Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 03.11.2009, Az.: S 7 AL 48/09
Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen Aufnahme eines unbezahlten Praktikums; Voraussetzung für das Vorliegen einer Beschäftigungslosigkeit bei der Ausübung einer Beschäftigung, selbstständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger; Verstoß gegen die Mitteilungspflichten aufgrund der nicht unverzüglichen Meldung des Beginns eines Praktikums
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 03.11.2009
- Aktenzeichen
- S 7 AL 48/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 29057
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2009:1103.S7AL48.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I
- § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
- § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III
- § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 4 SGB X
- § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 06. bis 23. Januar 2009.
Die H. geborene Klägerin arbeitete zunächst als Verkäuferin, meldete sich am 20. November 2008 arbeitslos und stellte einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Sie bestätigte dabei mit Unterschrift vom 26. November 2008 den Erhalt des Merkblattes 1 für Arbeitslose (Bl. 3 der Verwaltungsakte).
Auf Seite 13 und 14 des Merkblattes findet sich folgender Passus:
"Sie müssen für den Bezug von Arbeitslosengeld beschäftigungslos sein. Sie sind beschäftigungslos, wenn Sie vorübergehend in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen. Beschäftigungslos sind Sie auch, wenn Sie nur eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung als Arbeitnehmer oder Tätigkeit als Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger ausüben.
Bei Aufnahme jeder Beschäftigung oder Tätigkeit prüft Ihre Agentur für Arbeit, ob sie die Arbeitslosigkeit und damit den Anspruch auf Arbeitslosengeld entfallen lässt. ( )
In Ihrem eigenen Interesse sollten Sie jede Beschäftigung oder Tätigkeit vor deren Beginn Ihrer Agentur für Arbeit anzeigen. Bei Nichtanzeige oder verspäteter Anzeige einer Beschäftigung oder Tätigkeit, die die Arbeitslosigkeit entfallen lässt, können Sie die Leistung erst wieder nach erneuter Arbeitslosmeldung beziehen. Bei nicht rechtzeitiger Anzeige können Ihnen erhebliche finanzielle Nachteile geschehen."
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 08. Dezember 2008 Arbeitslosengeld ab dem 01. Dezember 2008 für eine Dauer von 180 Kalendertagen mit einem täglichen Leistungssatz von 11,68 Euro.
Die Klägerin nahm am 06. Januar 2009 ein unbezahltes Praktikum bei der Firma I. auf, das bis zum 23. Januar 2009 andauerte (Bl. 22 der Verwaltungsakte). Dies erfolgte, um die Möglichkeit einer erfolgreichen Ausbildung in diesem Betrieb zu prüfen. Die Beschäftigungszeiten der Klägerin waren wie folgt (Bl. 16 der Gerichtsakte):
am 06. Januar 2009 Arbeitszeit von 8 Stunden, am 07. Januar von 4 Stunden, am 08. und 09. Januar von jeweils 8 Stunden, am 12. und 13. Januar von jeweils 8 Stunden, am 14. Januar von 4 Stunden, am 15., 16., 19. und 20. Januar von 8 Stunden, am 21. Januar von 4 Stunden und am 22. Januar von 8 Stunden.
Die Klägerin teilte der Beklagten die Praktikumstätigkeit am 23. Januar 2009 bei einem persönlichen Gespräch in den Räumen der Beklagten mit und meldete zugleich ein Langzeitpraktikum ab Februar 2009 an.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2009 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 06. Januar 2009 auf (vgl. Beratungsvermerk; Bl. 55 der Gerichtsakte).
Dagegen legte die Klägerin am 29. Januar 2009 Widerspruch ein (Bl. 24 der Verwaltungsakte), den sie damit begründete, dass sie nicht gewusst habe, dass sie das Praktikum anzeigen müsse.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05. Februar 2009 zurück (Bl. 27 bis 31 der Verwaltungsakte) und begründete diesen im Wesentlichen folgendermaßen:
Die Klägerin habe die Erwerbstätigkeit, die sie ab 06. Januar ausgeübt habe, der Beklagten nicht angezeigt. Dies wäre aber notwendig gewesen, weil es sich um eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden gehandelt habe. Dabei sei unerheblich, ob das Praktikum entgeltlich gewesen sei. Die Arbeitsloserklärung sei damit erloschen. Erst mit der persönlichen Vorsprache am 23. Januar habe eine erneute Arbeitslosmeldung vorgelegen und am 24. Januar sei sie wieder arbeitslos gewesen.
