Sozialgericht Stade
Beschl. v. 03.08.2009, Az.: S 34 SF 110/08
Anforderungen an die Billigkeit einer gem. § 14 Abs. 1 S. 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmten Gebühr
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 03.08.2009
- Aktenzeichen
- S 34 SF 110/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19131
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0803.S34SF110.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 RVG
- § 14 RVG
- Nr. 3102 VV RVG
Tenor:
Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 30. September 2008 geändert.
Die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 711,62 EUR festgesetzt.
Gründe
Streitig ist die Höhe erstattungsfähiger Rechtsanwaltsgebühren.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Nicht zutreffend hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG lediglich in Höhe von 250,00 EUR festgesetzt. Von der Beklagten zu erstatten ist eine Verfahrensgebühr in Höhe von 345,00 EUR.
Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rn 11).
Vorliegend ist die Urkundsbeamtin der Gebührenbemessung des Rechtsanwalts zu Un-recht nicht gefolgt, da nach den Kriterien des § 14 RVG die Angelegenheit als überdurchschnittlich zu qualifizieren ist, so dass eine Erhöhung der Mittelgebühr gerechtfertigt ist. Die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebühren ist insoweit nicht unbillig i.S. von § 14 RVG.
In den sozialgerichtlichen Verfahren, die die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung dem Grunde nach betreffen, können in der Regel abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles Rahmengebühren i.S. von § 14 RVG beginnend ab der Mittelgebühr bis - im Einzelfall - zur Höchstgebühr gerechtfertigt sein und damit dem billigem Ermessen entsprechen. Dabei kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung des Rechtsstreits für den Fall, dass die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung dem Grunde nach streitig ist, als überdurchschnittlich einzustufen ist. Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt glaubhaft dargelegt hat, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zumindest leicht überdurchschnittlich gewesen ist. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass Besprechungstermine, die auf Wunsch des Klägers stattfinden, nicht automatisch einen überdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit begründen, da sich der Rechtsanwalt die Anzahl der Besprechungstermine nicht unabhängig von der Notwendigkeit dieser vom Mandanten diktieren lassen braucht. Auch regelmäßige Sachstandsanfragen des Klägers beim Rechtsanwalt reichen sicher nicht aus, um einen überdurchschnittlichen Umfang anwaltlicher Tätigkeit zu begründen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers sowie die Verfahrensdauer können als durchschnittlich angesehen werden. Nach alledem hält es das Gericht für gerechtfertigt, vorliegend eine Verfahrensgebühr, die ausgehend von der Mittelgebühr um 20% erhöht wird, anzusetzen. Gerechtfertigt ist danach eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VVRVG in Höhe von 300,00 EUR.
Bei einer Gesamtbetrachtung aller Kriterien des § 14 RVG ist demzufolge die Kostenrechnung des Rechtsanwalts, nach der eine Verfahrensgebühr in Höhe von 345,00 EUR geltend gemacht wird, nicht zu beanstanden. Da die Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts nicht mehr als 20% von der vom Gericht für angemessen gehaltenen Gebühr abweicht, ist nicht von einer unbilligen und damit nicht verbindlichen Gebührenbestimmung auszugehen (vgl Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rn 12).
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die vom Rechtsanwalt angesetzte Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 228,00 EUR. Insoweit wird hinsichtlich der Kriterien des § 14 RVG auf obige Ausführung Bezug genommen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine mündliche Verhandlung von 47 Minuten stattgefunden hat. Eine Verhandlung von 47 Minuten liegt hinsichtlich der Dauer leicht über dem Durchschnitt eines sozialgerichtlichen Verfahrens.
Nach alledem berechnen sich die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 345,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 228,00 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 5,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 113,62 EUR
Gesamtsumme 711,62 EUR.
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.