Sozialgericht Stade
Beschl. v. 02.11.2009, Az.: S 34 SF 29/09 E

Allein die Möglichkeit einer Entscheidung durch mündliche Verhandlung im sozialgerichtlichen Eilverfahren rechtfertigt eine Terminsgebühr i.S.d. Nr. 3106 VV RVG nicht; Terminsgebühr i.S.d. Nr. 3106 VV RVG im Rahmen einer Entscheidung durch mündliche Verhandlung im sozialgerichtlichen Eilverfahren bzw. einstweiligen Rechtsschutz; Entscheidungsbefugnis des Sozialgerichts bei Nichtannahme eines Anerkenntnisses auch ohne mündliche Verhandlung; Bemessung der sog. Rahmengebühr bzw. Mittelgebühr

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
02.11.2009
Aktenzeichen
S 34 SF 29/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 38631
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2009:1102.S34SF29.09E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 17.12.2008

Tenor:

Die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren. Die Erinnerungsführerin macht die Festsetzung einer höheren Verfahrensgebühr sowie einer Terminsgebühr geltend.

2

Soweit die Erinnerungsführerin eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG wegen Erledigung des Verfahrens durch angenommenes Anerkenntnis geltend macht, geht das Gericht davon aus, dass die Gebühr nach dieser Ziffer dazu dient, die Gerichte zu entlasten und zu diesem Zweck unnötige Verhandlungstermine zu vermeiden. Diesen Zweck kann diese Vorschrift im sozialgerichtlichen Eilverfahren jedoch nicht erfüllen, weil das Sozialgericht auch bei Nichtannahme eines Anerkenntnisses jederzeit ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann. Allein die Möglichkeit einer Entscheidung durch mündliche Verhandlung im Eilverfahren zwingt nicht dazu Nr. 3106 VV RVG zur Entlastung der Gerichte auf dieses Verfahren anzuwenden (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. September 2009 - L 13 B 15/08 R; SG Lüneburg, Beschluss vom 30. September 2009 - S 12 SF 182/09 E; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. September 2009 - L 1 B 158/09 SK E; VG Bremen, Beschluss vom 07. August 2009 - S 4 E 1038/09).

3

Zutreffend ist die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle davon ausgegangen, dass die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe der 3/4-Gebühr festzusetzen ist. Die festzusetzende Verfahrensgebühr beträgt insoweit unter Berücksichtigung des Gebührenrahmens von 40,- bis 460,- EUR und der daraus folgenden Mittelgebühr von 250,- EUR insgesamt 187,50 EUR.

4

Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

5

Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rn 11).

6

Vorliegend ist die Urkundsbeamtin der Gebührenbemessung der Rechtsanwältin richtiger Weise nicht gefolgt, da nach den Kriterien des§ 14 RVG eine Qualifikation der Angelegenheit als durchschnittlich nicht zu rechtfertigen ist. Die von der Rechtsanwältin getroffene Bestimmung der Gebühr ist unbillig iSv § 14 RVG.

7

Die Bedeutung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens für die Antragstellerin wird von der Kammer als allenfalls leicht überdurchschnittlich eingestuft, da es für die Antragstellerin nicht um die Gewährung laufender existenzsichernder Leistungen ging. Berücksichtigt werden muss dagegen vor allem, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit deutlich unterdurchschnittlich war. Es wurde lediglich eine knappe Antragsbegründung, ergänzt durch eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin, vorgelegt. Darüber hinaus wurde lediglich das Verfahren für erledigt erklärt. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit kann allenfalls als knapp durchschnittlich angesehen werden, die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Antragstellerin sind deutlich unterdurchschnittlich.

8

Bei einer Gesamtbetrachtung aller Kriterien des § 14 RVG ist demzufolge die Entscheidung der Urkundsbeamtin nicht zu beanstanden. Da die Gebührenbestimmung der Rechtsanwältin mehr als 20% von der vom Gericht für angemessen gehaltenen Gebühr abweicht, ist von einer unbilligen und damit einer nicht verbindlichen Gebührenbestimmung auszugehen (Gerold/Schmidt-Mayer, a.a.O. Rn 12).

9

Die Entscheidung ist endgültig, § 197 Abs. 2 SGG.