Dagegen hat die Klägerin am 02. März 2009 Klage erhoben.
Sie trägt vor:
Sie habe sich eigenständig um den Praktikumsplatz beworben, wobei es sich nicht um eine Erwerbstätigkeit gehandelt habe, da sie keinen Verdienst erzielt habe. Die von der Firma angegeben Beschäftigungszeiten träfen zu. Die Klägerin habe sich bei diversen Betrieben um einen Ausbildungsplatz beworben, wie es in der Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten festgeschrieben worden sei. Sie habe sich bei der Beklagten zu einem neuen Beratungstermin gemeldet und mitgeteilt, dass sie ein Schnupperpraktikum tätige, wobei ab Februar ein "echtes Praktikum" in Aussicht gestellt worden sei. Dies habe die Mitarbeiterin der Beklagten wohlwollend zur Kenntnis genommen und eine Bescheinigung der Firma verlangt.
Durch die Aufnahme des Praktikums hätten sich die Verhältnisse nicht geändert. Die Klägerin habe nicht grob fahrlässig eine Mitteilungspflicht verletzt. Sie habe damals im Alter von 19 Jahren keine Erfahrung mit Behörden besessen. Ferner sei das Ermessen, welches aufgrund des atypischen Sachverhaltes gegeben sein, nicht ausgeübt worden. Denn davon sei nach der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 37 und 42) Gebrauch zu tätigen, wenn das Einkommen des Betroffenen durch die rückwirkende Aufhebung nachträglich unter die Sozialhilfegrenze falle.
Die Klägerin hat zwischenzeitlich im August 2008 eine Ausbildung bei der Firma I. aufgenommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor:
Die Klägerin sei nicht beschäftigungslos gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Februar 2009 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten.
Auf die zutreffenden Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden wird Bezug genommen (§ 136 Absatz 3 SGG).
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sind §§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X, 330 Absatz 3 Satz 1 SGB III in Verbindung mit § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X.
(1)
Die Voraussetzungen einer Rücknahme nach §§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, 40 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Absatz 3 Satz 1 SGB III sind gegeben. Demnach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab dem Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
(a)
Die ursprüngliche Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01. Dezember 2008 wurde nachträglich durch wesentliche Änderung der Verhältnisse ab dem 06. Januar (bis zum 23. Januar 2009) rechtswidrig, weil ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Bezug nicht mehr gegeben waren.
Gemäß § 118 Absatz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, die
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arbeitslos sind,
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sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
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die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Nach § 119 Absatz 1 SGB III ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der
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nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
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sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und
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den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).
Gemäß Absatz 3 der Norm schließt die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- und Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt.
Nach Absatz 5 der Norm steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer
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eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
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Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
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bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben und
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bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.
Gemäß § 122 Absatz 2 erlischt die Wirkung der Arbeitslosmeldung, wenn
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bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit,
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mit der Aufnahme einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger, wenn der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
Die Klägerin war in der Zeit vom 06. bis 23. Januar 2009 nicht arbeitslos, weil sie während des Praktikums in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 119 Absatz 1 Nr. 1 SGB III stand.
Ein Praktikum kann grundsätzlich ein Beschäftigungsverhältnis darstellen. Im Rahmen dessen Bewertung kommt es nicht entscheidend auf die Entgeltlichkeit an, welche kein notwendiges Kriterium einer Beschäftigung ist (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 29. Juni 1995 - 11 RAr 97/94 -, 09. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R - und 13. Juli 2006 - B 7a AL 16/05 R -). Im Falle der Unentgeltlichkeit ist aber die Frage der persönlichen Abhängigkeit vom Arbeitgeber bzw. Unternehmer vorrangig zu prüfen (vgl. Gagel/Steinmeyer, Kommentar zum SGB III, § 119, Rd. 24).
Bei Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, sind die gesamten tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu würdigen (vgl. Eicher/Schlegel/Söhngen, Kommentar zum SGB III, § 119, Rd. 41).
