Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 10.03.2009, Az.: S 81 AS 311/09 ER

Übernahme aufgelaufener Stromkosten und Stromforderungen durch den Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) i.R.d. einstweiligen Rechtsschutzes; Schuldenübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage durch ein Darlehen i.R.d. Leistungserbringung für Unterkunft und Heizung

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
10.03.2009
Aktenzeichen
S 81 AS 311/09 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 22197
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2009:0310.S81AS311.09ER.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Energiekostenrückstände sollen gem. § 22 Abs. 5 SGB II übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und andernfalls Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Die faktische Unbewohnbarkeit einer Wohnung infolge der Sperrung der Energiezufuhr steht dem Verlust der Wohnung gleich.

  2. 2.

    Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann im Hinblick auf § 22 Abs. 5 SGB II nur gerichtlich überprüft werden, ob beim Hilfebedürftigen ein sozialwidriges, unwirtschaftliches und die Möglichkeiten der Selbsthilfe ignorierendes Verhalten offensichtlich vorliegt.

  3. 3.

    Wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II gegeben sind, sind regelmäßig die Energiekostenrückstände zu übernehmen; lediglich in atypischen Fällen kann der Leistungsträger hiervon abweichen. Die Übernahme der Stromkosten kann von flankierenden Maßnahmen abhängig gemacht werden, die dem Auflaufen weiterer Rückständen entgegenwirken, z.B. der Einwilligung in die Direktüberweisung von Vorauszahlungen an das Energieversorgungsunternehmen.

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern ein Darlehen in Höhe von 3.705,45 EUR zur Tilgung der bei der G. AG entstandenen Stromkosten durch Überweisung unmittelbar an die gen. Gesellschaft zu gewähren. Diese Anordnung wird davon abhängig gemacht, dass die Antragsteller bis zum 20. März 2009 gegenüber der Antragsgegnerin unwiderruflich und schriftlich zunächst für die Zeit vom 01. April 2009 bis zum 31. März 2010 einer direkten Überweisung von Abschlagszahlungen in Höhe von 224,- EUR monatlich an die G. AG durch die Antragsgegnerin - beginnend mit dem 1. April 2009 - unter Anrechnung auf die monatliche Regelleistung zustimmen und sich mit einer Rückzahlung des Darlehens ab 01. April 2009 in monatlichen Raten von 50,- EUR unter Verrechnung ihrer Regelleistung einverstanden erklären.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller erstreben die Übernahme aufgelaufener Stromkosten und -forderungen durch die Antragsgegnerin.

2

Die Antragstellerin zu 1) und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder (drei minderjährige Kinder im Alter von 2, 7 und 11 Jahren) erhalten fortlaufend - etwa seit Februar 2006 - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - aktuell für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009 in einer monatlichen Gesamthöhe von 743,95 EUR (Einzelberechnungen liegen insoweit nicht vor). Für zwei ihrer Kinder (C. u. D.) erhält die Antragstellerin offenbar wegen deren Einkünften (Unterhalt von 257,- EUR und Kindergeld von 154,- EUR) keine Leistungen. Hiergegen ist Widerspruch eingelegt worden.

3

Nachdem die Antragsteller bereits im August 2008 eine Übernahme damaliger Stromkosten gem. der Jahresabrechnung 2006/2007 beantragt hatten, was von der Antragsgegnerin durch Bescheid vom 3. September 2008 abgelehnt worden war, beantragte die Antragstellerin zu 1) für sich und ihre drei Kinder mit Schreiben vom 5. Januar 2009 abermals eine Übernahme der in der Abrechnungsperiode November 2007 / November 2008 beim Energieversorgungsunternehmen aufgelaufenen Kosten für Strom von 1.657,97 EUR (brutto) und für Erdgas von 929,93 EUR (brutto) nebst einer Verbrauchsforderung von 745,48 EUR, insgesamt also - einschließlich Mahn- und Inkassokosten - die Übernahme eines Betrag von 3.413,38 EUR.

4

Durch Bescheid vom 28. Januar 2009 lehnte die Antragsgegnerin das mit der Begründung ab, die Aufwendungen für Strom seien in den Regelleistungen gem. § 20 SGB II enthalten und dürften nicht aufgestockt werden; auch Nachzahlungsbeträge könnten grds. nicht übernommen werden. Hiergegen ist Widerspruch eingelegt worden.

