Sozialgericht Stade
Beschl. v. 04.08.2009, Az.: S 34 SF 86/08
Mittelgebühr als Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr nach § 14 Abs. 1 S. 4 Rechtsanwaltvergütungsgesetz (RVG)
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 04.08.2009
- Aktenzeichen
- S 34 SF 86/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19110
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0804.S34SF86.08.0A
Rechtsgrundlagen
- §§ 3 ff. RVG
- § 14 Abs. 1 S. 4 RVG
Tenor:
Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 10. Juli 2008 wird geändert. Die dem beigeordneten Rechtsanwalt Hidde im Rahmen der Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen werden auf 1.120,27 EUR festgesetzt. Im Übrigen werden die Erinnerungen zurückgewiesen.
Gründe
Streitig ist die Höhe der aus der Landeskasse als Prozesskostenhilfe zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren.
Die zulässige Erinnerung des Erinnerungsführers (EF) ist unbegründet. Die zulässige Erinnerung des Anschlusserinnerungsführers ist zum Teil begründet.
Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr nach Nrn 3102, 1008 VV RVG iHv 272,- EUR festgesetzt. Der EF kann lediglich eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr geltend machen.
Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rdn 11).
Nach den Kriterien des § 14 RVG ist nur eine die Mittelgebühr begründende Qualifikation der Angelegenheit als durchschnittlich zu rechtfertigen. Die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebühren ist unbillig iSv § 14 RVG.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist als durchschnittlich zu bewerten. Im vorliegenden Verfahren ging es nicht um die Bewilligung von existenzsichernden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) dem Grunde nach. Vielmehr ging es um eine Erstattungsforderung, die der Beklagte gegenüber den Klägern geltend machte. Insoweit war der Lebensunterhalt der Kläger zu keiner Zeit unmittelbar gefährdet. Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit stellt sich als durchschnittlich dar. Der EF hat eine kurze Klagebegründung vom 16. Oktober 2007 verfasst. Darüber hinaus hat er mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 mitgeteilt, dass die Klage gegen den Widerspruchsbescheid fortgeführt werden solle. Schließlich hat er einen mehrseitigen Schriftsatz unter dem 16. April 2008 verfasst. Im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren ist dieser erkennbare Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit als absolut durchschnittlich anzusehen. Der EF hat auch nicht vorgetragen, dass vorliegend Besonderheiten zu berücksichtigen seien, die einen besonderen Umfang der Tätigkeit begründet hätten. Insbesondere kann der EF in diesem Zusammenhang nicht geltend machen, dass zwei Gerichtstermine in dem hier zugrunde liegenden Verfahren (sowie jeweils gleichzeitig im Verfahren S 17 AS 644/07) stattgefunden haben. Denn diese Tatsache wird bereits und ausschließlich im Rahmen der festzusetzenden Terminsgebühr gewürdigt. Auch die Schwierigkeit der Angelegenheit ist als durchschnittlich anzusehen. Bei den im vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Rechtsproblemen handelt es sich um typische Fragestellungen im Rahmen des SGB II. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger sind unterdurchschnittlich.
Da es sich danach in nahezu jeder Hinsicht um eine durchschnittliche Angelegenheit iSv § 14 RVG handelt, ist als Verfahrensgebühr die Mittelgebühr iHv 272,- EUR gerechtfertigt. Die von dem EF getroffene Bestimmung (600,- EUR) erweist sich als unbillig iSv § 14 Abs. 1 RVG.
Darüber hinaus kann der EF aufgrund der Tatsache, dass (in den zwei anhängigen Verfahren der Kläger) insgesamt zwei umfangreiche Gerichtstermine stattgefunden haben, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG wie beantragt iHv 380,- EUR geltend machen. Die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzte Terminsgebühr liegt mit 400,- EUR über der Maximalgebühr von 380,- EUR. Demzufolge war der Anschlusserinnerung insoweit stattzugeben.
Weiterhin ist die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG iHv 190,- EUR gerechtfertigt. Wie bereits dargelegt handelt es sich nach Maßgabe der Kriterien des § 14 RVG um eine in jeder Hinsicht durchschnittliche Angelegenheit. Demzufolge ist auch als Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG die Mittelgebühr mit 190,- EUR festzusetzen. Die Gebührenbestimmung des EF weicht mit mehr als 20% von der vom Gericht für angemessen gehaltenen Gebühr ab und ist daher unbillig und nicht verbindlich (vgl Gerold/Schmidt-Mayer a.a.O. Rdn 12).
Nach alledem bestimmen sich die von der Landeskasse zu erstattenden Gebühren wie folgt:
Verfahrensgebühr Nrn 3102, 1008 VV RVG | 272,- EUR |
---|---|
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG | 380,- EUR |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG | 190,- EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG | 20,- EUR |
Reisekosten Nr. 7003 VV RVG zur Hälfte | 44,40 EUR |
Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG zur Hälfte | 35,- EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 RVG | 178,87 EUR |
Summe: | 1.120,27 EUR |
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 178 SGG.