Sozialgericht Stade
Beschl. v. 03.08.2009, Az.: S 35 KO 2/09

Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "erforderliche Zeit" in § 8 Abs. 2 Justizvergütungsgesetz und Justizvergütungsentschädigungsgesetz (JVEG)

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
03.08.2009
Aktenzeichen
S 35 KO 2/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 19118
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2009:0803.S35KO2.09.0A

Tenor:

Die Vergütung der Antragstellerin für ihr Sachverständigengutachten vom 03. November 2008 wird auf 1.335,05 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin erstattete in dem unter dem Aktenzeichen S 9 R 38/05 geführten Klageverfahren auf die Beweisanordnung des Gerichts vom 07. Mai 2008 das angeforderte nervenärztliche Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 12. Juni 2008. Das Gutachten datiert vom 03. November 2008.

2

Mit Liquidation vom 03. November 2008 verlangte die Antragstellerin eine Gesamtvergütung von 1.477,85 EUR. Dieser Betrag errechnete sich wie folgt:

3

Aktenstudium 3,5 Std Untersuchung 2,0 Std Ausarbeitung 8,0 Std Diktat und Korrektur 6,5 Std Zeitaufwand für Anforderung weiterer Unterlagen/Anschreiben 0,5 Std gesamt 20,5 Std á 60,- EUR = 1.230,- EUR Mehrwertsteuer 19% 233,70 EUR Porto 14,15 EUR Gesamtsumme 1.477,85 EUR

4

Die Kostenbeamtin des Sozialgerichts setzte den Erstattungsbetrag am 12. November 2008 auf 1.263,65 EUR für folgende Positionen fest:

5

Aktenstudium 3,5 Std Untersuchung 2,0 Std Ausarbeitung 7,5 Std Diktat und Korrektur 4,5 Std Zeitaufwand für Anforderung weiterer Unterlagen/Anschreiben 0 Std gesamt 17,5 Std á 60,- EUR = 1.050,- EUR Mehrwertsteuer 19% 199,50 EUR Porto 14,15 EUR Gesamtsumme 1.263,65 EUR

6

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 01. Dezember 2008 die richterliche Festsetzung ihrer Vergütung beantragt.

7

Die Bezirksrevisorin hält die von der Kostenbeamtin vorgenommene Kürzung des Zeitaufwandes für Ausarbeitung, Diktat und Korrektur sowie besonderen Zeitaufwand für rechtmäßig.

8

II.

Der Antrag ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 JVEG zulässig. Die Vergütung war auf 1.335,05 EUR festzusetzen. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:

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Aktenstudium/Gutachtenvorbereitung 4,0 Std Untersuchung 2,0 Std Ausarbeitung 8,0 Std Diktat/Korrektur 4,5 Std gesamt 18,5 Std á 60,- EUR = 1.110,- EUR Mehrwertsteuer 19% 210,90 EUR Porto 14,15 EUR Gesamt 1.335,05 EUR

10

Im Einzelnen:

11

Der für die Erstattung des Gutachtens zu vergütende Zeitaufwand orientiert sich nach § 8 Abs. 2 JVEG an der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten. Dabei ist der unbestimmte Rechtsbegriff "erforderliche Zeit" auszulegen. Es kommt nicht auf die für die Gutachtenerstellung individuell aufgewandte Zeit an, sondern auf die Zeit, die ein Sachverständiger durchschnittlich benötigt. Zu den einzelnen Leistungsabschnitten eines Gutachtens gibt es langjährige Erfahrungswerte und Maßstäbe, die auch von dem erkennenden Gericht im Interesse der Gleichbehandlung aller Sachverständigen zugrunde gelegt werden, wobei im Einzelfall sachlich begründete und/oder geringfügige Überschreitungen hingenommen werden. Die erbrachte gutachterliche Leistung wird für die kostenrechtliche Überprüfung grundsätzlich aufgegliedert in die verschiedenen Leistungsabschnitte für Aktendurchsicht und gutachtenvorbereitende Arbeiten (1.), Erhebung der Vorgeschichte und Untersuchung/Befund (2.), Abfassung der Beurteilung (3.) sowie Diktat und Korrektur (4.) des Gutachtens. Insgesamt legt das Gericht entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin 18 als erforderlich anzusehende Stunden für den zu vergütenden Zeitaufwand zugrunde.

