Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 06.08.2009, Az.: S 12 SF 74/09 E
Terminsgebühr; fiktive Terminsgebühr; Verfahrensgebühr; Umfang; Schwierigkeit; Bedeutung; Einkommensverhältnisse; Aufwand; Anerkenntnis; angenommenes Anerkenntnis
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 06.08.2009
- Aktenzeichen
- S 12 SF 74/09 E
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 50526
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs 1 RVG
- Nr 3102 RVG
- Nr 3106 RVG
Tenor:
Auf die Erinnerung der Erinnerungsführer und Kläger vom 02. März 2009 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 25. Februar 2009 - S 28 AS 2068/08 - geändert.
Die von der Erinnerungsgegnerin und Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits werden auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 404,60 € festgesetzt; bereits erfolgte Zahlungen sind dabei in Abzug zu bringen.
Dieser Betrag ist seit dem 16. Februar 2009 unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Zahlungen mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
Die Beteiligten streiten im Erinnerungsverfahren noch um die Höhe der den Erinnerungsführern und Klägern (im Folgenden nur: Erinnerungsführern) durch die Erinnerungsgegnerin und Beklagte (im Folgenden nur: Erinnerungsgegnerin) zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten eines Klageverfahrens, in dem streitgegenständlich war, ob die Erinnerungsgegnerin zu Recht eine Verpflegungspauschale in Höhe von monatlich 80,60 € im Zeitraum vom 01. Oktober 2008 bis zum 31. Januar 2009 auf die Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) angerechnet und insoweit überzahlte Beträge zu Recht zurückgefordert hat. Das Verfahren endete nach einer Verfahrensdauer von etwa 3 Monaten durch die Erteilung eines abhelfenden Bescheides.
Die Erinnerung hat im tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Die gemäß § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 25. Februar 2009 - S 28 AS 2068/08 - ist zulässig und teilweise begründet.
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung nicht gänzlich stand. Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist nämlich eine Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 220,00 € (dazu unter 1.), eine Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 100,00 € (dazu unter 2.) nebst den nicht in Streit stehenden Gebührenpositionen in die Berechnung einzustellen, so dass sich ein Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 404,60 € ergibt.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Dabei ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.
Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.
1. Danach ist zunächst eine Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 220,00 € angefallen. Die Verfahrensgebühr war wegen der fehlenden Vorbefassung im Widerspruchsverfahren dem Rahmen der Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - zu entnehmen. Dieser Rahmen sieht eine Gebührenspanne von 40,00 € bis 460,00 € vor. Erweist sich das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 250,00 € angemessen. Darüber hinaus ist die Vertretung eines weiteren Auftraggebers wie folgt zu berücksichtigen: Soweit der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in seinem Rechenwerk auf Seite 1 des angegriffenen Beschlusses von einer Erhöhung der von ihm für angemessen gehaltenen Verfahrensgebühr in Höhe von 170,00 € um 30 Prozent wegen der Vertretung von einem weiteren Auftraggeber ausgeht, entspricht dies nicht der gesetzlichen Regelung der Nr. 1008 VV-RVG. Vielmehr ist in einem ersten Schritt der hier zugrunde zu legende Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV-RVG entsprechend der Regelung des Nr. 1008 VV-RVG neu zu bilden. Bei der Vertretung von einem weiteren Auftraggebern ist dabei jeweils auf den Mindest- und den Höchstbetrag des ursprünglichen Gebührenrahmens (40,00 € bis 460,00 €) ein Aufschlag von 30 Prozent zu addieren. Daraus ergibt sich dann ein gänzlich anderer Gebührenrahmen. Daher ist zu der Mindestgebühr der Nr. 3102 VV-RVG in Höhe eines Betrages von 40,00 € ein Betrag in Höhe von 12,00 € und zu der Höchstgebühr in Höhe eines Betrages von 460,00 € ein Betrag in Höhe von 138,00 € zu addieren, so dass bei der Vertretung von einem weiteren Auftraggeber ein Gebührenrahmen zwischen 52,00 € und 598,00 € auszufüllen ist; die Mittelgebühr beträgt dann 325,00 € . Ferner ist in einem zweiten Schritt zu beachten, dass die durch Nr. 1008 Abs. 3 VV-RVG vorgegebene „Deckelung“ des Gebührenrahmens (120,00 € bis 1.380,00 €) nicht überschritten wird.
