Sozialgericht Stade
Beschl. v. 14.07.2009, Az.: S 19 SO 58/09 ER
Anspruch auf Übernahme einer Mietsicherheit als Darlehen sowie auf Gewährung einer Beihilfe zwecks Anschaffung einer Kücheneinrichtung
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 14.07.2009
- Aktenzeichen
- S 19 SO 58/09 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 20424
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0714.S19SO58.09ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs. 1 S. 7 SGB XII
- § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII
Fundstellen
- ZfF 2010, 251-253
- info also 2011, 46-47
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für den beabsichtigten Umzug nach Bremen vorläufig eine Mietsicherheit in Höhe von 880,00 EUR darlehensweise zu gewähren und ihr für die Übernahme einer Kücheneinrichtung vorläufig eine Beihilfe in Höhe von 350,00 EUR zu bewilligen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zu 3/4 zu erstatten.
Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Schumacher bewilligt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um Leistungen nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) im Zusammenhang mit einem geplanten Umzug der Antragstellerin.
Die am 19. Mai 1968 geborene Antragstellerin (AS) wohnt mit ihren beiden 1990 bzw. 2000 geborenen Kindern im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Von diesem erhält sie laufende Leistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Da ihre Tochter eine Ausbildung in Bremen absolviert, beabsichtigt sie, zum 1. August 2009 mit ihren Kindern dorthin umzuziehen und eine im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin (AG) belegene Wohnung anzumieten. Nach einem noch nicht unterzeichneten Mietvertrag wird sich die Miete für die aus 3 Zimmern bestehende, ca 70 qm große Wohnung auf 440,00 Euro und werden sich die monatlichen Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser auf 95,00 EUR pro Monat belaufen.
Der Beigeladene erklärte sich mit Bescheid vom 24. April 2009 bereit, für den Umzug Kosten iHv 150,00 EUR zu übernehmen.
Mit Schreiben vom 30. April 2009 beantragte die AS die Übernahme einer Mietsicherheit iHv 880,00 EUR, die Übernahme der Kosten für eine Kücheneinrichtung, welche sie für 350,00 EUR vom Vormieter erwerben möchte, sowie eine Beihilfe für die Durchführung einer Einzugsrenovierung bei der AG. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Mai 2009 ab mit der Begründung, für die beantragten Leistungen örtlich nicht zuständig zu sein. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 12. Juni 2009 zurück. Weiterhin teilte sie auf entsprechende Anfrage der AS mit Schreiben vom 23. Juni 2009 mit, dass die Kosten der zur Anmietung vorgesehenen Wohnung nicht als angemessen angesehen werden können.
Der Beigeladene lehnte einen bei ihm am 13. Mai 2009 gestellten Antrag auf Übernahme der Mietkaution, der Einzugsrenovierung und der Beihilfe zum Kauf der dort vorhandenen Einbauküche mit Bescheid vom 20. Mai 2009 ab. Nach seiner Auffassung ist er für diese Leistungen nicht zuständig, da der neue, örtlich zuständige Leistungsträger hierüber zu entscheiden habe.
Am 15. Juni 2009 hat die AS das vorliegende Eilverfahren eingeleitet, mit welchem sie bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die Gewährung der Mietsicherheit, angemessener Renovierungskosten sowie der Kosten für die Anschaffung der Kücheneinrichtung iHv 350,00 EUR begehrt. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2009 hat sie am 26. Juni 2009 Klage eingereicht.
Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2009 hat die AG erklärt, die Kosten für die zur Anmietung beabsichtigte Wohnung als angemessen anzusehen. Im Übrigen halte sie für Mietkaution, Renovierungskosten, Hausrat und Kücheneinrichtung den Beigeladenen als bisher zuständigen Träger der Sozialhilfe für zuständig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Verwaltungsakten der AG und der Beigeladenen, welche das Gericht beigezogen hat, verwiesen.
II.
1.
Der Antrag ist unzulässig, soweit von der AS die Feststellung der Angemessenheit des Mietzinses begehrt wird. Nachdem die AG zwischenzeitlich erklärt hat, die Kosten für die in Aussicht genommene Wohnung als angemessen anzusehen, besteht für eine gerichtliche Feststellung kein Rechtsschutzbedürfnis.
2.
Im Übrigen ist der Antrag zulässig und teilweise begründet.
Nach § 86b Abs. 2 S 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 m.w.N.). Die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie des Anordnungsgrundes - die Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung durch einstweiligen Rechtsschutz - sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung).
2.1.
Für die Übernahme der Mietsicherheit als Darlehen sowie für die Gewährung einer Beihilfe zwecks Anschaffung einer Kücheneinrichtung bestehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Gem § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII können Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zustimmung übernommen werden; Mietkautionen sollen als Darlehen erbracht werden. Die AS hat durch Vorlage eines Mietangebotes, in welchem sie als Mieterin ausgewiesen ist, hinreichend glaubhaft gemacht, bei Abschluss dieses Mietvertrages eine Kaution iHv 880,00 EUR leisten zu müssen, da nach § 21 des Mietvertrages der Mieter bei Beginn des Mietverhältnisses eine Kaution in dieser Höhe an den Vermieter zu zahlen hat. Ihre Absicht, nach Bremen umzuziehen zu wollen, hat sie an Eides statt versichert; die erforderliche Zustimmung für den Umzug wurde ihr vom Beigeladenen bereits erteilt. Umstände, welche ausnahmsweise die Gewährung der Mietsicherheit als Zuschuss anstelle der gesetzlich vorgesehenen Bewilligung als Darlehen rechtfertigen können, sind allerdings nicht ersichtlich.