Das Bundessozialgericht nimmt in ständiger Rechtsprechung eine funktionsdifferente Auslegung des Begriffs der Beschäftigungslosigkeit vor (vgl. Urteile vom 28. September 1993 - 11 RAr 69/92 -, 03. Juni 2004 - B 11 AL 70/03 R - und 09. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R - vor). Demnach unterscheidet sich das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen von demjenigen im beitragsrechtlichen Sinn, wobei dessen Begriff die Funktion habe, das durch die Leistungen gedeckte Risiko zu bestimmen.
Beschäftigung ist gemäß § 7 Absatz 1 SGB IV die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dabei ist die persönliche Abhängigkeit wesentliches Merkmal einer Beschäftigung (vgl. Niesel, Kommentar zum SGB III, § 119, Rd. 10). § 119 Absatz 3 SGB III schließt eine Beschäftigungslosigkeit auch dann aus, wenn eine nicht geringfügige Tätigkeit als Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger vorliegt.
Die persönliche Abhängigkeit erfordert zum einen Eingliederung in den Betrieb und zum anderen Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsleistung (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 30. Januar 1990 - 11 RAr 47/88 -, 08. August 1990 - 11 RAr 77/89 - und 29. Januar 1981 - 12 RK 13/79 -).
Das Weisungsrecht kann zwar eingeschränkt, darf aber nicht vollständig aufgehoben sein (vgl. Niesel § 119, Rd. 11). Die ausgeübte Tätigkeit muss fremdbestimmt sein und die Fremdleistung des Beschäftigten einen wirtschaftlichen Wert haben.
Die Beschäftigung muss den Charakter eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses haben (vgl. Urteile des Bundessozialgerichtes vom 09. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R - und 13. Juli 2006 - B 7a AL 16/05 R -).
Bei der vorliegenden Tätigkeit der Klägerin handelte es sich um ein Praktikum, welches zur Anbahnung eines Ausbildungsverhältnisses dienen sollte. Letzteres wurde auch tatsächlich im August 2009 aufgenommen. Die Klägerin ordnete sich für die Zeit des Praktikums dem Direktionsrecht der Firma I. unter und erbrachte - zumindest teilweise - eine Arbeitsleistung im Rahmen der betrieblichen Abläufe, welche auch wirtschaftlich ins Gewicht fiel (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 22. September 1988 - 7 RAr 13/87 -). Sie suchte die Firma stets gegen 08.00 Uhr auf, beendete die Tätigkeit wochentags außer Mittwoch zwischen 16.00 und 17.00 Uhr. Mittwochs verließ sie die Firma um 12.15 Uhr, weil keine Arbeit vorhanden gewesen sei. Eine Eingliederung in den Betrieb ist somit hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art der Tätigkeit gegeben. Die Annahme, dass die Klägerin aufgrund der Freiwilligkeit nicht in den Betrieb eingebunden gewesen sei, erscheint als lebensfremd. Die Klägerin war in die betrieblichen Abläufe integriert, kochte Kaffee, fertigte Kopien und hat tatsächlich Anordnungen der Praktikumsträger ausgeführt. Auf andere Art und Weise ließe sich ein Praktikum überhaupt nicht durchführen.
Die Beschäftigung hat ferner nach den tatsächlichen Verhältnissen den Charakter eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses. Einerseits hat die Firma I. neben der Arbeitsleistung der Klägerin Erkenntnisse und Aufschluss über die Ausbildungsfähigkeit und -willen gewonnen. Andererseits war die Klägerin in der Lage, im Betrieb Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, so dass ihr eine Entscheidung über die Aufnahme einer Ausbildung in diesem erheblich erleichtert wurde (vgl. auch Eicher/Schlegel/Söhngen § 119, Rd. 44). Zur Ausbildungsaufnahme kam es dann auch tatsächlich, so dass offensichtlich ist, dass beide Seiten von der Ableistung des Praktikums profitiert haben.