5

Durch Bescheid ebenfalls vom 28. Januar 2009 teilte die Antragsgegnerin jedoch mit, dass hinsichtlich der Heizkosten - bei Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung (222,84 EUR / 18,57 mtl.) - ein berücksichtigungsfähiger Betrag von 707,09 EUR in Betracht komme, auf den bereits Abschläge in Höhe von 657,60 EUR gewährt worden seien. Der verbleibende Rest von 49,49 EUR werde als Beihilfe übernommen und auf das Konto des Energieversorgers überwiesen. Auch hiergegen ist Widerspruch eingelegt worden.

6

Am 2. März 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Begründung, die Antragstellerin zu 1) habe zunächst ihrem Energieversorgungsunternehmen den Zutritt zu ihrem Stromzähler zwecks Stromsperre verweigert, sei jedoch inzwischen zivilrechtlich (Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 2. Februar 2009 - 39 CV 559/08 - ) verurteilt worden, solchen Zugang zu dulden. Durch Schreiben des Energieversorgungsunternehmens vom 27. Februar 2009 sei ihr nun angekündigt worden, dass am 5. März 2009 zwischen 9.oo und 10.oo Uhr die Unterbrechung der Anschlussnutzung vorgenommen werde, was nur durch einen Bareinzahlungsbeleg über den inzwischen aufgelaufenen Betrag von 3.705,45 EUR verhindert werden könne. Sie könnten den geforderten Betrag jedoch nicht leisten, da die beiden schulpflichtigen Kinder erhebliche Kosten verursachten (Kleidung, Verpflegung usw.). Die Wohnungsmiete belaufe sich auf 620 EUR kalt / 707 EUR einschließlich Nebenkosten. Der an das Energieversorgungsunternehmen zu zahlende Monatsabschlag betrage jetzt 224,- EUR. Eine Stromsperre sei bei den Antragstellern dem Verlust der Unterkunft gleichzusetzen. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Pauschalierung bei den Heizkosten und der Vorhalt einer zu teueren Wohnung sei rechtswidrig und kein Grund, die Stromkostenübernahme vorzuenthalten.

7

Die Antragsteller beantragen,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellern die Stromnachzahlung und -forderung in Höhe von EUR 3.705,45 als Darlehen an die E.ON Avacon AG zu zahlen und zur Vermeidung eines weiteren einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, die Kosten der Unterkunft vor dem Hintergrund der Rechtsauffassung des Gerichts und vor dem Hintergrund der neuen Vorauszahlungen über die Heizkosten, die Gegenstand der Akte der Antragsgegnerin sind, zu bewilligen und zu berechnen.

8

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

9

Sie ist der Auffassung, sie habe für den Abrechnungszeitraum anteilig die gesamten Heizkosten übernommen und sie habe daneben die aufgelaufenen Stromkosten, die den weitaus größeren Teil des Nachzahlungsbetrages ausmachten, nur noch nach Ermessen zu zahlen. Derzeit zahle sie für den Gasverbrauch der Antragsteller (Heizung) unter Abzug eines Warmwasseranteils einen Abschlagsbetrag von 78,43 EUR mtl, jedoch keinerlei Abschläge für Strom. Eine Übernahme der aufgelaufenen Stromkosten sei auch nicht gerechtfertigt. Denn eine dauerhafte Beseitigung der Sperre und die Vermeidung weiterer Schulden sei nicht absehbar. Das Ermessen werde daher zu Lasten der Antragsteller ausgeübt. Diese hätten die erforderlichen Abschlagszahlungen in der Erwartung nicht geleistet, der zuständige Träger der Leistungen werde sie schon eines Tages übernehmen. Auch lasse die Höhe des Stromverbrauchs auf ein unwirtschaftliches Verhalten schließen: Anders lasse sich der sehr hohe Verbrauch nicht erklären. Schließlich wohnten die Antragsteller auch in einer zu teueren Wohnung (Miete von 707,- EUR), da die Antragsteller als 4-Personen-Haushalt nur eine solche mit einer Miete von 545,- EUR als angemessen bewohnen könnten. Ein erhöhter Bedarf für Wohnraum sei von den Antragstellern nicht vorgetragen worden.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Vorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

11

II.

Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat im Wesentlichen Erfolg.

12

Der Antrag ist als solcher auf Erlass einer Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) mit dem Ziel der Gewährung eines Darlehens seitens der Antragsgegnerin auszulegen, da nur eine solche Anordnung vorliegend in Betracht kommt. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis einstweilige Anordnungen erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile "nötig" erscheint. Dazu sind gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO der vom Antragsteller geltend gemachte Anordnungsanspruch und daneben ein Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit, glaubhaft zu machen. Gemäß § 86 b Abs. 3 SGG ist ein solcher Antrag ohne Bindung an eine Frist auch schon vor Klageerhebung zulässig. Die Durchführung eines Vorverfahrens ist nicht notwendig (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz-Kommentar, 7. Auflage 2002, Rn. 26 zu § 86b SGG).

13

Steht dem Antragsteller ein geltend gemachter Anspruch zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens noch abzuwarten, so hat der Antragsteller Anspruch auf die begehrte Leistung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - bei Unüberschaubarkeit der Sach- und Rechtslage aufgrund einer Folgenabwägung (LSG Nds.-Bremen , Beschl. v. 2.10.2008 - L 7 AS 463/08 ER - ; BVerfG NVwZ 2005, 927 f.).

14

1.

Ein Anordnungsanspruch ergibt sich hier aus § 22 Abs. 5 SGB II. Er ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung, für die der Sachverhalt unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens von Amts wegen zu klären ist, zu der Überzeugung gelangt, dass eine Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass den Antragstellern ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und sie deshalb in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren - soweit schon überschaubar - voraussichtlich Erfolg haben würden. Das ist hier der Fall.

15

Nach § 22 Abs. 5 SGB II können nämlich, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen gem. § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II regelmäßig übernommen werden, wenn das gerechtfertigt und notwendig ist und andernfalls Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Hierunter fällt auch die Übernahme von Energiekostenrückständen (vgl. Berlit in LPK - SGB II, Rdnr. 116 zu § 22). Die bei der Ermessensentscheidung im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigenden Umstände, wie Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, die Zusammensetzung des von der eventuellen Energiesperre bedrohten Personenkreises und die Möglichkeiten sowie die Zumutbarkeit einer anderweitigen Energieversorgung, das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten, insbesondere Bemühungen, das Verbrauchsverhalten einzuschränken bzw. angemessen anzupassen und ein Selbsthilfewillen (vgl. hierzu Berlit LPK - SGB II Rdnr. 118 zu § 22 SGB II) können im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch nicht derart umfassend wie in einem Verfahren der Hauptsache geprüft und geklärt werden, da sie sich regelmäßig nicht vollständig den Verwaltungsakten entnehmen lassen. Ein sozialwidriges, unwirtschaftliches und die Möglichkeiten der Selbsthilfe ignorierendes Verhalten, welches das Ermessen der Antragsgegnerin prägen könnte, liegt hier jedenfalls nicht offensichtlich zutage (vgl. dazu SG Hannover v. 19.12.2005 - S 51 SO 741/05 ER), hat somit außer Betracht zu bleiben - zumal ein etwa unwirtschaftliches Verhalten der Antragsteller vom Träger der Leistung nachzuweisen wäre (LSG Nds.-Bremen , Beschl. v. 2.10.2008 - L 7 AS 463/08 ER - ).

16

Im vorliegenden Fall ist das Ermessen der Antragsgegnerin daher auf die Gewährung des Darlehens reduziert: Denn das Ermessen des Leistungsträgers nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II ist - jedenfalls soweit Wohnungslosigkeit bzw. eine der Wohnungslosigkeit doch sehr nahe kommende Notlage durch Verlust der Energieversorgung droht - unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen dahingehend stark eingeschränkt, dass der Leistungsträger in der Regel auch entsprechende Schulden zu übernehmen hat und lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon noch abweichen kann (vgl. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2007 - L 28 B 2169/07 AS ER - vgl. [...]). Eine erhebliche Einschränkung des Ermessens ergibt sich zusätzlich daraus, dass die Bedarfsgemeinschaft - wie vorliegend - minderjährige Mitglieder hat, die besonders schutzbedürftig sind (Art. 6 GG, vgl. den o.g. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2007). Anhaltspunkte für einen atypischen Fall liegen hier nicht vor und sind für das Gericht nicht ersichtlich. Das Darlehen ist somit zu gewähren.

17

2.

Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Er ist gegeben, wenn ein Antragsteller glaubhaft machen kann, dass ihm wesentliche - insbesondere irreparable - Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung durch eine einstweilige Anordnung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile nötig erscheinen lassen.

18

Dahinstehen kann hier, ob die Voraussetzungen des § 19 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV) vorliegen, demgemäß die Stromversorgungsunternehmen verpflichtet sind, eine Unterbrechung der Grundversorgung vier Wochen vor Beginn der Maßnahme anzudrohen, § 19 Abs. 2 S. 1 StromGVV (vgl. dazu Beschluss des SG Lüneburg vom 10.4.2008 - S 27 AS 410/08 ER -). Jedenfalls ist hier die Regelung eingehalten worden, dem Kunden einen Beginn der Unterbrechung drei Werktage im Voraus anzukündigen, § 19 Abs. 3 StromGVV (Bl. 32 GA). Zudem haben die Antragsteller sich im zivilrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren erfolglos zu wehren versucht (Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 2. Februar 2009 - 39 CV 559/08 - ) und danach sehr kurzfristig eine schriftliche Ankündigung ihres Versorgungsunternehmens über eine bevorstehende Anschlussunterbrechung erhalten.

19

Zwar hat dann nach einer telefonischen Rücksprache des Gerichts mit dem Außendienstmitarbeiter am 4. März 2009 der Stromversorger schriftlich mitgeteilt, dass die für den 5. März 2009 angekündigte Sperrung zunächst bis zum 27. März 2009 ausgesetzt werde, aber damit ist auf die Stromsperre nicht etwa endgültig verzichtet worden: Es ist nämlich gleichzeitig erneut eine Sperre für den 30. März 2009 (9.00 bis 10.00 Uhr) angekündigt worden, so dass die Gefahr einer der Wohnungslosigkeit sehr nahe kommenden Situation durch Sperrung der Stromzufuhr keineswegs weggefallen ist. Der Prävention von Wohnungslosigkeit durch Schuldenübernahme (§ 22 Abs. 5 SGB II) ist hier somit Rechnung zu tragen, wobei die faktische Unbewohnbarkeit einer Wohnung (infolge Sperrung der Energiezufuhr) bereits dem Verlust der Wohnung - der Wohnungslosigkeit - gleich zu achten ist (Berendes, info also 2008, 151; Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB II, 2008, § 34 SGB XII Rz. 3; Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rn 116). Diesen Wohnungsverlust noch abzuwarten hält das Gericht, gerade auch angesichts der mit der Antragstellerin zu 1) zusammen lebenden kleinen Kinder, für nicht zumutbar, zumal die Antragsteller nicht mehr auf ein zivilrechtliches Vorgehen verwiesen werden können (Berlit, NDV 2006, 5, 26

20

3.

Die Übernahme der Stromkosten kann von flankierenden Maßnahmen abhängig gemacht werden, die dem Auflaufen weiterer Rückständen entgegenwirken, z.B. der Einwilligung in die Direktüberweisung von Vorauszahlungen an das Energieversorgungsunternehmen (vgl. dazu Berlit in LPK - SGB II, Rdnr. 1178 zu § 22; Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2007, a.a.O.). Das Gericht macht vorliegend von der in § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, zum Erreichen des Zwecks der Regelungsanordnung diese von einer Mitwirkungshandlung der Antragsteller abhängig zu machen. Die dauerhafte Versorgung mit Strom und damit der Erhalt der Wohnung, der Zweck der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II sein muss, kann nur erreicht werden, wenn die Antragsteller bereit sind, einer Erbringung der Stromkosten als Sachleistung durch direkte Überweisung der Abschlagszahlungen an den Stromversorger zuzustimmen und so ein weiteres Verfahren darüber, ob der zuständige Träger dazu auch ohne ihre Zustimmung berechtigt wäre, zu vermeiden. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 SGB II bzw. des § 22 Abs. 4 SGB II dürften nach Auffassung des Gerichts vorliegen, da die Antragsteller in der Vergangenheit nicht einmal Teile der geschuldeten Abschlagszahlungen an den Stromversorger überwiesen und es damit haben darauf ankommen lassen, dass der Antragsgegner angesichts der Notlage, in welche die Bedarfsgemeinschaft einschließlich der Kinder damit gebracht wird, gezwungen ist, die aufgelaufenen Schulden im Nachhinein zu übernehmen (vgl. die Begründung im zitierten Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.12.2007). Darüber hinaus ergeben sich aus den Akten keine durchgreifenden Bemühungen der Antragsteller, etwa durch Ratenzahlungen oder in sonstiger Weise, der Notlage abzuhelfen. Das Gericht hält es daher für angemessen, dass die Antragsteller sich bereit erklären, die Abschlagszahlungen direkt an den Stromversorger überweisen zu lassen. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hält das Gericht es weiterhin für angemessen, dass vor einer Abklärung, ob hier ein unwirtschaftliches Verhalten der Antragsteller hinsichtlich des Stromverbrauchs vorliegt, die Abschlagszahlungen von den Antragstellern aus der Regelleistung erbracht werden, weil grundsätzlich der Haushaltsstrom ein von der Regelleistung umfasster Bedarf ist.

