Sozialgericht Stade
Beschl. v. 27.03.2009, Az.: S 28 AS 93/09 ER
Auszahlung des vollständigen Leistungsanspruchs nach dem SGB II ohne Kürzung aufgrund einer Sanktion wegen Ablehnung einer Arbeit; Anspruch des Teilnehmers einer Arbeitsgelegenheit im Sinne des § 16 Abs. 2 S. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) auf Mehraufwandsentschädigungen; Vorliegen eines Anordnungsgrundes bei Fehlen von Finanzmitteln zur Deckung der Kosten des allgemeinen Lebensbedarfs
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 27.03.2009
- Aktenzeichen
- S 28 AS 93/09 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19115
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0327.S28AS93.09ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 31 Abs. 1 SGB II
- § 31 Abs. 2 SGB II
- § 86b Abs. 2 SGG
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 12. Februar 2009 wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Auszahlung des vollständigen Leistungsanspruchs nach dem SGB II ohne Kürzung aufgrund einer Sanktion.
Der im November 1986 geborene Antragsteller bezieht seit 2006 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Antragsgegnerin. Zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 31. Oktober 2008 für den Zeitraum 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 Leistungen iHv 569,36 EUR (351,00 EUR Regelleistung, 288,36 EUR KdU) bewilligt.
Anfang Dezember 2008 bot die Antragsgegnerin dem Antragsteller einer Arbeitsgelegenheit beim Bildungswerk Niedersächsischer Volkshochschulen GmbH (BNVHS) in Stade an. Vorgesehen war für den Arbeitseinsatz eine Mehraufwandsentschädigung iHv 1,30 EUR die Stunde bei einer Dauer von sechs Monaten. Der Antragsteller nahm Kontakt zum Arbeitgeber auf, lehnte die Arbeitsgelegenheit dann jedoch ab, nachdem eine Erstattung der ihm entstehenden Fahrtkosten iHv 50,00 EUR (Eigenanteil an einer DB Monatskarte) von seinem Wohnort Himmelpforten zum Arbeitsort Stade nicht in Aussicht gestellt werden konnte.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2009 hob die Antragsgegnerin daraufhin den Bewilligungsbescheid für den Zeitraum 1. März 2009 bis 1. Mai 2009 unter Verweis auf § 31 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 und 6 SGB II auf Grundlage des § 48 SGB X teilweise auf und bewilligte dem Antragsteller für den genannten Zeitraum nur noch Leistungen für Unterkunft und Heizung. Sie wies im Bescheid den Antragsteller ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, Lebensmittelgutscheine zu erhalten.
Am 16. Februar 2009 hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 10. Februar 2009 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Bereits am 12. Februar 2009 hat sich der Antragsteller mit dem Eilantrag an das Gericht gewandt.
Er trägt vor, er wolle eine Arbeitsgelegenheit in Himmelpforten wahrnehmen. Durch die Kürzung der Regelleistung könnte er seine laufenden Kosten und seinen Alltagsbedarf nicht bezahlen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
im Wege der einstweiligen Anordnung den Bescheid vom 10. Februar 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm ungekürzte Leistungen ab 1. März 2009 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Sie verweist darauf, dass der Antragsteller ohne wichtigen Grund eine Arbeitsgelegenheit abgelehnt habe.
Zum Vorbringen im Übrigen und weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtakte und die vorliegende Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges. Voraussetzung für den Erlass der hier begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) das Bestehen eines Anspruchs auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Die notwendige Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ist zu bejahen. Zwar werden die Kosten der Unterkunft weiterhin von der Antragsgegnerin übernommen, auch besteht die Möglichkeit, durch Inanspruchnahme von Lebensmittelgutscheine die Ernährung sicherzustellen. Dem Antragsteller verbleiben jedoch keine Finanzmittel zur Deckung der Kosten des allgemeinen Lebensbedarfs wie z.B. für Strom, Telefon und ähnliches. Dies ist bereits als Nachteil im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG anzusehen.
Der Antragsteller konnte jedoch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen. Nach der hier gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die Kürzung als rechtmäßig, so dass die Antragsgegnerin die Leistungen des Antragstellers zu Recht auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt hat.
Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 d SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 auszuführen. Dies gilt gemäß Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Gemäß § 31 Abs. 5 SGB II wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das Arbeitslosengeld II unter den in den Absätzen 1 bis 4 genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 SGB II beschränkt.
Der Kläger hat sich trotz Rechtsfolgenbelehrung geweigert, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen, indem er die Arbeitsgelegenheit beim BNVHS in Stade ablehnte.
Die Tatsache, dass die dem Antragsteller dabei entstehenden Fahrtkosten iHv 50,00 EUR monatlich nicht übernommen worden wären, stellt keinen wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II dar. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts haben Teilnehmer einer Arbeitsgelegenheit im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 3 SGB II Anspruch auf Entschädigung der Aufwendungen, die gerade deshalb anfallen, weil die Arbeitsgelegenheit wahrgenommen wird. Zu berücksichtigen ist dabei die Höhe der Mehraufwandsentschädigung, die dem Betroffenen bereits vom Arbeitgeber gezahlt wird. Reicht diese aus, um den entstehenden Mehraufwand abzudecken, besteht keine Anspruch auf weitergehende Aufwandsentschädigung (vgl BSG, Urteil vom 13. November 2008, - B 14 AS 66/07 R -, gem Terminsbericht Nr. 55/08 vom 13. November 2008). Der Fahrtkostenaufwand des Antragstellers iHv 50,00 EUR kann von der Aufwandsentschädigung, die während der Arbeitsgelegenheit gezahlt wird, gedeckt werden, denn der Antragsteller hätte 1,30 EUR in der Stunde erhalten. Nach rund 38 Stunden im jeweiligen Monat wäre der Aufwand für die Fahrtkosten damit ausgeglichen gewesen. Rechnerisch wäre der Aufwand damit bereits gedeckt gewesen, wenn der Antragsteller von Montag bis Freitag ein bis zwei Stunden gearbeitet hätte. Da ein zeitlich weit umfangreicherer Einsatz im Rahmen der Arbeitsgelegenheit zu erwarten gewesen war, hätte der Antragsteller im Ergebnis voraussichtlich noch Überschüsse erwirtschaften können, solange kein weiterer finanzieller Aufwand abgesehen von den Fahrtkosten zu berücksichtigen ist. Es verhält sich damit nicht so, dass der Antragsteller bei Wahrnehmung der Arbeitsgelegenheit noch hätte "draufzahlen" müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.