Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 26.10.2009, Az.: S 12 SF 159/09 E

einstweiliger Rechtsschutz; Terminsgebühr; fiktive Terminsgebühr; mündliche Verhandlung; Verhandlung; Anerkenntnis; angenommenes Anerkenntnis; Termin; Gerichtstermin

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
26.10.2009
Aktenzeichen
S 12 SF 159/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50553
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Erinnerung der Erinnerungsführerin und Antragstellerin vom 05. August 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 28. Juli 2009 - S 30 AS 1298/08 ER - wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

1

Die Erinnerungsführerin und Antragstellerin (im Folgenden nur: Erinnerungsführerin) begehrt im vorliegenden Erinnerungsverfahren die zusätzliche Festsetzung einer Terminsgebühr für die Vertretung ihres Prozessbevollmächtigten in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren in der Beschwerdeinstanz vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, in dem um die Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) gestritten wurde und das sich durch die Abgabe eines Anerkenntnisses sowie der entsprechenden weiteren Prozesserklärungen erledigte. In einem weiteren Erinnerungsverfahren stritten die Beteiligten bereits um die Höhe des Gesamtvergütungsanspruches für das genannte Beschwerdeverfahren. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hatte den Gesamtvergütungsanspruch mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04. Februar 2009, - S 30 AS 1298/08 ER - unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 120,00 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf einen Betrag in Höhe von 166,60 € festgesetzt; die Festsetzung der zusätzlich geltend gemachten Erledigungsgebühr hatte sie abgelehnt. Die hiergegen erhobene Erinnerung blieb erfolglos (Beschluss der Kammer vom 24. März 2009, - S 12 SF 55/09 E ); die Festsetzung einer Terminsgebühr hat die Erinnerungsführerin erst mit Schriftsatz vom 23. April 2009 - mithin erst nach Abschluss des genannten (vorherigen) Erinnerungsverfahrens - beantragt.

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Die Erinnerung bleibt erfolglos; sie war daher zurückzuweisen.

3

Die gemäß § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung vom 05. August 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 28. Juli 2009 - S 30 AS 1298/08 ER - ist nicht begründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung stand.

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Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat es zu Recht abgelehnt, zugunsten der Erinnerungsführerin eine Terminsgebühr festzusetzen. Zur Begründung seiner Entscheidung nimmt das Gericht gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG zunächst auf die zutreffenden Ausführungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen. Die Urkundsbeamtin hat den gebührenrechtlichen Sachverhalt vollständig und rechtsfehlerfrei gewürdigt.

5

Nur im Hinblick auf das Vorbringen der Erinnerungsführerin im Kostenfestsetzungs- und im Erinnerungsverfahren weist die Kammer noch ergänzend auf Folgendes hin:

6

Ob die von der Erinnerungsführerin vorgenommene „Nachliquidation“ in der hier vorgenommenen Art und Weise überhaupt möglich ist, nachdem ihr Prozessbevollmächtigter sein anwaltliches Gebührenbestimmungsrecht bereits einmal (verbindlich) ausgeübt hatte, kann die Kammer offen lassen. Ebenso kann offen bleiben, ob einer solchen „Nachliquidation“ nicht ohnehin bereits der rechtskräftige Beschluss der Kammer vom 24. März 2009 - S 12 SF 55/09 E -, mit dem der Gesamtvergütungsanspruch für die Vertretung im Beschwerdeverfahren mit einem Betrag in Höhe von 166,60 € endgültig festgesetzt worden ist, entgegensteht. Denn die von der Erinnerungsführerin geltend gemachte Terminsgebühr nach Nr. 3106 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG) -, für die ein Gebührenrahmen von 20,00 € bis 380,00 € vorgesehen wäre, ist nicht angefallen.

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Für die Bestimmung der Terminsgebühr, auch für das sozialgerichtliche Verfahren, gilt Nr. 3104 VV-RVG, die einen Gebührensatz von 1,2 der Gebühr nach § 13 RVG bestimmt. Handelt es sich - wie hier - um ein sozialgerichtliches Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen, findet die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG Anwendung, auf die in Nr. 3104 VV-RVG verwiesen wird. Ein Termin hat nicht stattgefunden, so dass nur noch die Gewährung der (fiktiven) Terminsgebühr in Betracht käme. Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin sind jedoch auch die hierfür in Nr. 3106 VV-RVG aufgeführten Verfahrenskonstellationen nicht gegeben. Danach entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn

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1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird,

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2. nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird

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3. das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

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Sowohl Nr. 1 als auch Nr. 2 der Nr. 3106 VV RVG schildern prozessuale Situationen, in denen eine grundsätzlich durchzuführende mündliche Verhandlung ausnahmsweise entfallen ist. Auch der Wortlaut der Nr. 3 der Nr. 3106 VV-RVG lässt eine andere Auslegung nicht zu. Denn er setzt ausdrücklich für die Zuerkennung der fiktiven Terminsgebühr voraus, dass ein Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis „ohne mündliche Verhandlung" endet. Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass die Terminsgebühr grundsätzlich bei Beendigung eines Verfahrens durch Anerkenntnis verdient wird, unabhängig davon, ob eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, so hätte er diese Bedingung nicht ausdrücklich als Voraussetzung aufgenommen. Da für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gemäß § 124 Abs. 3 SGG i. V. m. § 86b Abs. 4 SGG eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, ist eine fiktive Terminsgebühr nicht verdient, wenn ein solches Verfahren mit Anerkenntnis endet. Grundvoraussetzung für die Entstehung einer solchen Gebühr ist dementsprechend, dass für das entsprechende Rechtsschutzverfahren überhaupt eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Die hier in Rede stehende Terminsgebühr wird nämlich auch und gerade deshalb gewährt, um eine mündliche Verhandlung vermeiden zu helfen (vgl. hierzu Kammergericht Berlin, Beschluss vom 21. Februar 2007, - 5 W 24/06, zitiert nach juris). Da jedoch einstweilige Rechtsschutzverfahren gerade keiner notwendigen mündlichen Verhandlung bedürfen, kann eine Terminsgebühr schon dem Grunde nach nicht entstehen. Eine Terminsgebühr kann deshalb in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur dann verdient werden, wenn tatsächlich ein Termin stattgefunden hat oder aber die Voraussetzungen der (amtlichen) Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG erfüllt sind. Dies ist vorliegend jedoch auch nicht der Fall.

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Der hier vertretenen Rechtsauffassung kann im Übrigen auch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber mit der fiktiven Terminsgebühr einen Anreiz für die verfahrensbeteiligten Rechtsanwälte zur außergerichtlichen Erledigung eines Verfahrens schaffen wollte, um damit die Gerichte zu entlasten. Denn die in diesem Zusammenhang einzig denkbare Entlastung des Sozialgerichts wäre der Wegfall bzw. „die Ersparnis" einer alternativ durchzuführenden mündlichen Verhandlung. Eine solche ist indes - wie ausgeführt - für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht vorgesehen, die außergerichtliche Annahme eines Anerkenntnisses in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entlastet das Sozialgericht folglich nicht. Nutznießer einer zügigen Annahme eines Anerkenntnisses ist der von dieser Prozesserklärung begünstigte Mandant, nicht das Gericht.

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Aus den genannten Gründen vermag die Kammer auch der entgegenstehenden Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 26. April 2007, - L 7 B 36/07 AS, zitiert nach juris) nicht zu folgen, weil es sich gerade nicht mit der entscheidenden (und hier verneinten) Frage auseinandersetzt, ob die (fiktive) Terminsgebühr auch in den Fällen einschlägig ist, in denen eine mündliche Verhandlung gerade nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.

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Soweit die Erinnerungsführerin zur Stützung ihres Ansinnens schließlich auf einen Beschluss der Kammer vom 26. Juni 2009 - S 12 SF 67/09 E - hinweist, kann ihr dies schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil dem dortigen Verfahren ein Hauptsacheverfahren zugrunde lag, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.

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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus einer analogen Anwendung des § 33 Abs. 9 S. 2 RVG, des § 56 Abs. 2 S. 3 RVG und des § 66 Abs. 8 S. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG; vgl. zur Kostengrundentscheidung im Erinnerungsverfahren auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 197, Rdn. 10, der eine solche sogar gänzlich für entbehrlich hält).

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Die Erinnerungsentscheidung ergeht nach entsprechender Anwendung des § 33 Abs. 9 S. 1 RVG, des § 56 Abs. 2 S. 2 RVG und des § 66 Abs. 8 S. 1 GKG gerichtskostenfrei.

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Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig.