Sozialgericht Stade
Beschl. v. 16.04.2009, Az.: S 28 AS 184/09 ER
Geltendmachung eines Anspruchs auf Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) trotz Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes; Einordnung einer Wohngemeinschaft als Bedarfsgemeinschaft bei gleichzeitigem Umzug aller Mitbewohner von einer Stadt in eine andere i.R.d. Prüfung eines Anspruchs auf Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 16.04.2009
- Aktenzeichen
- S 28 AS 184/09 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19913
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0416.S28AS184.09ER.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LSG Niedersachsen - AZ: L 13 AS 149/09 B ER
- LSG Niedersachsen - AZ: L 13 AS 150/09 B
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG
- § 45 Abs. 1 SGB X
- § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 3 SGB X
- § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 16. März 2009 wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 16. März 2009 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin verfolgt das Ziel, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II durch den Antragsgegner zu erreichen.
Die Antragstellerin bewohnt als Mieterin eine Doppelhaushälfte in D ... Das Mietobjekt verfügt über drei Wohnräume, Küche, Bad, Gäste-WC sowie einen Hauswirtschaftsraum. Mit Mietvertrag vom 30. April 2008 hat die Antragstellerin davon ab 1. Juli 2008 zwei Kammern, eine Küche, Diele, ein Bad, eine Toilette und eine Toilette mit Bad/Dusche, insgesamt 55 qm, für eine monatliche Warmmiete von 260,00 EUR gemietet. Das Mietobjekt wird außerdem von dem Herrn E. bewohnt, der auf Grundlage eines Mietvertrags vom 13. August 2008 ab 1. September 2008 1,5 Zimmer, eine Küche, Diele, ein Bad und eine Toilette mit Bad/Dusche, insgesamt 45 qm, sowie den vorhandenen Carport für eine monatliche Warmmiete von 200,00 EUR gemietet hat. Beide Mietparteien schlossen am 14. August 2008 eine Zusatzvereinbarung über die Verteilung der Betriebskosten und die Abwicklung über die Antragstellerin. Nach Mitteilung des Vermieters vom 7. April 2009 wurden die zwei Mietverträge auf Wunsch der Antragstellerin erstellt. Die Aufteilung der Wohnung hätten die Parteien unter sich ausgemacht.
Die Antragstellerin und der Herr E. wohnten zuvor in F. seit Dezember 2004 in einer gemeinsamen Wohnung. Beide bezogen vor dem Umzug nach D. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ohne vom zuständigen Sozialleistungsträger als Bedarfsgemeinschaft behandelt zu werden. Der Umzug der Antragstellerin wurde ausweislich eines in der Verwaltungsakte des Antragsgegners vorhandenen Schreibens des bremischen Sozialleistungsträgers vom 9. Juni 2008 nicht genehmigt.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 26. Juni 2008 hin mit Bescheid vom 10. Juli 2008 und späteren Änderungsbescheiden Leistungen von Juli 2008 bis einschließlich Dezember 2008. Mit Bescheid vom 18. November 2008 bewilligte er Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009 iHv 424,74 EUR monatlich.
Am 21. August 2008 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner im Wege persönlicher Vorsprache mit Verhandlungsniederschrift mit, dass zum 1. September 2008 Herr E. bei ihr einzöge. Es handele sich um eine reine WG.
Dem Herrn E. bewilligte der Antragsgegner auf dessen Antrag hin mit Bescheid vom 19. November 2008 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. September 2008 bis 28. Februar 2009.
Am 26. November 2006 führte der Zentrale Prüfdienst des Antragsgegners einen unangekündigten Hausbesuch bei der Antragstellerin und Herrn E. durch. Im Bericht vom 5. Dezember 2008 (Bl 273 VwA) stellt der Mitarbeiter die Wohnverhältnisse dar und teilt u.a. mit, dass im o.g. in zwei Zimmern Doppelbetten mit kompletten Bettzeug ständen. Er beurteilt im Ergebnis, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe, da die Wohnbereiche nicht getrennt seien, das Inventar gemeinschaftlich benutzt werde und keine Privatsphäre gegeben sei. So würden beide Bewohner persönliche Gegenstände in einem Schrank aufbewahren, der im Zimmer des Herrn E. stehe.