Ferner besteht auch ein Anspruch auf Bewilligung einer Beihilfe für die Übernahme der Kücheneinrichtung vom Vormieter. Die Rechtsgrundlage hierfür befindet sich in § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII, wonach Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten gesondert erbracht werden. Die von der AS beanspruchte Kücheneinrichtung ist als eine derartige Erstausstattung anzusehen, da die AS bislang zwar über einen eigenen Hausstand, nicht jedoch über eine Kücheneinrichtung verfügt. Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII sind nicht nur Personen, die bisher keinen eigenen Haushalt geführt haben oder bei denen wegen außergewöhnlicher Umstände (Wohnungsbrand) eine Wohnung neu ausgestattet werden muss, zu gewähren, sondern auch dann, wenn der Bedarf an einzelnen Ausstattungs- oder Einrichtungsgegenständen erstmals auftritt (vgl BSG, Urteil vom 19.09.2008, Az: B 14 AS 64/07 R). Die AS hat vorgetragen und durch Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht, dass die Kücheneinrichtung in der bislang von ihr bewohnten Wohnung nicht ihr, sondern ihrem Vermieter gehört und sie für die neue, vermieterseits nicht entsprechend eingerichtete Wohnung die Kücheneinrichtung für 350,00 EUR vom Vormieter übernehmen kann. Hinsichtlich der Höhe der beantragten Beihilfe bestehen keine Bedenken. Damit besteht ein Bedarf für eine Erstausstattung und liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe in der geltend gemachten Höhe vor.
2.2.
Kein Anordnungsanspruch besteht hingegen für die Übernahme von Kosten der Einzugsrenovierung. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass aus Anlass des Einzugs in eine neue Wohnung anfallende Renovierungskosten als Bestandteil der Kosten der Unterkunft nach § 29 Abs. 1 SGB XII vom Träger der Sozialhilfe zu übernehmen sind. Wie im Bereich der Grundsicherung für Arbeitslose nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) setzt der Anspruch jedoch voraus, dass 1. eine Einzugsrenovierung erforderlich ist, um die Bewohnbarkeit der Unterkunft herzustellen, und 2. eine Einzugsrenovierung ortsüblich ist, weil keine renovierten Wohnungen in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen. Schließlich müssen 3. die in Ansatz gebrachten Renovierungskosten zur Herstellung des Standards einer Wohnung im unteren Wohnungssegment der Höhe nach erforderlich sein (vgl hierzu BSG, Urteil vom 16.12.2008, Az: B 4 AS 49/07 R). Weder ergibt sich aus dem Mietvertrag noch ist dem Vortrag der AS zu entnehmen, dass zur Herstellung der Bewohnbarkeit eine Einzugsrenovierung erforderlich ist. Weiterhin ist nicht vorgetragen, dass in Bremen keine Wohnungen zur Verfügung stehen, bei denen die Unterkunftskosten angemessen sind und die ohne Renovierung bezogen werden können. Angesichts der nicht dargelegten Voraussetzungen für eine Übernahme der Renovierungskosten kann offenbleiben, in welcher Höhe Renovierungskosten vorliegend angemessen wären.
2.3.
Für die Gewährung von Mietkaution und Erstausstattung ist die AG örtlich zuständig. Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten. Maßgebend für die Bestimmung des jeweils zuständigen Trägers ist jedoch nicht der Zeitpunkt, zu welchem die Leistungen beantragt werden, sondern der Zeitpunkt, zu dem der geltend gemachte Bedarf besteht. Dies ergibt sich daraus, dass Sozialhilfe dazu dient, gegenwärtige Notlagen zu beheben. Ab wann eine gegenwärtige Notlage angenommen werden kann, richtet sich dabei nach der jeweiligen Eigenart des geltend gemachten Bedarfs. Während dies bei Umzugskosten noch am bisherigen Wohnort der Fall ist, da der Umzug von dort aus begonnen wird, entsteht bei einer Erstausstattung wie auch bei einer Mietsicherheit der Bedarf erst mit Einzug in die neue Wohnung, da die Mietsicherheit erst zu Beginn des neuen Mietverhältnisses fällig und die Kücheneinrichtung erst mit dem Einzug in die neue Wohnung benötigt wird. Regelmäßig hat daher der für den bisherigen Aufenthaltsort zuständige Sozialhilfeträger die Kosten des Umzugs und der für den Zuzugsort zuständige Sozialhilfeträger die für die neue Wohnung entstehenden Kosten wie insbesondere Mietsicherheit, Einzugsrenovierung, Miete etc zu tragen (vgl nur Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.07.1998, Az: 4 L 1278/98 m.w.N.). An dieser, bereits unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) geltenden Rechtslage hat sich mit Einführung des SGB XII nichts geändert, da mit § 98 Abs. 1 SGB XII keine zu § 97 BSHG abweichende Zuständigkeitsregelung getroffen wurde. Demzufolge sind die hier streitgegenständlichen Leistungen von der AG zu erbringen, da sie am neuen Wohnort der AS örtlich zuständig ist.
2.4.
Soweit ein Anordnungsanspruch besteht, liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Wegen des bereits zum 1. August 2009 beabsichtigten Umzugs ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich. Im übrigen liegt auch keine Vorwegnahme der Hauptsache vor, da aufgrund der Rechtsnatur des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die beanspruchten Leistungen nur vorläufig, also unter dem Vorbehalt der Rückforderung, zugesprochen werden.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Soweit die AS mit ihrem Antrag erfolgreich war, sind ihr die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Dies gilt auch für den Antrag auf Feststellung der Angemessenheit des Mietzinses, da erst im Laufe des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die AG die Kosten für angemessen erklärt hat.
4.
Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO. Aus vorstehenden Gründen hatte die Rechtsverfolgung teilweise Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig. Aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist die AS nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen.