Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 13.05.2009, Az.: S 81 AS 531/09 ER

Aussetzung; Behörde; Beschluss; Beschwerde; Beschwerdegericht; Eilverfahren; einstweiliger Rechtsschutz; Ermessen; Pflicht; Sozialgericht; Suspensiveffekt; Vollstreckung; Vollstreckungsgericht; Vollstreckungsschutz; Vollziehung; Zwangsgeld; Zwangsgeldbeschluss; Zwangsmittel; Zwangsmittelbeschluss; Zwangsvollstreckung

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
13.05.2009
Aktenzeichen
S 81 AS 531/09 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50463
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Dem Antragsgegner wird die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 € (eintausend Euro) für den Fall angedroht, dass er nicht bis spätestens

Freitag, den 15. Mai 2009, 12.00 Uhr

den Beschluss der Kammer vom 23. April 2009 - S 81 AS 531/09 ER - zugunsten der Antragsteller umgesetzt hat.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

Der zulässige Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes zur Umsetzung des Beschlusses der Kammer vom 23. April 2009 - S 81 AS 531/09 ER - hat im tenorierten Umfang Erfolg.

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1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 23. April 2009 - S 81 AS 531/09 ER - bestimmt sich nach § 201 Abs. 1 S. 1 SGG. Bei dem genannten Beschluss handelt es sich zwar um eine einstweilige Anordnung, aber auch aus ihr kann gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG vollstreckt werden. Soweit § 201 Abs. 1 S. 1 SGG lediglich Urteile erwähnt, ist das unschädlich; da die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch für sonstige Titel wie einstweilige Anordnungen gilt (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 201 Rdn. 2; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05. Juli 2005, - L 8 B 49/05 AS sowie auch Beschluss vom 27. Dezember 2006, - L 7 AS 653/06 ER).

3

2. Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung ist, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) vorliegen und die Behörde die auferlegte Verpflichtung billigerweise hätte erfüllen können (Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG-Kommentar, 9. Auflage 2008, § 201 Rdn. 4 m.w.N.). Angesichts des § 929 Abs. 1 ZPO ist eine Vollstreckungsklausel hier jedoch entbehrlich. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist das Vollstreckungsgericht verpflichtet , ein Zwangsgeld anzudrohen. Ein irgendwie geartetes Ermessen kommt dem Vollstreckungsgericht nicht mehr zu. Ermessen besteht nur noch hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes.

4

Sollten sich Androhung und Festsetzung des in § 201 SGG genannten Zwangsgeldes als ungeeignet erweisen, können von den Gerichten auch einschneidendere Zwangsmittel aus der ZPO angewandt werden. Vgl. hierzu BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats) v. 9.8.1999 (NVwZ 1999, 1330 [BVerfG 09.08.1999 - 1 BvR 2245/98]):

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„Ist etwa aufgrund vorangegangener Erfahrungen, aufgrund eindeutiger Bekundungen oder aufgrund mehrfacher erfolgloser Zwangsgeldandrohungen klar erkennbar, daß die Behörde unter dem Druck des Zwangsgeldes nicht einlenkt, dann gebietet es das Gebot effektiven Rechtsschutzes, von der nach § 167 VwGO möglichen „entsprechenden„ Anwendung zivilprozessualer Vorschriften Gebrauch zu machen und einschneidendere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten (vgl. Bettermann, DVBl 1969, 120 [121] [OVG Niedersachsen 17.03.1967 - II OVG B 15/67]; Maunz, BayVBl 1971, 399 [400]). Welche der in den §§ 885-896 ZPO geregelten, einschneidenderen Zwangsmitteln (Ersetzung der behördlichen Zustimmung zur Saalvermietung, Besitzeinweisung durch den Gerichtsvollzieher etc.) in welcher Reihenfolge und in welcher Form bei der Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Eilentscheidungen erforderlichenfalls zum Einsatz kommen, obliegt vorrangig der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung und bedarf in diesem Zusammenhang keiner Vertiefung.“

6

3. Die Antragsgegnerin ist der Verpflichtung aus der einstweiligen Anordnung bislang unstreitig nicht nachgekommen (§ 201 Abs. 1 S. 1 SGG), u.zw. bis zum heutigen Tage nicht - obgleich aus der Sperrandrohung vom 2. April 2009 und der damit gegebenen Eilbedürftigkeit der Sache eine kurzfristige Befolgung der einstweiligen Anordnung folgte. Auf telefonische Nachfrage hat der Antragsgegner dazu am 13. Mai 2009 erklärt, es sei beim Landessozialgericht jetzt gegen den gen. Beschluss der Kammer Beschwerde eingelegt (L 9 AS 579/09 B ER) und auch eine Aussetzung der Vollziehung beantragt worden (L 9 AS 582/09 ER). Beide Verfahren sind - wie die Geschäftsstelle des Landessozialgerichts am 13. Mai 2009 mitgeteilt hat - erst am 12. Mai 2009, also über 2 Wochen nach Ergehen des Kammerbeschlusses, dort eingegangen und eingetragen worden. Außerdem verweist der Antragsgegner auf eine interne Vereinbarung mit der X-GmbH, die zum Inhalt habe, dass zunächst einmal die Sperrandrohung (weiterhin) nicht umgesetzt werde. Somit sei für eine Vollstreckung derzeit kein Raum.

7

Auf diese Erwägungen kommt es indes im Vollstreckungsverfahren nicht mehr an: Der gerichtliche Titel ist vom Antragsgegner zu befolgen und umzusetzen, u.zw. ohne dass es noch auf (lediglich interne) Vereinbarungen mit der X-GmbH ankommt. Bestehen Einwendungen gegen den materiellen Anspruch selbst, so kann der Antragsgegner insoweit Vollstreckungsabwehrklage entsprd. § 767 ZPO erheben. Die vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde aber hat keinen Suspensiveffekt, so dass - solange es an einer ausdrücklichen Aussetzung der Vollziehung durch das Landessozialgericht fehlt - dem gen. Beschluss der Kammer vom 23. April 2009 Folge zu leisten ist.

8

Angesichts der seit Erlass der - ersichtlich eilbedürftigen - einstweiligen Anordnung verstrichenen Zeit von über zwei Wochen, der offenkundigen Weigerung der Antragsgegnerin, den gerichtlichen Beschluss umzusetzen, und mit Blick auf die fortbestehende, einer Wohnungslosigkeit nahe kommende Notlage (vgl. S. 5 des gen. Beschlusses der Kammer) sind die gesetzte Frist und die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes angemessen.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. März 2005, - L 15 B 18/04 AL). Da die Antragsteller mit ihrem Antrag obsiegen, hat der Antragsgegner ihnen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.