Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 10.08.2009, Az.: S 12 SF 86/09 E

Abgeltung; Angelegenheit; angemessene Gebühr; Angemessenheit; anwaltliche Tätigkeit; Arbeitsaufwand; Beantragung; Bedeutung; beigeordneter Rechtsanwalt; Bemessung; Beschwerdeverfahren; besondere Angelegenheit; Betragsrahmengebühr; Bindungswirkung; dieselbe Angelegenheit; durchschnittliches Klageverfahren; Durchschnittlichkeit; Einkommensverhältnis; Gebühr; Gebührenerhöhung; Grundsicherung; Grundsicherung für Arbeitsuchende; Haftungsrisiko; Honorar; Klageverfahren; Mehraufwand; Mittelgebühr; PKH; Prozesskostenhilfe; Prozesskostenhilfevergütung; Rahmen; Rahmengebühr; Rechtsanwalt; Rechtsanwaltsvergütung; Schwierigkeit; sozialgerichtliches Verfahren; Tätigkeit; Umfang; Unterdurchschnittlichkeit; Verfahrensgebühr; Vergütung; Vergütungshöhe; Vermögensverhältnis

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
10.08.2009
Aktenzeichen
S 12 SF 86/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50491
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Höhe der Prozesskostenhilfevergütung in einem grundsicherungsrechtlichen Klageverfahren nach dem SGB II, in dem Betragsrahmengebühren entstehen; insbesondere zur - hier verneinten - Frage, inwieweit gebührenerhöhend Berücksichtigung finden kann, dass der beigeordnete Rechtsanwalt in einem Beschwerdeverfahren, in dem um die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das zugrunde liegende Klageverfahren gestritten wird, weiteren Arbeitsaufwand hat.

Tenor:

Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 11. März 2009 - S 23 AS 897/07 - wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

1

Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg geltend, in dem um die Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) gestritten wurde.

2

Die Erinnerung bleibt erfolglos.

3

Der beigeordnete Rechtsanwalt ist im Verfahren über die Festsetzung der Rechts-anwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) allein erinnerungsbefugt (vgl. etwa Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 56, Rdn. 6); das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

4

Die danach gemäß § 56 Abs. 1 RVG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 11. März 2009 - S 23 AS 897/07 - erhobene Erinnerung des Erinnerungsführers ist zulässig, jedoch unbegründet.

5

Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig und hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung stand. Der von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzte Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 452,20 € ist kostenrechtlich nicht zu beanstanden.

6

Zur Begründung seiner Entscheidung nimmt das Gericht zunächst gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen; nach Abwägung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG ist insbesondere die Höhe der Verfahrensgebühr nicht zu beanstanden, denn der durchschnittliche Umfang und die durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die überdurchschnittliche Bedeutung, die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der von dem Erinnerungsführer vertretenen Klägerin und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko des Erinnerungsführers rechtfertigen die Annahme, dass es sich - wegen der Kompensation einzelner Bewertungskriterien - um ein insgesamt durchschnittliches Klageverfahren handelt, was die Bemessung mit der Mittelgebühr zu rechtfertigen vermag (vgl. zur Kompensation einzelner Bewertungskriterien in Verfahren, in denen um die Gewährung von Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II gestritten wird: Terminbericht des Bundessozialgerichts Nr. 38/09, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris).

7

Entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers kommt eine Verfahrensgebühr oberhalb der Mittelgebühr auch nicht etwa deshalb in Betracht, weil um die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren gestritten wurde und entsprechende anwaltliche Mühewaltung erforderlich geworden ist. Denn gemäß § 18 Nr. 5 RVG handelt es sich bei dem Beschwerdeverfahren im Rahmen der Beantragung von Prozesskostenhilfe um eine besondere Angelegenheit, so dass eine Berücksichtung der dort entfalteten Tätigkeit wegen § 15 Abs.1 und Abs. 2 S. 1 RVG bei der Bemessung der Verfahrensgebühr für das hier zugrunde liegende Klageverfahren ausgeschlossen ist (vgl. zur Frage, ob auch Beschwerden im Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vom Tatbestand des § 18 Nr. 5 RVG umfasst sind: Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 18, Rdn. 34 ff., 40). Mit dieser Überlegung steht auch in Einklang, dass die zur Erinnerungsentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren berufene Kammer an die Kostengrundentscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 28. August 2008 - L B 191/08 AS - gebunden ist. Wenn danach gerade eine Kostenerstattung ausgeschlossen sein soll, würde die Berücksichtigung des Mehraufwandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Beschwerdeverfahren bei der Bemessung der Verfahrensgebühr des hier zugrunde liegenden Klageverfahrens diese Bindungswirkung unterlaufen.

8

Im Übrigen wäre wegen der bereits genannten Vorschriften des § 15 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 RVG ein überdurchschnittlicher Arbeitsaufwand bei der Beantragung der Prozesskostenhilfe auch bei der Bemessung der Verfahrensgebühr für das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, zu berücksichtigen, weil es sich gemäß § 16 Nr. 2 RVG bei beiden Verfahren um dieselbe Angelegenheit handelt. Weil der höhere Arbeitsaufwand nach dem Vorbringen des Erinnerungsführers jedoch im Beschwerdeverfahren angefallen ist, kommt demgemäß eine Berücksichtigung bei der Bemessung der Verfahrensgebühr für das hier zugrunde liegende Klageverfahren nicht in Betracht. Mag sich der Erinnerungsführer - wie in anderen Fällen auch, in denen eine Kostenerstattung eines Dritten nicht in Betracht kommt - an seine Auftraggeberin wenden und gegebenenfalls dort seinen (zusätzlichen) Vergütungsanspruch nach Nr. 3501 VV-RVG geltend machen.

9

Im Ergebnis ist daher die Bemessung der Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr nicht zu beanstanden; der darüber hinaus gehende Antrag ist - auch unter Berücksichtigung eines gewissen Toleranzrahmens - erkennbar unbillig.

10

Weil andere Gebührenpositionen nicht im Streit standen, ergibt sich der von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zutreffend ermittelte Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 452,20 €. Dementsprechend war die Erinnerung zurückzuweisen.

11

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.

12

Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06. März 2009, - L 8 SF 1/09 B sowie zur fehlenden Beschwerdemöglichkeit bei Entscheidungen über die Prozesskostenhilfevergütung: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF, Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF sowie Beschluss vom 09. Juni 2009, - L 13 B 1/08 SF mit zahlreichen weiteren Nachweisen).