Dies steht auch im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes. So hat dieses mit Urteil vom 29. Juni 1995 - 11 RAr 97/94 - die vollschichtige Tätigkeit in einem Küchenbetrieb, welche als Praktikum firmierte, als Beschäftigungsverhältnis angesehen, welches die Beschäftigungslosigkeit aufhebt. Im Urteil vom 13. Juli 2006 - B 7a AL 16/05 R - hat das Bundessozialgericht nicht entscheidungserheblich auf die Frage der Beschäftigungslosigkeit abgestellt, weil die Entscheidung des Obergerichtes sich bereits aus anderen Gründen als richtig erwies.
Die Arbeitslosigkeit war auch am 23. Januar 2009, dem letzten Tag des Praktikums aufgehoben. Denn die Klägerin teilte bei einer Vorsprache am selben Tag mit, dass das Praktikum einschließlich 23. Januar dauere. In der mündlichen Verhandlung erklärte sie, dass der Arbeitgeber sie für diesen Tag frei gestellt habe. Eine Unterordnung unter das Direktionsrecht war somit gegeben.
Mit Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist auch die Arbeitslosmeldung ab dem 06. Januar 2009 erloschen (§ 122 Absatz 2 Nr. 2 SGB III), weil die Aufnahme nicht unverzüglich mitgeteilt wurde. Die schriftsätzliche Einlassung der Klägerin vom 14. Oktober 2009, nach der am 10. Januar 2009 der Beklagten bei einem Beratungsgespräch mitgeteilt worden sein soll, dass die Klägerin ein Praktikum aufgenommen habe, ist unglaubhaft, weil dieser Tag ein Samstag war, an dem die Beklagte keine Dienstzeiten hatte. Diesen Vortrag hat sie in der mündlichen Verhandlung auch korrigiert. Die Kammer vermutet, dass die Klägerin unter Umständen dieses Datum mit dem 23. Januar 2009 verwechselt, als sie die Beklagte aufsuchte. Sollte darin eine Mitteilung der Aufnahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gesehen werden, erfolgte dies in jedem Fall nicht unverzüglich, da seit Aufnahme mehr als zwei Wochen verstrichen waren.
Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Klägerin zudem dadurch nicht verfügbar nach § 119 Absatz 5 SGB III war, dass sie eine vollschichtige Beschäftigung in der Zeit vom 06. bis 23. Januar 2009 aufgenommen hatte. Es kann somit dahinstehen, ob ein sofortiger Aufgabewille hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit bestanden hätte, sofern sie ein Arbeits- oder Ausbildungsplatzangebot im damaligen Zeitraum erhalten hätte (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 27. Juli 1989 - B 11 RAr 7/88 -). Dieser bestand jedenfalls eine Woche nach Aufnahme der Beschäftigung nicht mehr, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darlegte.
(b)
Die Klägerin hat gegen ihre Mitteilungspflichten verstoßen, weil sie den Beginn des Praktikums zum 06. Januar 2009 nicht unverzüglich der Beklagten meldete.
Gemäß § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I trifft denselben Personenkreis die Pflicht, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse muss der Betroffene von sich aus mitteilen (vgl. Kasseler Kommentar/Seewald,§ 60 SGB I, Rd. 25). Dieses hat unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von § 121 Absatz 1 SGB I, zu geschehen (vgl. Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB I, § 60, Rd. 16).
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im gegebenem Fall jedem hätte einleuchten müssen (Palandt/Heinrichs, Kommentar zum BGB, § 276, Rd. 5; v. Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, § 45, Rd. 24; Urteil des Bundessozialgerichtes vom 26. August 1987 - 11 a RA 30/86 -). Dabei sind die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtvermögen und das Verhalten des Betroffenen unter den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 13. Dezember 1972 - 7 RKg 9/69-).
Die Klägerin hat am 26. November 2008 den Erhalt des Merkblattes 1 für Arbeitslose durch ihre Unterschrift bestätigt. Darin wurden ausführlich und eindeutig die Folgen einer Beschäftigungsaufnahme mit mindestens 15 Wochenstunden beschrieben. Die Klägerin wäre nach ihren intellektuellen Fähigkeiten, von denen sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung ein Bild fertigen konnte und die durch einen erworbenen Hauptschulabschluss zum Ausdruck gelangen, ohne Weiteres in der Lage gewesen, die Hinweise aufzunehmen und zu verstehen. Im Zweifel hätten sich ihr unmittelbar Rückfragen gegenüber der Beklagten aufdrängen müssen, zumal die Passage im Merkblatt ausdrücklich dazu aufruft, im Falle der Arbeitsaufnahme zur Klärung der rechtlichen Situation sich an die Behörde zu wenden. Sie wurde im Übrigen auch zeitnah über ihre Verpflichtungen aufgeklärt, da das Praktikum am 06. Januar 2009, also weniger als zwei Monate nach dem Erhalt des Merkblatts, begonnen wurde.
