Sozialgericht Stade
Beschl. v. 27.04.2009, Az.: S 1 KR 33/09 ER
Keine Gewährung der Zahlung von Krankengeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bei Fehlen der Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung; Gewährung der Zahlung von Krankengeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bei Fehlen derVoraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 27.04.2009
- Aktenzeichen
- S 1 KR 33/09 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 38935
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0427.S1KR33.09ER.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LSG Niedersachsen - AZ: L 4 KR 158/09 B ER
Rechtsgrundlage
- § 44 Abs. 1 SGB V
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin die Zahlung von Krankengeld.
Der im Juni 1955 geborene Antragsteller ist seit September 1987 bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Er war seit 1. Januar 1995 als Angestellter bei der D. GmbH beschäftigt. Das monatliche Nettoentgelt betrug etwa 2.374,00 EUR. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin war der Antragsteller in den Zeiträumen vom 6. bis zum 16. Juni 2006, vom 6. bis zum 16. März 2007 und vom 13. Juni 2007 bis zum 5. Januar 2009 arbeitsunfähig erkrankt. Dabei lagen der Arbeitsunfähigkeit folgende Erkrankungen zugrunde:
6. Juni 2006 bis 12. Juni 2006 Chronische Sinusitis 12. Juni 2006 bis 16. Juni 2006 Spondylolisthesis 6. März 2007 bis 16. März 2007 Spondylolisthesis 13. Juni 2007 bis 5. Januar 2009 Spondylolisthesis, Psoriasis
Aufgrund der Wirbelsäulenbeschwerden befand sich der Antragsteller in den Zeiträumen vom 2. bis zum 9. Oktober 2007, vom 3. bis zum 13. Januar 2008 und vom 4. bis zum 10. Mai 2008 in stationärer Krankenhausbehandlung. In der Zeit vom 21. August 2008 bis zum 24. September 2008 führte er eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation durch, aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde. Am 17. November 2008 diagnostizierte der Internist und Rheumatologe Dr. E. bei dem Antragsteller eine Psoriasisarthritis bei Psoriasis vulgaris. Daraufhin bescheinigte der Hausarzt F. Arbeitsunfähigkeit ab 24. November 2008.
Der Antragsteller bezog in der Zeit vom 14. Juli 2007 bis zum 20. August 2008 Krankengeld, in der Zeit vom 21. August 2008 bis zum 24. September 2008 Übergangsgeld und in der Zeit vom 25. September 2008 bis zum 24. November 2008 Krankengeld in Höhe von zuletzt 69,80 EUR/tgl. Seit 25. November 2008 bezieht er Arbeitslosengeld in Höhe von 55,56 EUR/tgl.
Im Februar 2009 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter Vorlage eines Auszahlscheins für Krankengeld vom 10. Februar 2009 die Zahlung von Krankengeld. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. Februar 2009 ab. Zur Begründung führte sie sinngemäß aus, der Anspruch auf Krankengeld sei erschöpft. Der Antragsteller habe bei einer Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit einen Anspruch auf Krankengeld nur für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren. Der Dreijahreszeitraum habe am 6. Juni 2006 begonnen. Die Antragsgegnerin habe bis 24. November 2008 Krankengeld gezahlt. Bei der Diagnose Psoriasisarthritis handele es sich nicht um eine neue Erkrankung. Der Antragsteller erhob am 2. März 2009 Widerspruch mit der Begründung, bei der Psoriasisarthritis handele es sich um eine neu aufgetretene Erkrankung. Unter dem 3. April 2009 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, der Dreijahreszeitraum habe am 12. Juni 2006 begonnen und werde am 11. Juni 2009 enden.
Am 27. Februar 2009 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er führt aus, ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Die Ablehnung der Zahlung von Krankengeld sei rechtswidrig. Ihm stehe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Krankengeld zu. Bei der von Dr. E. festgestellten Psoriasisarthritis bei Psoriasis vulgaris handele es sich um eine neu aufgetretene Erkrankung. Es handele sich um eine rheumatische Erkrankung, wohingegen am 13. Juni 2007 unter Bezeichnung der Diagnose Psoriasis eine Hauterkrankung festgestellt worden sei. Die neu aufgetretene Erkrankung löse einen neuen Krankengeldanspruch aus. Ein Anordnungsgrund liege vor. Der Antragsteller bestreite seine Existenzsicherung aus der Krankengeldleistung. Seine Existenz sei gefährdet, weil das Arbeitslosengeld niedriger als das begehrte Krankengeld sei. Ferner müsse er sich den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stellen. Deren ärztlicher Dienst habe mit Gutachten nach Aktenlage vom 26. Januar 2009 festgestellt, er sei vollschichtig arbeitsfähig. Der Antragsteller werde jedoch der Aufforderung der Agentur für Arbeit G., sich zu bewerben, nicht nachkommen.
Der Antragsteller beantragt nach seinem Vortrag im schriftlichen Verfahren,
im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller Krankengeld seit dem 10. Februar 2009 zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem Vortrag im schriftlichen Verfahren,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin macht im Wesentlichen geltend, es bestehe keine Eilbedürftigkeit, weil der Antragsteller seit 25. November 2008 Arbeitslosengeld beziehe. Als der Antragsteller am 13. Juni 2007 wegen Spondylolisthesis und Psoriasis-Arthropathie arbeits-unfähig geworden sei, seien in den Jahren zuvor bereits Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Erkrankung zu verzeichnen gewesen.
Das Gericht hat die Bewilligungsbescheide der Agentur für Arbeit Stade vom 9. Dezember 2008 und 27. Januar 2009 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
Soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 86b Abs. 2 S 1 SGG). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S 2 SGG). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen und eine Abwägung der betroffenen Interessen zugunsten des Antragstellers ausfällt. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn dem Antragsteller der zu sichernde Hauptsacheanspruch mit (durch Amtsermittlung oder Glaubhaftmachung nachgewiesener) überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn dem Antragsteller ohne Eilrechtsschutz mit (durch Amtsermittlung oder Glaubhaftmachung nachgewiesener) überwiegender Wahrscheinlichkeit erhebliche Rechtsverletzungen drohen. Das Gericht muss zudem eine Interessenabwägung durchführen und dabei insbesondere die Intensität einer drohenden Rechtsverletzung, ausnahmsweise entgegenstehende, überwiegende, besonders gewichtige Gründe sowie die hypothetischen Folgen bei Versagung bzw. Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Berücksichtigung einer eventuellen das Hautsacheverfahren erledigenden Wirkung der einstweiligen Anordnung beachten (Krodel in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching: BeckOK SGG § 86b Rn 67-67.2).
Danach liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung nicht vor.
Ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben. Anordnungsgrund ist bei der Regelungsanordnung die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Entscheidend ist, ob es bei einer Interessenabwägung nach den Umständen des Einzelfalls für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG § 86b Rn 27a-28). Im vorliegenden Fall ist es dem Antragsteller zuzumuten, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Der Antragsteller hat einen wesentlichen Nachteil nicht glaubhaft gemacht. Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm infolge der Nichtgewährung des Krankengeldes eine Gefährdung der Existenz droht, weil das Arbeitslosengeld nicht ausreicht, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der Antragsteller hat seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse weder umfassend dargelegt noch glaubhaft gemacht. Aus dem Akteninhalt ergibt sich zwar, dass der tägliche Leistungsbetrag beim Arbeitslosengeld geringer als beim Krankengeld ist. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Differenz eine gegenwärtige Notlage bewirkt.
Soweit der Antragsteller vorträgt, ein Anordnungsgrund sei immer dann gegeben, wenn dem Antragsteller ein schwerer Nachteil droht, und dieses sei dann anzunehmen, wenn die Entscheidung der Behörde offensichtlich rechtswidrig ist, ist darauf hinzuweisen, dass, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet ist, sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund zwar vermindern, auf einen Anordnungsgrund gleichwohl nicht verzichtet werden kann (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG § 86b Rn 29).
Ergänzend ist auszuführen, dass auch ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist. Dem Antragsteller steht nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Krankengeld zu. Nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4 SGB V, §§ 24, 40 Abs. 2 SGB V, § 41 SGB V) behandelt werden. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine gleichartige Tätigkeit nicht mehr verrichten kann oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern. Für den streitigen Zeitraum ab 10. Februar 2009 ist Arbeitsunfähigkeit weder glaubhaft gemacht noch ergibt sich das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit aus dem Akteninhalt. Eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit liegt nicht vor. Dem Bericht des Dr. E. vom 19. November 2008 ist nicht zu entnehmen, über welches Leistungsvermögen der Antragsteller verfügt und ob er mit diesem noch in der Lage ist, seine Arbeit zu verrichten. Das Leistungsvermögen des Antragstellers wurde nach seinen Angaben am 26. Januar 2009 durch den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit G. beurteilt. Nach dem Ergebnis der Begutachtung sei der Antragsteller arbeitsfähig.
Nach alledem kommt es darauf, ob es sich bei der am 17. November 2008 beim Antragsteller festgestellten Psoriasisarthritis bei Psoriasis vulgaris um eine neu aufgetretene Erkrankung handelt, nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.