Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 20.10.2009, Az.: S 12 SF 171/09 E
besonderer Erfolg; einstweiliger Rechtsschutz; Erledigungsgebühr; Grundsicherung; Honorierung; Prozesskostenhilfe; Rechtsanwaltsgebühr; Vergütung; zusätzliche Honorierung
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 20.10.2009
- Aktenzeichen
- S 12 SF 171/09 E
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 50558
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs 1 RVG
- § 45 Abs 1 RVG
- Nr 1005 RVG
- Nr 1006 RVG
Tenor:
Die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 07. August 2009 gegen den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 30. Juli 2009 - S 69 AS 487/09 ER - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf zusätzliche Festsetzung einer Erledigungsgebühr aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg geltend, in dem um die Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) gestritten wurde und das sich durch den Erlass bewilligender Verwaltungsentscheidungen und die Abgabe entsprechender Prozesserklärungen erledigte. In einem weiteren Erinnerungsverfahren stritten die Beteiligten bereits um die Höhe des Gesamtvergütunganspruches, den die Kammer mit Beschluss vom 20. Oktober 2009 - S 12 SF 115/09 E - unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 170,00 € nebst Umsatzsteuer und Auslagenpauschale endgültig auf einen Betrag in Höhe von 226,10 € festgesetzt hat; den Antrag auf Gewährung einer Erledigungsgebühr hat der Erinnerungsführer erst im Rahmen des genannten - vorherigen - Erinnerungsverfahrens gestellt.
Die Erinnerung bleibt erfolglos.
Der beigeordnete Rechtsanwalt ist im Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) allein erinnerungsbefugt (vgl. etwa Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 56, Rdn. 6); das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Die danach gemäß § 56 Abs. 1 RVG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 27. Mai 2009 - S 69 AS 487/09 ER - erhobene Erinnerung des Erinnerungsführers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle es zu Recht abgelehnt, eine Erledigungsgebühr festzusetzen. Zur Begründung seiner Entscheidung nimmt das Gericht gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen. Der Urkundsbeamte hat den gebührenrechtlichen Sachverhalt vollständig und rechtsfehlerfrei gewürdigt.
Nur im Hinblick auf das Vorbringen des Erinnerungsführers im Kostenfestsetzungs- und im Erinnerungsverfahren weist die Kammer noch ergänzend auf Folgendes hin:
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach hat der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Verfahren handelt, in dem um die Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 55, Rdn. 29). Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift („vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris). Für jede Rahmengebühr ist dabei eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.
Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.
Die von dem Erinnerungsführer geltend gemachte Erledigungsgebühr nach Nr. 1005/1006 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG -, für die ein Gebührenrahmen von 30,00 € bis 350,00 € vorgesehen wäre, ist nicht angefallen.
Ob die von dem Erinnerungsführer vorgenommene „Nachliquidation“ in der hier vorgenommenen Art und Weise überhaupt möglich ist, nachdem er sein anwaltliches Gebührenbestimmungsrecht bereits einmal (verbindlich) ausgeübt hatte, kann die Kammer offen lassen. Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen für den Anfall der Erledigungsgebühr nicht vor: Diese Gebühr kann der Rechtsanwalt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung der Kostenkammer des Sozialgerichts Lüneburg (vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 27. April 2009, - S 12 SF 38/09 E -, zitiert nach juris) regelmäßig nur dann verdienen, wenn er sich mit seinem Mandanten auseinandersetzt und überzeugend auf ihn einwirkt, sich mit einem Weniger zufrieden zu geben, als er ursprünglich begehrt hatte. Hierin, in der Vermeidung eines weitergehenden Verfahrens trotz Nichterreichen des Gewollten, liegt der besondere Erfolg des Rechtsanwalts, der durch die Erledigungsgebühr zusätzlich honoriert werden soll. Ferner kommt die Zuerkennung der Erledigungsgebühr dann in Betracht, wenn der Prozessbevollmächtigte den Rahmen der seiner Mandantschaft obliegenden Mitwirkungspflicht - etwa durch Beschaffung neuer Beweismittel - überschreitet und so zur Gesamterledigung beiträgt (vgl. hierzu insbesondere Bundessozialgericht, Urteil vom 02. Oktober 2008, - B 9/9a SB 5/07 R = ASR 2009, S. 53 ff. mit Anmerkung Schafhausen sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 05. Mai 2009, - B 13 R 137/08 R -, jeweils zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Weder ist der Antragsteller von seinem ursprünglichen Begehren (auch nur ansatzweise) abgerückt, noch hat der Erinnerungsführer den Rahmen der seiner Mandantschaft obliegenden Mitwirkungspflicht überschritten. Vielmehr hatte die Antragsgegnerin in dem dem Erinnerungsverfahren zugrunde liegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren bereits ein (konkludentes) Anerkenntnis abgegeben, das lediglich noch der Umsetzung bedurfte. Die bloße Anmahnung der Übersendung der in Aussicht gestellten bewilligenden Entscheidungen ist mit keiner der oben näher umschriebenen anwaltlichen Tätigkeit vergleichbar, die die Zuerkennung der Erledigungsgebühr rechtfertigt. Vielmehr ist die von dem Erinnerungsführer zur Rechtfertigung der begehrten Erledigungsgebühr näher beschriebene anwaltliche Tätigkeit nach Auffassung der Kammer über den im parallelen Erinnerungsverfahren nunmehr festgesetzten Gesamtvergütungsanspruch hinreichend vergütet. Soweit der Erinnerungsführer zur Untermauerung seines Ansinnens auf eine Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. August 2008 - L 6 B 327/08 AS-KO - verweist, vermag diese aus den dargestellten Gründen nicht zu überzeugen; im Übrigen berücksichtigt sie auch nicht die erst danach ergangene - oben zitierte - Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF; Beschluss vom 21. Februar 2007, - L 7 B 1/07 AL SF; Beschluss vom 01. März 2007, - L 4 B 66/05 KR; Beschluss vom 14. Juni 2007, - L 13 B 4/06 AS SF; Beschluss vom 26. Oktober 2007, - L 14 B 1/06 SF; Beschluss vom 17. Oktober 2008, - L 13 B 4/08 SF; Beschluss vom 30. Oktober 2008, - L 1 B 2/08 R SF; Beschluss vom 09. Juni 2009, - L 13 B 1/08 SF; Beschluss vom 06. Juli 2009, - L 6 SF 44/09 B sowie Beschluss vom 29. September 2009, - L 6 SF 124/09 B (AS)).