In den Anhörungsschreiben vom 28. Januar 2009 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin und Herrn E. seine Absicht mit, beide zu einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II zusammenzulegen. Mit Schreiben vom 2. Februar 2009 erklärten beide daraufhin schriftlich, eine reine WG zu sein, jeder lebe und wirtschafte für sich, gegenseitige Unterstützung erfolge nicht.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2009 nahm der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 18. November 2008 auf Grundlage des § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X mit Wirkung zum 1. März 2009 zurück. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin und Herrn E. als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II ab 1. März 2009 bis 31. August 2009 iHv 825,69 EUR monatlich.
Gegen den Rücknahmebescheid sowie den neuen Bewilligungsbescheids hat die Antragstellerin am 16. März 2009 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Ebenfalls am 16. März 2009 wandte sie sich mit dem Eilantrag an das Gericht. Herr E. ersuchte das Gericht am 27. März 2009 mit einem eigenen Antrag um einstweiligen Rechtsschutz (Aktenzeichen - S 28 AS 215/09 ER -).
Zur Begründung ihres Eilantrags trägt die Antragstellerin vor, die Bildung der WG sei allein aus Kostengründen erfolgt. Ursprünglich habe sie mit ihrer Mutter zusammenziehen wollen, dies sei aber nicht zustande gekommen. Herr E. sei erst danach eingesprungen. Der Antragsgegner habe sein Ermessen nicht ausgeübt, so dass der Rücknahmebescheid schon deshalb rechtswidrig sei. Sie habe nicht gewusst, das der aufgehobene Bewilligungsbescheid rechtswidrig gewesen sei, denn sie könne als juristischer Laie nicht beurteilen, ob sie mit dem Herrn E. in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft im Sinne des Gesetzes lebe.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 16. März 2009 gegen den Rücknahmebescheid vom 25. Februar 2009 sowie gegen den Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2009 über Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. März 2009 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Er weist darauf hin, dass der zuvor zuständige F. r Sozialleistungsträger laut dortiger Mitteilung vom 6. Februar 2009 nicht gewusst habe, dass die Antragstellerin und der Herr E. in einer Wohnung wohnten, und daher getrennte Vorgänge geführt habe.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen den Rücknahmebescheid vom 25. Februar 2009 und den Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2009 sind nicht erfüllt.
I.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Bei der Prüfung, ob die Anordnung zu erlassen ist, hat das Gericht eine Interessenabwägung zwischen den Belangen der Öffentlichkeit und denen des Antragstellers vorzunehmen. Hierbei kommt es insbesondere auf die Bedeutung und die Dringlichkeit des streitigen Anspruchs, das Gewicht der hiervon berührten öffentlichen Interessen und darauf an, ob entstehende Nachteile später wieder ausgeglichen werden können. Die Aussetzung der Vollziehung steht dabei im Ermessen des Gerichts, wobei es eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung und dem Interesse der Verwaltung am sofortigen Vollzug vorzunehmen hat. Dabei können die Erfolgsaussichten des Widerspruchs bzw. der bereits erhobenen Klage nicht unberücksichtigt bleiben. Wäre eine Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, kommt eine Aussetzung nicht in Betracht. Hat eine Klage Aussicht auf Erfolg, ist in der Regel auszusetzen.
1.
Bezüglich des Rücknahmebescheids vom 25. Februar 2009 überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse, da der Bescheid sich nach der hier gebotenen Prüfung im Eilverfahren als rechtmäßig erweist und das weitere Verfahren in der Hauptsache bzw. hier im Widerspruchsverfahren daher voraussichtlich nicht zu einem Erfolg führt.
Der Bescheid ist zunächst in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die erforderliche Anhörung hat stattgefunden. Die wesentlichen Formvorgaben wurden eingehalten.
Der Bescheid ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Die Voraussetzungen einer Rücknahme gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X sind erfüllt.
Nach Überzeugung des Gerichts ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit dem Herrn Beier in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II zusammenlebt, und zwar bereits seit Einzug des Herrn Beier im September 2008. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 18. November 2008 war daher von Anfang an rechtswidrig, da er auf der Grundlage erging, die Antragstellerin sei alleinstehend, so dass die Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II anzuwenden sei (dazu unten unter a.). Zugleich muss auch davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin bekannt war, dass der Antragsgegner hinsichtlich der Frage einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft von falschen Voraussetzungen ausging, denn die Antragstellerin hat diesen Anschein durch die bewusste Trennung des Mietverhältnisses in zwei Mietverträge aktiv erweckt (dazu unten unter b.). Im Einzelnen:
a.)
Was die Kriterien für das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft angeht, ist auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur eheähnlichen Gemeinschaft entwickelten Maßstäbe zurückzugreifen (vgl Landessozialgericht Baden-Württemberg , Beschl v 17.12.2007 - L 7 AS 5125/07 ER-B -). Demnach muss es sich um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft handeln, die daneben keine Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl BVerfGE 87, 234, 264 [BVerfG 17.11.1992 - 1 BvL 8/87]; BVerfG, Kammerbeschl v 02.09.2004 - 1 BvR 1962/04 - NVwZ 2005, 1178; Bundessozialgericht. BSGE 90, 90, 90, 98 f. [BSG 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R] = SozR 3-4100 § 119 Nr.26; BVerwGE 98, 195, 198 f.) [BVerwG 17.05.1995 - 5 C 16/93]. Dem trägt die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II Rechnung; dabei ist - wie bereits dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen ist -, hinsichtlich des Willens, füreinander einzustehen, ein objektiver Maßstab anzulegen. Nicht ausschlaggebend ist deshalb die subjektive Sicht der betroffenen Personen; entscheidend ist vielmehr, ob bei verständiger Würdigung ein wechselseitiger Wille der Partner, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, unter objektiven Gesichtspunkten bejaht werden kann (vgl z.B. A. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 7 Rdnr 57). Zur Annahme einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft reicht freilich eine bloße Wohngemeinschaft nicht aus (so bereits BSGE 63, 120, 123 [BSG 24.03.1988 - 7 RAr 81/86] = SozR 4100 § 138 Nr. 17), ebenso wenig eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft.
Ist einer der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erfüllt, trifft den Anspruchsteller die Darlegungslast dafür, dass keiner der dort aufgeführten Sachverhalte vorliegt oder die Vermutung durch andere Umstände entkräftet wird (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg , Beschl v 17.12.2007 - L 7 AS 5125/07 ER-B - mit weiteren Nachweisen; BT-Drucksache 16/1410, S 19; A. Loose in Hohm, GK-SGB II, Rn 71).
Das Gericht vermag im Rahmen dieses Eilverfahrens nicht mit der notwendigen Überzeugung abschließend zu entscheiden, ob einer der Vermutungstatbestände hier erfüllt ist. Zwar haben die Antragstellerin und der Herr E. vor dem Umzug in die heutige Unterkunft bereits einige Jahre in Bremen in einer gemeinsamen Wohnung zusammen gewohnt. Dies könnte auf ein Zusammenleben von mehr als einem Jahr iSv § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II hindeuten. Allerdings lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht untermauern, inwieweit oder ggf. ab wann das damalige Zusammenwohnen über eine reine WG hinaus zu einer Haushaltsgemeinschaft geworden ist, was jedoch erforderlich wäre (vgl A. Loose in: Hohm, GK-SGB II, § 7 Rn 67, a.A. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen , Beschl v 20. Juli 2007 - L 13 AS 119/07 ER -, wonach gemeinsames Wohnen schon ausreiche).
Indessen ergibt eine Bewertung der vorhandenen Indizien im Zusammenhang mit dem Umzug nach D. und der konkreten Wohnsituation bei vernünftiger Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung begründeten Anlass zur der Annahme, dass mindestens seit September 2008 eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn E. besteht.
Konkret zu benennen ist dabei zum einen schon die Tatsache, dass die Antragstellerin und Herr E. gemeinsam aus Bremen in den ländlichen Bereich der heutigen Unterkunft umgezogen sind. Für Mitbewohner einer reinen WG ist ein solches Verhalten eher unwahrscheinlich, denn gerade Fortziehen aus einer Stadt in eine ländliche Region führt zu einer wesentlichen Verstärkung des Aufeinanderbezogenseins und setzt zwingend voraus, dass man sicht ein gemeinsames Leben in der neuen ländlichen Umgebung vorstellen kann bzw. dies gerade beabsichtigt. Die Verlagerung der gemeinsamen Wohnung in den ländlichen Bereich setzt bereits eine gemeinsame Lebensplanung voraus. Dass die Antragstellerin und Herr E. zumindest formal nicht gleichzeitig in die neue Unterkunft zogen, sondern im Abstand von drei Monaten, stellt dabei keine ausreichende Zäsur dar, zumal völlig offen ist, wann der tatsächliche Einzug Herrn E. s erfolgt ist. Aus Sicht des Gerichts spricht Einiges dafür, dass die Antragstellerin von Anfang an nicht alleine in der neuen Unterkunft wohnte, denn andernfalls hätte der Vermieter in Höhe des vermeintlich leerstehenden Teils des Mietobjekts ein Mietausfall hinnehmen müssen - oder die Antragstellerin hat die Gesamtmiete iHv 460,00 EUR alleine aufgebracht. Die vorgetragene Sachverhalt, dass die Antragstellerin ursprünglich mit ihrer Mutter habe in die Doppelhaushälfte ziehen wollen, was sich zerschlagen habe, und erst dann sei Herr E. eingesprungen, ist nicht glaubhaft. Denn es ist schon wegen des Kostenrisikos kaum anzunehmen, dass die Antragstellerin bereits eine neue Unterkunft für sich und die Mutter anmietet, die für sie alleine von vornherein unangemessen groß und teuer war, ohne sicher zu sein, dass die Mutter tatsächlich mit einziehen würde. Diesbezüglich macht auch die formal getrennte Gestaltung des Mietverhältnisses keinen Sinn.
Weiteres Indiz für das Bestehen einer über eine reine Wohngemeinschaft und Haushaltsgemeinschaft ist die tatsächliche Art der Nutzung der Unterkunft, wie sie sich aus dem Bericht des Mitarbeiters des Antragsgegners über den Hausbesuch am 26. November 2008 ergibt. Der Bericht stellt für das Gericht keine objektive Quelle dar, insbesondere die persönlichen Einschätzungen des Mitarbeiters sind für das Gericht nicht verbindlich. Die reinen Beschreibungen der objektiv vorgefundenen Situation können jedoch zur eigenen Würdigung herangezogen werden. Nach diesen Maßgaben ist festzustellen, dass nach dortigen Beschreibungen eine für eine WG von vielleicht befreundeten, aber nicht partnerschaftlich verbundenen Menschen unübliche Vermischung der Privatbereiche stattfindet. Demnach bewahren die Antragstellerin und Herr E. persönliche Gegenstände in einem Schrank im Zimmer des Herrn E. gemeinsam auf. Auch findet eine offenbar gemeinsame Nutzung der vorhandenen Geräte und Möbel statt. Separate Wohnbereiche sind demnach nicht erkennbar. Gerade für eine Wohngemeinschaft erscheint nach allgemeiner Lebenserfahrung jedoch untypisch, dass es keine getrennte Privatsphäre gibt, in die sich der Einzelne zurückziehen kann und der den anderen Bewohnern nicht zur Verfügung steht. Nach Auffassung des Gerichts erscheint es bei vernünftiger Betrachtungsweise lebensfremd anzunehmen, dass insbesondere in einem sehr ländlichen Umfeld und in einem Mietobjekt, das nach Größe und Raumaufteilung keine getrennte Nutzung und Beachtung von Privatsphäre zulässt, eine Wohngemeinschaft aus einer Frau und einem Mann bestehen könnte, die nicht zugleich partnerschaftlich verbunden sind. Die gewählte Lebensform entspricht dem Zusammenleben im Rahmen einer ehelichen Gemeinschaft und lässt keinen wesentlichen Unterschied mehr zu einer solchen erkennen. Der mit etwa 14 Jahren relativ hohe Altersunterschied zwischen der Antragstellerin und dem Herrn E. steht der Annahme einer partnerschaftlichen Verbindung ebenfalls nicht zwingend entgegen.