21

Mangels gesetzlicher - und bei Zuerkennung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes mangels vertraglicher - Regelung der Rückzahlung des vom zuständigen Träger zu erbringenden Darlehens ist die hier getroffene Anordnung zum Schutz der Interessen des Antragsgegners mit der Verpflichtung zu einer Rückzahlung in Höhe von 50,- EUR pro Monat zu verknüpfen. Da die Leistungen für Heizung (Gas) bereits - unter Abzug des Anteils an Warmwassser (18,57 EUR mtl.) - vollständig an den Energieversorger abgeführt werden, stehen diese zur Rückzahlung des Darlehens nicht zur Verfügung. Das Gericht hält daher in Anlehnung an § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II eine Rückzahlung des Darlehens aus der Regelleistung für grundsätzlich angemessen.

22

4.

Soweit die Antragsteller noch eine Bewilligung und Berechnung der Kosten der Unterkunft erreichen wollen, fehlt es an einem Anordnungsgrund und damit an der erforderlichen Dringlichkeit: Über die entsprechenden Widersprüche der Antragsteller ist noch nicht entschieden, eine den Antragstellern günstigere Berechnung durch die Antragsgegnerin noch denkbar und möglich. Das geht dem gerichtlichen Rechtsschutz vor.

23

Allerdings sei hervorgehoben, dass die Festsetzung der "abstrakten" Angemessenheitsgrenze nach der aus Sicht der Kammer in Rechtsprechung und Literatur (vgl. insbesondere Berlit in: LPK-SGB XII a.a.O., Rz. 35 m.w.N.) fast ausschließlich vertretenen sogenannten "Produkttheorie" zu erfolgen hat, der sich das BSG in verschiedenen Entscheidungen (u.a. Urteil vom 07.11.2006, Az: B 7 b AS 7/07 R) angeschlossen hat. Bezugsgröße für die abstrakte Angemessenheit des Grundmietzinses ist danach das Produkt aus der für den oder die Betroffenen angemessenen Quadratmeterzahl und einem als angemessen anzusehenden Quadratmeterpreis. Eine Kombination einzelner Faktoren wie Wohnungsgröße oder Quadratmeterpreis ist abzulehnen (so noch BVerwG FEVS 55, 121). Somit kommt es allein auf das Gesamtergebnis (Produkt) an. Denn Zweck der Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (wie auch des § 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II) ist nur die Kostenbegrenzung für den Leistungsträger. Wer in einer nach den Maßstäben des SGB XII zu großen Wohnung lebt, kann dennoch angemessene Kosten der Unterkunft haben, wenn der Quadratmeterpreis besonders niedrig ist. Ebenso kann eine pro Quadratmeter zu teuere Wohnung noch insgesamt angemessen sein, wenn sie kleiner ist als für die Zahl der Bewohner eigentlich angemessen.

24

Im Rahmen der zweiten Stufe, d.h. bei der Prüfung, ob den Antragstellern zu dem (abstrakt, s.o.) als angemessen angesehenen Grundmietzins eine Wohnung auch tatsächlich konkret verfügbar gewesen wäre, sind hier noch Klärungen erforderlich. Insoweit ist offen, ob auf dem hier relevanten Wohnungsmarkt für die Antragsteller eine kostenangemessene und bedarfsgerechte 4-Zimmer-Wohnung von wohl höchstens 85 bis 90 qm anmietbar war bzw. ist (vgl. Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rn. 28).

25

Soweit von den Antragstellern eine Regelungsanordnung ohne die auferlegten Beschränkungen beantragt wurde, ist der Antrag unbegründet und daher abzulehnen.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.