Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 01.07.2009, Az.: S 12 SF 80/09 E

Festsetzung; Rechtsanwaltsgebühr; Kostenfestsetzungsverfahren; Mandat; Entziehung; Mandatsentziehung; Schlechterfüllung; Festsetzungsverfahren; Beschränkung; Dienstvertrag; Rechtsanwalt; anwaltlicher Dienstvertrag

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
01.07.2009
Aktenzeichen
S 12 SF 80/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50481
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Auf die Erinnerung der Erinnerungsführer vom 07. März 2009 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 24. Februar 2009 - S 22 SO 166/07 - aufgehoben.

Der Antrag auf Kostenfestsetzung gegen die eigene Partei vom 08. Dezember 2008 wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten im Erinnerungsverfahren um die von dem Erinnerungsgegner begehrte Festsetzung anwaltlicher Gebühren gegen die Erinnerungsführer, nachdem diese das dem Erinnerungsgegner (auch) für die Prozessvertretung im Verfahren zum Aktenzeichen S 22 SO 166/07 unter dem 12. August 2008 erteilte Mandat mit Schreiben vom 15. November 2008 entzogen haben.

2

Die gemäß § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung der Erinnerungsführer ist begründet.

3

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 24. Februar 2009 war aufzuheben, weil die Erinnerungsführer im Rahmen des vorliegenden Erinnerungsverfahrens Einwendungen geltend gemacht haben, die nicht ihren Ursprung im Gebührenrecht haben; dementsprechend war der Antrag auf Festsetzung der anwaltlichen Gebühren gegen die eigene Partei gemäß § 11 Abs. 5 S. 1 RVG abzulehnen. Nach der genannten Vorschrift ist die Festsetzung nämlich dann abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Ursprung haben. Diese Regelung hat ihren Grund darin, dass das Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht mit der Prüfung schwieriger zivilrechtlicher Fragen belastet werden soll. Stellen sich neben gebührenrechtlichen Fragen auch zivilrechtliche Probleme, wird der Anwalt darauf verwiesen, seinen Anspruch vor den Zivilgerichten einzuklagen. Für die in § 11 Abs. 5 S. 1 RVG normierte Ablehnungsvoraussetzung der Erhebung einer Einwendung, die nicht ihren Grund im Gebührenrecht hat, genügt grundsätzlich die bloße Berufung des Antragsgegners auf eine solche Einwendung, ohne dass deren nähere Substantiierung oder gar schlüssige Darlegung erforderlich wäre. Ob der Einwand im Ergebnis durchzugreifen vermag, ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu entscheiden. Denn das Festsetzungsverfahren ist als vereinfachtes zivilrechtliches Streitverfahren auf den Normalfall der rein gebührenrechtlichen Prüfung des anwaltlichen Vergütungsanspruches beschränkt. Etwas anderes kann ausnahmsweise nur dann gelten, wenn die Einwendung offensichtlich haltlos ist, insbesondere ohne jeden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt für eine nicht gebührenrechtliche Einwendung erfolgt und damit völlig aus der Luft gegriffen ist (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, § 11, Rdn. 133 f., 137 ff.).

4

Vorliegend wenden die Erinnerungsführer im Wesentlichen ein, der Erinnerungsgegner sei untätig geblieben und habe selbst bis zum 12. November 2008 noch nicht einmal einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Dieses Verhalten habe zur Kündigung des Mandates geführt. Vorsorglich werde die Aufrechnung mit den den Erinnerungsführern entstandenen Fahrt-, Zeit- und Kopierkosten erklärt; dieser Betrag übersteige auch den von dem Erinnerungsgegner geltend gemachten Betrag.

5

Der Sache nach berufen sich die Erinnerungsführer damit auf eine Schlechterfüllung des mit dem Erinnerungsgegner geschlossenen anwaltlichen Dienstvertrages. Dieser Einwand könnte eventuell geeignet sein, Gegenrechte gegen den Vergütungsanspruch - nämlich einen auf (teilweise) Freistellung von Gebühren aus dem Anwaltsdienstvertrag gerichteten Schadensersatzanspruch gemäß §§ 675, 611, 280 BGB (vgl. hierzu Oberlandesgericht Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2008, 99) oder den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, § 11, Rdnr. 186) - zu begründen. Dabei handelt es sich um eine nicht gebührenrechtliche Einwendung. Diese Einwendung ist auch nicht offensichtlich haltlos, weil die Kammer schon nicht ohne Weiteres den Umfang und die Zielsetzung der zwischen den Beteiligten vereinbarten anwaltlichen Dienstleistung erkennen kann. Zwar bestehen Bedenken hinsichtlich der Begründetheit der von den Erinnerungsführern gegen die Vergütungsfestsetzung geltend gemachten Einwände. Sie haben jedoch konkret fassbare Umstände genannt, die nicht bereits von vornherein - ohne materiell-rechtliche Prüfung - als unbeachtlich angesehen werden können. Insbesondere haben die Erinnerungsführer auch vorgebracht, der Erinnerungsgegner habe den vereinbarten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bis zum 12. November 2008 nicht gestellt; dies hat der Erinnerungsgegner im Erinnerungsverfahren auch nicht bestritten; ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist den Prozessakten im Übrigen auch nicht zu entnehmen. Jedenfalls ist damit ein Kern an tatsächlichem Vorbringen vorhanden, auf dem eine Einwendung prinzipiell aufbauen könnte, zumal von dem Tag der Antragstellung auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bei dem Gericht auch der Umfang der dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren abhängt. Bei dieser Sachlage ist es nicht Aufgabe des Gerichts im Kostenfestsetzungsverfahren der Frage nachzugehen, ob ein Auftraggeber seinem Prozessbevollmächtigten zu Recht Versäumnisse bei der Vertretung vorwirft (vgl. hierzu auch: Oberlandesgericht Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2008, 99 sowie Oberlandesgericht Brandenburg, RVGreport 2008, 418).

6

Dementsprechend war der Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben und der Kostenfestsetzungsantrag abzulehnen.

7

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus einer analogen Anwendung des § 56 Abs. 2 S. 3 RVG und des § § 66 Abs. 8 S. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG; vgl. zur Kostengrundentscheidung im Erinnerungsverfahren auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 197, Rdn. 10, der eine solche sogar gänzlich für entbehrlich hält).

8

Die Erinnerungsentscheidung ergeht nach entsprechender Anwendung des § 56 Abs. 2 S. 2 RVG und des § 66 Abs. 8 S. 1 GKG gerichtskostenfrei.

9

Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig.