Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 14.12.2009, Az.: S 12 SF 140/09 E

Vergütung; Rechtsanwaltsgebühr; Erledigungsgebühr ; Gebührenrahmen; Mittelgebühr ; angenommenes Anerkenntnis; Anerkenntnis; Mitwirkung; Mitwirkungsbeitrag; Mitwirkungspflicht; Erfolg; besonderer Erfolg; Rechtsanwalt

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
14.12.2009
Aktenzeichen
S 12 SF 140/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50550
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 17. Juni 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 10. Juni 2009 - S 78 AS 326/09 ER - wird die aus der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung endgültig auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 547,40 € festgesetzt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

1

Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf Festsetzung einer (höheren) Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg geltend, in dem um die Gewährung laufender Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) gestritten wurde und das sich nach etwa dreimonatiger Verfahrensdauer durch die Annahme eines abgegebenen Anerkenntnisses erledigte. Streitig ist im vorliegenden Erinnerungsverfahren, ob neben der Verfahrensgebühr eine weitere Gebühr in die Berechnung des Gesamtvergütungsanspruches einzustellen ist.

2

Die Erinnerung hat Erfolg.

3

Der beigeordnete Rechtsanwalt ist im Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) allein erinnerungsbefugt (vgl. etwa Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 56, Rdn. 6); das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

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Die danach gemäß § 56 Abs. 1 RVG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 10. Juni 2009 - S 78 AS 326/09 ER - erhobene Erinnerung des Erinnerungsführers ist zulässig und teilweise begründet.

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Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung zu Unrecht lediglich auf einen Gesamtbetrag in Höhe von lediglich 321,30 € festgesetzt. Die Kammer hält demgegenüber einen Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 547,40 € für kostenrechtlich angemessen, weil - neben der zwischen den Beteiligten unstreitig festgesetzten Verfahrensgebühr - zusätzlich auch eine Erledigungsgebühr in Höhe eines Betrages von 190,00 € in die Berechnung einzustellen ist.

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1. Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach hat der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Verfahren handelt, in dem um die Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 55, Rdn. 29). Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift („vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris). Für jede Rahmengebühr ist dabei eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.

7

Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.

8

Neben der von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzten Verfahrensgebühr, die von den Beteiligten übereinstimmend in Höhe der Mittelgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - für kostenrechtlich angemessen gehalten wird, hat der Erinnerungsführer auch die geltend gemachte Erledigungsgebühr verdient, für die ein Gebührenrahmen von 30,00 € bis 350,00 € vorgesehen ist. Diese Gebühr kann der Rechtsanwalt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung der Kostenkammer des Sozialgerichts Lüneburg (vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 27. April 2009, - S 12 SF 38/09 E -, zitiert nach juris) regelmäßig nur dann verdienen, wenn er sich mit seinem Mandanten auseinandersetzt und überzeugend auf ihn einwirkt, sich mit einem Weniger zufrieden zu geben, als er ursprünglich begehrt hatte. Hierin, in der Vermeidung eines weitergehenden Verfahrens trotz Nichterreichen des Gewollten, liegt der besondere Erfolg des Rechtsanwalts, der durch die Erledigungsgebühr zusätzlich honoriert werden soll. Ferner kommt die Zuerkennung der Erledigungsgebühr dann in Betracht, wenn der Prozessbevollmächtigte den Rahmen der seiner Mandantschaft obliegenden Mitwirkungspflicht - etwa durch Beschaffung neuer Beweismittel - überschreitet und so zur Gesamterledigung beiträgt (vgl. hierzu insbesondere Bundessozialgericht, Urteil vom 02. Oktober 2008, - B 9/9a SB 5/07 R = ASR 2009, S. 53 ff. mit Anmerkung Schafhausen sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 05. Mai 2009, - B 13 R 137/08 R -, jeweils zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich vor. Nach dem von dem Erinnerungsgegner nicht in Abrede gestellten Vortrag ist der von dem Erinnerungsführer vertretene Antragsteller von seinem ursprünglichen Begehren abgerückt und hat sich letztlich mit einem Weniger zufrieden gegeben, als er ursprünglich geltend gemacht hatte. Dies wird für die Kammer insbesondere aus dem Schreiben des Erinnerungsführers an seinen Mandanten vom 27. April 2009 deutlich, in dem er ihm nahelegt, dem offenbar von der Antragsgegnerin unterbreiteten Vorschlag näher zu treten. Darin liegt im Übrigen zugleich der kausale - zur Erledigung des Rechtsstreits - führende anwaltliche (qualifizierte) Mitwirkungsbeitrag. Die Kammer hält unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG, der bei der Verfahrensgebühr nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten, die Festsetzung der Mittelgebühr rechtfertigt, auch für die Erledigungsgebühr die Mittelgebühr für angemessen.

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Ob darüber hinaus auch eine Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG angefallen ist, ist nicht entscheidungserheblich, weil das Gericht an die Höhe des begehrten Gesamtvergütungsanspruches gebunden ist und insbesondere nicht darüber hinausgehen darf (§ 123 SGG).

10

2. Weil die Höhe der übrigen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht, berechnet sich die aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung wie folgt:

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Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG

250,00 €

Erledigungsgebühr nach Nr. 1002/1006 VV-RVG

190,00 €

Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG

20,00 €

19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG

87,40 €

Summe

547,40 €

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Weil dem Erinnerungsführer damit der begehrte Gesamtvergütungsanspruch zusteht, hatte die Erinnerung insgesamt Erfolg.

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3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.

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4. Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF; Beschluss vom 21. Februar 2007, - L 7 B 1/07 AL SF; Beschluss vom 01. März 2007, - L 4 B 66/05 KR; Beschluss vom 14. Juni 2007, - L 13 B 4/06 AS SF; Beschluss vom 26. Oktober 2007, - L 14 B 1/06 SF; Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF; Beschluss vom 30. Oktober 2008, - L 1 B 2/08 R SF; Beschluss vom 09. Juni 2009, - L 13 B 1/08 SF; Beschluss vom 06. Juli 2009, - L 6 SF 44/09 B sowie Beschluss vom 29. September 2009, - L 6 SF 124/09 B (AS)).