12

1.

Für den Leistungsabschnitt "Aktendurchsicht und gutachtenvorbereitende Arbeiten" kann die Antragstellerin 4 Stunden geltend machen. Nach der Rechtsprechung (vgl insoweit Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 - L 2/9 SF 82/04; LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 25. Januar 2006 - L 10 SF 9/05; Beschluss vom 31. Juli 2002 - Az: L 4 SF 6/01; Beschluss vom 01. Dezember 2003 - L 4 SF 11/03) wird für die Durchsicht von 100 Aktenblättern mit allgemeinem Inhalt und für die Durchsicht von 50 Aktenblättern medizinischen Inhalts im Regelfall jeweils 1 Stunde als erforderlich angesehen. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist im vorliegenden Fall ein Zeitaufwand von 4 Stunden für das Aktenstudium und die Vorbereitung des Gutachtens anzusetzen. Der Sachverständigen lag zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte mit allein 289 Seiten einschließlich drei Gerichtsgutachten vor. Von den gutachtenvorbereitenden Arbeiten umfasst ist im Übrigen auch der von der Antragstellerin geltend gemachte Aufwand zur Anforderung weiterer Unterlagen bzw. notwendige Anschreiben z.B. an das Gericht.

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2.

Die Antragstellerin hat den Kläger 2 Stunden untersucht. Dies ist vorliegend unstreitig, Erforderlichkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 JVEG liegt vor.

14

3.

Für die Ausarbeitung des Gutachtens sind 8 Stunden erforderlich i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG. Die Richtwerte für die Ausarbeitung der Beurteilung reichen von 0,8 bis 3 (Norm)Seiten pro Stunde (vgl Länderübersicht bei Widder/Gaidzik, Leistungsgerechte Vergütung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, MED SACH 2005, 127, 130 m.w.N.). Die Mehrheit der Landessozialgerichte geht von einem Zeitaufwand von 1 Stunde pro Seite aus. Dem schließt sich mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im vorliegenden Fall auch die hiesige Kammer an. Zu diesem Leistungsabschnitt werden Ausführungen des Sachverständigen gerechnet, die sachverständige Schlussfolgerungen in Bezug auf das Beweisthema und eine Auseinandersetzung mit den gestellten Beweisfragen enthalten (vgl Hessisches Landessozialgericht, a.a.O.). Die von der Antragstellerin angesetzten 8 Stunden sind unter dieser Maßgabe zu rechtfertigen.

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4.

Für das Diktat und die Korrektur des Gutachtens sieht das Gericht 4,5 Stunden als erforderlich i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG an. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass für 4 bis 6 Seiten des Gutachtens ein Zeitaufwand von 1 Stunde erforderlich ist (vgl LSG Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 25. Januar 2006 - Az: L 10 SF 9/05). Gründe, die ausnahmsweise eine abweichende Bemessung des Zeitaufwandes rechtfertigen könnten, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, so dass die Kammer einen Zeitaufwand für das 26 Seiten umfassende Gutachten in Bezug auf Diktat und Korrektur für erforderlich ansieht. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen vorliegend - anders als bei anderen Sachverständigengutachten, auch bei solchen der Antragstellerin, - für Diktat und Korrektur ein besonderer zeitlicher Aufwand notwendig gewesen ist.

16

Die Entscheidung ergeht kosten- und gebührenfrei, § 4 Abs. 8 JVEG.

17

Rechtsmittelbelehrung:

18

Gegen diesen Beschluss ist Beschwerde gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt.

19

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