Darüber hinaus hätte sich der Klägerin aber auch aus der konkreten Situation bei Aufnahme eines vollschichtigen Praktikums aufdrängen müssen, dass dies das Tatbestandsmerkmal der Beschäftigungslosigkeit aufhebt. Dass Arbeitslosengeld nur bei Arbeitslosigkeit gewährt wird, liegt auf der Hand. Einer solchen Erkenntnis hätte sie sich nicht - ohne zumindest grob fahrlässig zu handeln - entziehen können. Ihr hätte klar sein müssen, dass daneben nicht zeitlich eine andere Beschäftigung hätte ausgeführt werden können. Dies wird gestützt durch die Tatsache, dass sie das Praktikum ab dem 01. Februar 2009 der Beklagten meldete. Nach ihren intellektuellen Fähigkeiten war sie auch ohne Weiteres in der Lage, diesen Schluss zu ziehen und zumindest mit der Beklagten als leistenden Träger Kontakt aufnehmen müssen.
(c)
Ferner erfolgte die Rücknahme innerhalb der Jahresfrist der §§ 48 Absatz 4 Satz 1, 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X. Die Jahresfrist beginnt erst nach Abschluss der Anhörung zur Rückforderung zulaufen (vgl. Urteile desBundessozialgerichtes vom 08. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 -, 25. Januar 1994 - 7 RAr 14/93 -, v. Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, § 45 R.33; Kasseler/Kommentar/SGB X/Steinwedel § 45, Rd.27).
(d)
Rechtsfolge des Vorliegens der Rücknahmetatbestände ist die gebundene Entscheidung der Beklagten zur Rücknahme (§ 330 Absatz 3 SGB X) und Erstattung der überzahlten Leistungen nach § 50 Absatz 1 Satz 1 SGB X, wobei gegen die Berechnung der Höhe des zu erstattenden Betrages keine Einwendungen vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich sind.
Bei der Entscheidung über die Rücknahme handelt es sich um keine Ermessensentscheidung, wie sich aus dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut des § 330 Absatz 3 SGB III ergibt. Am Wortlaut der Norm findet im Übrigen jede Auslegung eine Grenze.
Die von der Klägerin zitierten Urteile des Bundessozialgerichtes vom 23. März 1995 - 13 RJ 39/94 - und 12. Dezember 1995 - 10 RKg 9/85 - sind nicht einschlägig, weil sie einerseits einen anderen Sachverhalt betreffen und zum anderen andere Rechtsgebiete tangieren, in denen nicht § 330 Absatz 3 SGB III gilt. Es ist offensichtlich, dass dies weder im Kindergeldrecht noch im Rentenrecht der Fall war. In den Entscheidungen ist das Bundessozialgericht im Übrigen nur dann von einer atypischen Entscheidung ausgegangen, wenn das Überschreiten einer Verdienstgrenze nachträglich zum Wegfall der Sozialleistung führte. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall, weil die Beklagte wegen Beendigung der Arbeitslosigkeit bzw. wegfallender Verfügbarkeit die Bewilligung aufgehoben und die Erstattung des überzahlten Betrages an Arbeitslosengeld verlangt hat.
(2)
Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen einer Rücknahme nach §§ 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X, 330 Absatz 3 Satz 1 SGB III gegeben. Demnach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab dem Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Die Klägerin hat zumindest grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit der Bewilligung ab dem 06. Januar 2009 verkannt. Diesbezüglich wird auf die vorstehenden Ausführungen im Rahmen der Prüfung der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit nach § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer der Klägerin mit 210,24 Euro unterhalb des Schwellenwertes in Höhe von 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe abweicht.
Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden ist.
Die Nichtzulassung der Berufung kann mit der Beschwerde angefochten werden.
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