Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 17.12.2009, Az.: S 12 SF 201/09 E

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
17.12.2009
Aktenzeichen
S 12 SF 201/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50564
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 05. Oktober 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 01. Oktober 2009 - S 43 AS 984/07 - wird die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung endgültig auf einen Betrag in Höhe von 589,05 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

1

Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf Festsetzung einer (höheren) Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg geltend, in dem um die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) gestritten wurde und das sich nach etwa zweijähriger Verfahrensdauer durch den Erlass eines - auch im Kostenpunkt - zusprechenden Urteils erledigte. Streitig ist im vorliegenden Erinnerungsverfahren, ob einerseits ein mit dem beigeordneten Rechtsanwalt in einer Sozietät verbundener Rechtsanwalt für den beigeordneten Kollegen wirksam Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss einlegen kann und andererseits in welchem Umfang Fotokopiekosten erstattungsfähig sind.

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Die Erinnerung hat im tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen bleibt sie erfolglos.

3

Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 01. Oktober 2009 - S 43 AS 984/07 - erhobene Erinnerung ist zulässig.

4

Gemäß §§ 56 Abs. 3 S. 1, 33 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) steht das Recht der Erinnerung gegen einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 55 RVG im Prozesskostenhilfeverfahren lediglich dem beigeordneten Rechtsanwalt und der Staatskasse zu, nicht aber den Beteiligten oder dem kostenpflichtigen Gegner (vgl. hierzu etwa Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 56, Rdn. 6). Allerdings kann sich der neben der Staatskasse allein erinnerungsbefugte beigeordnete Rechtsanwalt - wie im sonstigen Rechtsverkehr auch - gemäß § 73 Abs. 2 S. 1 SGG in jeder Lage eines (sozialgerichtlichen) Verfahrens wirksam eines Vertreters bedienen und durch diesen wirksame Prozesserklärungen abgeben lassen, die wiederum für und gegen den Vertretenen wirken. So liegt die Sache hier. Aus dem Schriftsatz vom 05. Oktober 2009, mit dem gegen den hier streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01. Oktober 2009 Erinnerung erhoben worden ist, wird deutlich, dass der beigeordnete Erinnerungsführer selbst - erkennbar an dem unter dem Schriftsatz befindlichen Schriftzug „Krempin Rechtsanwalt“ - gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vorzugehen beabsichtigte und der Schriftsatz nach seinem unwidersprochenen Vortrag im Erinnerungsverfahren lediglich durch seinen Urlaubsvertreter (in Vertretung für den nach Diktat verreisten Erinnerungsführer) unterzeichnet worden ist. Aus dem objektiven Empfängerhorizont war die Erinnerung daher als Erinnerung im fremden Namen aufzufassen. Damit wirkt die von dem Sozietätsmitglied als Vertreter unterzeichnete Prozesserklärung für und gegen den Erinnerungsführer. Weil die Kammer darüber hinaus auch keinerlei Zweifel an der Vertretungsberechtigung des mit dem Erinnerungsführer in einer Sozietät verbundenen Rechtsanwalts hat, hatte sie auch im Hinblick auf § 73 Abs. 6 S. 4 SGG keine Veranlassung, sich eine etwaige schriftliche Vollmacht vorlegen zu lassen. Weil damit der Erinnerungsführer als im Sinne der §§ 45 ff. RVG beigeordneter Rechtsanwalt wirksam Erinnerung erhoben hat, ist diese - entgegen der Auffassung des Erinnerungsgegners - ohne jeden Zweifel zulässig.

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Die nach alledem zulässige Erinnerung hat auch in der Sache (teilweise) Erfolg.

6

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung zu Unrecht lediglich auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 565,25 € festgesetzt. Die Kammer hält unter Zugrundelegung der antragsgemäß festgesetzten Gebührenpositionen und unter Berücksichtigung von Fotokopiekosten in Höhe eines Betrages von 25,00 € einen Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 589,05 € für angemessen.

7

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach hat der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Verfahren handelt, in dem um die Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 55, Rdn. 29). Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift („vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris). Für jede Rahmengebühr ist dabei eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.

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Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.

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Nach Nr. 7000 Nr. 1a) des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - besteht für den Rechtsanwalt ein Anspruch auf eine Pauschale in Höhe von 0,50 € für die Ablichtung bzw. den Ausdruck der ersten 50 Seiten und in Höhe von 0,15 € für die Ablichtung bzw. den Ausdruck jeder weitere Seite, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war.

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Die Kammer folgt hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Fotokopiekosten grundsätzlich der auch von dem Erinnerungsgegner vertretenen Auffassung des Sozialgerichts Hildesheim in dessen Beschluss vom 20. Oktober 2008 - S 12 SF 28/08 -, wonach derjenige, der sich nicht der Mühe unterziehen will, den Umfang der Ablichtungen bei Erhalt der Akten konkret und sachbezogen zu bestimmen, die Kosten für überflüssige Schreibauslagen nicht der Staatskasse aufbürden oder die Prüfung der Sachbezogenheit nachträglich dem Gericht zuweisen kann. Die Kammer meint jedoch, diese Auffassung aus Praktikabilitätsgründen dahingehend modifizieren zu müssen, dass grundsätzlich die Ablichtung bzw. der Ausdruck der ersten 50 Seiten, die mit jeweils 0,50 € vergütet werden, ohne weitere Prüfung der Erforderlichkeit als erstattungsfähig anzusehen sind, es sei denn die zu kopierenden Verwaltungsvorgänge überschreiten diesen Umfang von vornherein nicht. Soweit der Rechtsanwalt darüber hinausgehende Kosten geltend macht, hat er substantiiert nachzuweisen, warum die Anfertigung dieser Kopien für die Führung des Rechtsstreits geboten gewesen ist. Erfolgt ein solcher Nachweis nicht, verbleibt es bei der pauschalen Vergütung der ersten 50 Seiten zu je 0,50 €. Mit diesem Ansatz wird einerseits dem Umstand Rechnung getragen, dass der Staatskasse keine überflüssigen Kosten für unnötige Kopien aufgebürdet werden und andererseits wird berücksichtigt, dass es auch und gerade in Verwaltungsverfahren mit sozialrechtlichem Bezug schon aus anwaltlicher Sorgfaltspflicht geboten ist, auch Kopien aus Verwaltungsvorgängen zu fertigen, die nur möglicherweise für die Führung des Rechtsstreits erforderlich sein könnten.

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Gemessen an diesen Maßstäben hält es die Kammer im vorliegenden Verfahren indes für gerechtfertigt, lediglich einen Betrag in Höhe von 25,00 € in die Berechnung des Gesamtvergütunganspruches einzustellen, weil der Erinnerungsführer nichts dafür vorgetragen hat, warum die Anfertigung von insgesamt 92 Kopien für die Führung des konkreten Rechtsstreits geboten gewesen ist.

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2. Da die Höhe der übrigen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht, berechnet sich die aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung wie folgt:

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Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG250,00 €
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG200,00 €
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €
Fotokopiekosten gemäß Nr. 7000 VV-RVG25,00 €
19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG94,05 €
Summe589,05 €
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Weil dem Erinnerungsführer damit nicht der begehrte Gesamtvergütungsanspruch zusteht, war die Erinnerung im Übrigen zurückzuweisen.

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3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.

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4. Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF; Beschluss vom 21. Februar 2007, - L 7 B 1/07 AL SF; Beschluss vom 01. März 2007, - L 4 B 66/05 KR; Beschluss vom 14. Juni 2007, - L 13 B 4/06 AS SF; Beschluss vom 26. Oktober 2007, - L 14 B 1/06 SF; Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF; Beschluss vom 30. Oktober 2008, - L 1 B 2/08 R SF; Beschluss vom 09. Juni 2009, - L 13 B 1/08 SF; Beschluss vom 06. Juli 2009, - L 6 SF 44/09 B sowie Beschluss vom 29. September 2009, - L 6 SF 124/09 B (AS)).