Wesentliches weiteres Indiz ist im Übrigen die ungewöhnliche mietvertragliche Gestaltung des Zusammenlebens. Es fällt auf, dass die Mietverträge schon aus formaler Sicht nicht mit der tatsächlichen Situation der Unterkunft zusammenpassen. In beiden Fällen wurden z.B. die Küche und das Bad und WC vermietet. Die Raumaufteilung ist in den Verträgen nicht festgelegt. Die vermietete Raumanzahl stimmt nur annähernd mit den tatsächlichen Gegebenheiten überein. Die Mietverträge sind in ihrer tatsächlichen Fassung rechtlich nicht durchführbar, zumindest nicht unter Fremden oder z.B. einer Wohngemeinschaft, weil völlig offen ist, wer was konkret gemietet hat und wer wofür Miete zahlt. Der Vermieter hat dazu dem Gericht auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Mietvertragsgestaltung auf Wunsch der Antragstellerin erfolgte und er sich nicht um die interne Aufteilung der Räumlichkeiten unter den Bewohnern gekümmert habe. Bei vernünftiger Betrachtungsweise kann aus der Vertragsgestaltung nur der Schluss gezogen werden, dass zwar formal zwei Mietverträge über dem Papier nach vollständige und getrennt nutzbare Wohneinheiten bestehen sollten, in der Praxis jedoch immer eine gemeinsame Nutzung geplant war. Es ist auch nicht glaubhaft und auch nicht vorstellbar, dass die Antragstellerin auch einen fremden, ihr nicht verbundenen Mitbewohner unter diesen Umständen aufgenommen hätte. Für Wohngemeinschaften bestehen grundsätzlich unterschiedliche vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten, z.B. kann es einen Hauptmieter geben, der an die anderen Mitbewohner untervermietet, es kann einen gemeinschaftlichen Mietvertrag mit dem Vermieter geben, denn alle Mitbewohner unterschreiben, oder es werden vom Vermieter tatsächlich einzelne Teil einer Wohnung vermietet. Dies setzt aber zwingend voraus, dass private Bereiche abtrennbar sind und vertraglich die gemeinsame Nutzung von Küche und Bad geregelt ist. Die getrennte Vertragsgestaltung bei zugleich faktisch nicht zugeordneten, z.T. doppelt vermieteten Räumen, wie sie im Fall der Antragstellerin gewählt wurde, ist für eine Wohngemeinschaft untypisch und unwahrscheinlich. Hier wurden offensichtlich andere Zwecke mit der Vertragsgestaltung verfolgt.
b.)
Die Antragstellerin kann sich gegen die Rücknahme des Bewilligungsbescheids auch nicht auf Vertrauen berufen, da sie in wesentlicher Beziehung bei Stellung des Fortzahlungsantrags unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat, in dem sie dem Antragsgegner nicht mitteilte, dass sie in der Wohnung mit dem Herrn E. in mehr als einer reinen WG zusammenlebt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Zugleich war ihr aufgrund ihre unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben auch bekannt, dass der Bewilligungsbescheid rechtswidrig war, soweit keine Zusammenlegung als Bedarfsgemeinschaft erfolgte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Dazu im Einzelnen:
Das Gericht sieht in den konkreten Umständen dieses Falles, d.h. der vorherigen gemeinsamen Wohnung in F. und vor allem der künstlichen Aufspaltung des Mietvertrags über die neue Wohnung, allen Grund für die Annahme, dass die Antragstellerin das Zusammenleben mit Herrn E. gegenüber dem Antragsgegner bewusst unkenntlich machen wollte. Anders lässt sich die ungewöhnliche Gestaltung des Mietverhältnisses, die suggeriert, es seien zwei vollständige und getrennte Wohnungen angemietet, nicht erklären, die nach Angaben des Vermieters auf Wunsch der Antragstellerin erfolgte. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass der Vermieter bereit gewesen wäre, getrennte Mietverträge hinzunehmen, wenn er nicht von Anfang an die volle Miete für das Mietobjekt in Aussicht hatte, denn es ist kein Grund erkennbar, warum der Vermieter eine Teilvermietung vornehmen und auf einen Teil der Miete hätte verzichten sollen. Eine Fremdvermietung des "Rests" des Mietobjekts nach Abtrennung des an die Antragstellerin vermieteten Teils wäre für den Vermieter faktisch unmöglich. Aus der auffälligen Ausgestaltung des Mietverhältnisses kann nur der Rückschluss gezogen werden, dass diese von der Antragstellerin ganz bewusst vorgenommen wurde. Damit war der Antragstellerin auch bewusst, dass der Sachverhalt, den sie dem Antragsgegner präsentierte, nicht den Tatsachen entsprach, und damit auch nicht die Bescheidlage bei Bewilligung im November 2008. Ob hier allerdings eine Verdeckung des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft bezweckt war oder vermieden werden sollte, dass es Schwierigkeiten mit der Angemessenheit der gemeinsamen Unterkunft gibt, die für zwei Personen mit 100 qm nach dem Maßstäben des Bundessozialgerichts eventuell zu groß sein könnte, muss ggf. im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
2.
In der Folge besteht auch bezüglich des Bewilligungsbescheids vom 25. Februar 2009 kein Rechtsgrund zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung, weil der Bescheid unter Bezugnahme auf obige Ausführungen zum Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin und Herrn Beier rechtmäßig ist. Das private Interesse an einer Aussetzung des Vollzugs überwiegt nicht.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
III.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff ZPO abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Hierzu wird ebenfalls auf obige Ausführungen verwiesen.