Die danach von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zugrunde gelegte Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von insgesamt 221,00 € ist dann jedoch kostenrechtlich nicht zu beanstanden, weil hierbei die zur Bemessung des Gebührenbetrages heranzuziehenden Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG ausreichende Berücksichtigung gefunden haben. Auf die insoweit zutreffenden Erwägungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in seinem Beschluss - dort insbesondere S. 2 (fünfter Absatz bis siebenter Absatz) - nimmt das Gericht hinsichtlich des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zur Begründung seiner Entscheidung zunächst gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen.
Damit rechtfertigen der unterdurchschnittliche Umfang und die unterdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die leicht unterdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit (die Beteiligten stritten um einen vergleichsweise geringen Rückforderungsbetrag für einen geringen Zeitraum, wobei gleichzeitig die existenzsichernden Leistungen sichergestellt waren), die deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Erinnerungsführer, die im Leistungsbezug nach den Bestimmungen des SGB II stehen, und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführer die Zuerkennung einer Verfahrensgebühr unterhalb der Mittelgebühr in Höhe von 325,00 €, wobei die Kammer einen Betrag in Höhe von 220,00 € für angemessen hält. Der darüber hinausgehend geltend gemachte Betrag in Höhe von 325,00 € ist - auch unter Berücksichtigung eines gewissen Toleranzrahmens - erkennbar unbillig.
2. Darüber hinaus ist eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG entstanden, die sich aus einem Betragsrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € ergibt; die Mittelgebühr beträgt insoweit 200,00 €. Der Rechtsstreit wurde durch die Annahme eines Anerkenntnisses beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden. Durch die Regelung der Nr. 3106 VV-RVG (Ziffern 1 bis 3) soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur Wahrung des Gebührenanspruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die Durchführung des Termins zu verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die „fiktive" Terminsgebühr nach Nr. 3106 - Ziffer 1 bis Ziffer 3 - VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer vertritt in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei der Bemessung der Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Daher ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden.
Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG daher erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Festlegung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer eigenständigen Festsetzung unter Beachtung aller der in § 14 Abs. 1 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung eines Gebührenrahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in denen keine Betragsrahmengebühren entstehen, einen festen Wert - nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen von 1,2 - festgeschrieben hat. Daher wäre es auch nicht gerechtfertigt, in diesen Fallkonstellationen grundsätzlich nur die Mindestgebühr in Höhe von 20,00 € anzuerkennen. Dabei wird nämlich verkannt, dass auch bei der Bemessung der fiktiven Terminsgebühr alle Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG in die Abwägung einzustellen sind. Anderenfalls hätte der Normgeber auch bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag festgeschrieben wie er es beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2500 ff. VV-RVG, in Strafsachen nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG geregelt hat. Auch wenn in diesen Verfahren selbstredend keine Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.
Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG, dass insoweit eine insgesamt weit unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr hinsichtlich der Terminsgebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall abgewogen werden.
Unter Beachtung aller Abwägungskriterien erscheint mit Blick auf die Bemessungskriterien, die bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr einen Betrag unterhalb der dortigen Mittelgebühr auszulösen vermochten, entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und der Erinnerungsgegnerin eine Terminsgebühr in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr angemessen.
Dabei ist der anwaltliche Aufwand für den nicht stattgefundenen - entbehrlichen - Termin als weit unterdurchschnittlich zu werten. Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG - also bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis - besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre. Sinn und Zweck des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist in erster Linie die sachgerechte Vergütung (des Aufwands) für den Bevollmächtigten. Diese ist aber erfahrensgemäß sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen muss oder nicht. Nimmt der Mandant ein Anerkenntnis der Gegenseite an, führt dies auch beim Bevollmächtigten zu einer erheblichen Reduzierung seines Aufwands in diesem Verfahren. Die Annahme des Anerkenntnisses kann er dem Gericht in einem kurzen Schriftsatz mitteilen. Der im Vergleich zur notwendigen Teilnahme einer mündlichen Verhandlung also deutlich verminderte Aufwand kann gebührenrechtlich nicht außer Betracht bleiben. Unberücksichtigt bleiben darf dabei auch nicht, dass eine mündliche Verhandlung, welche regelmäßig eine zusätzliche Vorbesprechung, Vorbereitung und Terminswahrnehmung erfordert, nicht stattgefunden hat. In der Zusammenschau sieht das Gericht deshalb den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit insoweit als weit unterdurchschnittlich an.
Da bei der Bemessung auch der Terminsgebühr gemäß § 14 RVG jedoch - wie ausgeführt - alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, kann andererseits auch nicht allein auf den zu erwartenden geringen Aufwand allein abgestellt werden.
Wägt man die dargestellten unterdurchschnittlichen Anforderungen an die hypothetische anwaltliche Tätigkeit mit den durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und der leicht unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin und das durchschnittliche Haftungsrisiko gegeneinander ab, ist das vorliegende Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 100,00 € - mithin in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst. Dies bedeutet zugleich, dass bei einem tatsächlich stattgefundenen Termin, in dem lediglich die Annahme des Anerkenntnisses erklärt worden wäre, auch ein Betrag in Höhe dieses Betrages festzusetzen gewesen wäre.
Die Kammer vermag im Übrigen die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gelegentlich gerügte Ungleichbehandlung zu sonstigen Gerichtszweigen nicht zu erkennen, weil sich der Gesetzgeber - wie oben bereits ausgeführt - bewusst für die Differenzierung zwischen Verfahren, in denen Wertgebühren entstehen und Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, entschieden hat. Eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Regelung - Entstehen einer 1,2-Gebühr in allen dort genannten Fällen - auch in den Fällen, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, enthält die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG ausdrücklich nicht. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass insoweit eine Gesetzeslücke besteht, die im Wege der Rechtsprechung geschlossen werden könnte. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 1995 - 1 RK 20/94 = BSGE 76, 109 ff.). Weder liegt hier ein absichtliches oder ein versehentliches Schweigen des Gesetzes vor, noch ist nach Inkrafttreten des RVG eine Gesetzeslücke durch eine Änderung tatsächlicher Umstände eingetreten. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich in Nr. 3104 VV- RVG auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG verwiesen, sofern es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt, in dem Betragsrahmengebühren entstehen und für diese Fälle einen Gebührenrahmen vorgesehen. Hätte er eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Vorschrift auch für diese sozialgerichtlichen Verfahren treffen wollen, hätte er - wie er das hinsichtlich Nr. 3104 VV-RVG geregelt hat - eine entsprechende Regelung in der Nr. 3106 VV-RVG treffen können (ständige Rechtsprechung der Kostenkammer des Sozialgerichts Lüneburg - vgl. hierzu etwa: Beschlüsse vom 04. März 2009, - S 12 SF 53/09 E, vom 16. März 2009 - S 12 SF 59/09 E, - S 12 SF 64/09 E, vom 25. März 2009, - S 12 SF 43/09 E, vom 27. April 2009, - S 12 SF 39/09 E, vom 12. Mai 2009, - S 12 SF 56/09 E, vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 116/09 E sowie vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 67/09 E, jeweils zitiert nach juris).
3. Weil die übrigen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen, ergibt sich folgender Erstattungsanspruch:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG
220,00 €
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG
100,00 €
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG
20,00 €
19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG
64,60 €
Summe
404,60 €
In diesem Umfang hat die Erinnerung Erfolg, im Übrigen bleibt sie erfolglos. Die Kammer sieht sich im Übrigen trotz des auch im Erinnerungsverfahren geltenden Verbots der reformatio in peius nicht daran gehindert, einzelne (bereits festgesetzte) Gebührenpositionen zu Lasten der Erinnerungsführer abzuändern, weil sich das Verschlechterungsverbot allein auf die Festsetzung des Gesamtvergütungsanspruches bezieht, der hier auf die Erinnerung der Erinnerungsführer insgesamt zu erhöhen war.
4. Der Ausspruch über die Verzinsung ergibt sich aus § 197 Abs. 1 S. 2 SGG i. V. m. § 104 Abs. 1 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), wobei bei der Zinsberechnung zwischenzeitlich erfolgte Zahlungen entsprechend zu berücksichtigen sind.
5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus einer analogen Anwendung des § 56 Abs. 2 S. 3 RVG und des § 66 Abs. 8 S. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG; vgl. zur Kostengrundentscheidung im Erinnerungsverfahren auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 197, Rdn. 10, der eine solche sogar gänzlich für entbehrlich hält).
6. Die Erinnerungsentscheidung ergeht nach entsprechender Anwendung des § 56 Abs. 2 S. 2 RVG und des § 66 Abs. 8 S. 1 GKG gerichtskostenfrei.
7. Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig.