen gestritten wird, allenfalls durchschnittlichen Bedeutung, dem allenfalls durchschnittlichen Haftungsrisiko und den unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mandanten der Erinnerungsführerin ab, erscheint es sogar gerechtfertigt zu sein, von der Mittelgebühr in Höhe von 272,00 € nach unten abzuweichen, weil sich nicht alle gebührenrechtlich relevanten Faktoren des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittlich erweisen. Diese Frage kann jedoch unentschieden bleiben, weil die Kammer aufgrund des Verbotes der reformatio in peius daran gehindert ist, den festgesetzten Gesamtvergütungsanspruch zu Lasten der Erinnerungsführerin abzuändern, so dass es bei dem von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ermittelten Betrag zu verbleiben hat.
Weil die anderen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht in Streit stehen, ist die Berechnung wie folgt vorzunehmen:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 1008 VV-RVG
272,00 €
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG
200,00 €
Einigungsgebühr gemäß Nr. 1005/1006 VV-RVG
190,00 €
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG
20,00 €
Zwischensumme
682,00 €
19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG
129,58 €
Summe
811,58 €
Weil der Erinnerungsführerin ein höherer Gesamtvergütungsanspruch nicht zusteht, war die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu jüngst: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06. März 2009, - L 8 SF 1/09 B sowie zur fehlenden Beschwerdemöglichkeit bei Entscheidungen über die Prozesskostenhilfevergütung: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF, Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF sowie Beschluss vom 09. Juni 2009, - L 13 B 1/08 SF mit zahlreichen weiteren Nachweisen).