Sozialgericht Stade
Beschl. v. 15.06.2009, Az.: S 18 AS 287/09 ER
Absenkung der Regelleistung im Falle der Ablehnung einer Arbeitsaufnahme aufgrund von Zweifeln an der Legalität der angebotenen Arbeitsgelegenheit
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 15.06.2009
- Aktenzeichen
- S 18 AS 287/09 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19128
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0615.S18AS287.09ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG
- § 86b Abs. 2 S. 1, 2 SGG
- § 16d SGB II
- § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1d SGB II
- § 31 Abs. 6 SGB II
- § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II a.F.
Tenor:
Der Antrag des Antragstellers vom 27. April 2009 auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes im Hinblick auf den Absenkungsbescheid vom 11. März 2009 wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Der Antragsteller (AS) begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin (AG), ihm höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2009 zu gewähren, wobei streitig ist, ob die Absenkung der Regelleistung um 30 v.H. zu Recht erfolgt ist. Soweit die Absenkung der Leistungen den Bewilligungszeitraum bis 31. Mai 2009 (Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2008) betrifft, ist das Begehren des AS - wohlwollend im Sinne des AS ausgelegt - gerichtet auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da der Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. März 2009 nach § 39 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat.
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die AG hat die Regelleistung des AS zu Recht für die Monate April bis Juni 2009 unter Anwendung von § 31 SGB II um 30 v.H. gekürzt.
Die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht im Ermessen des Gerichts. Dabei sind einerseits das Interesse der Verwaltung an der - sofortigen - Vollziehung der getroffenen Entscheidung und andererseits das Interesse des AS an der ungekürzten Auszahlung des Arbeitslosengeldes (Alg) II gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Abwägung ist auf die Erfolgsaussichten des zugrunde liegenden Widerspruchs und auf Billigkeitsgesichtspunkte abzustellen. Nach der hiernach vorzunehmenden Interessenabwägung ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des AS nicht anzuordnen. Die angefochtene Entscheidung wird sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.
Rechtsgrundlage für die Sanktionsentscheidung ist § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1d SGB II. Danach wird das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 v.H. in der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen. Entgegen der Rechtsauffassung des AS kommt diese Regelung weiterhin als Rechtsgrundlage für die Absenkung des Alg II in Betracht. Dem steht nicht entgegen, dass die in dieser Regelung erwähnte Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II inzwischen nicht mehr in Kraft ist, sondern durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeits-marktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 - in Kraft getreten zum 1. Januar 2009 [BGBl. I Seite 2917] - ersetzt wurde durch die weitgehend wortgleiche Regelung des § 16d SGB II. Es handelt sich offensichtlich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers, dass die Regelung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1d SGB II im Zusammenhang mit der Änderung des § 16 SGB IISGB II nicht ebenfalls geändert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dem AS angebotene Arbeit nicht zumutbar gewesen sein könnte, sind weder ersichtlich noch wird dies vom AS selbst vorgetragen. Die Auffassung des AS, dass die von ihm gegenüber der SBB-Kompetenz gGmbH gestellte Strafanzeige einer Tätigkeit dort entgegen stehen würde, ist nicht nachvollziehbar. Auch die Tatsache, dass der AS der Auffassung ist, dass Zweifel an der Legalität der angebotenen Arbeitsgelegenheit bei einem Privatunternehmen bestünden, kann nicht dazu führen, dass der AS die Aufnahme einer solchen Arbeit ohne weiteres ablehnen kann. Andernfalls stünde es im Belieben des jeweiligen Arbeitslosen, durch eine willkürlich gestellte Strafanzeige bzw. die Behauptung, dass Zweifel an der Legalität einer Arbeitsgelegenheit bestünden, eine angebotene Arbeit zunächst abzulehnen. Darüber hinaus ist auch schon nicht nachvollziehbar, welche Grundlage die gestellte Strafanzeige haben soll. Weitergehende fundierte Ausführungen dazu, aus welchen Gründen die angebotene Arbeitsgelegenheit rechtswidrig sein bzw. gegen Verfassungsrecht verstoßen könnte, sind nicht ersichtlich. Der AS hatte demzufolge auch keinen wichtigen Grund für sein Verhalten iSv § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
Die AG hat unter Anwendung der genannten Rechtsgrundlage zutreffend eine Absenkung der Regelleistung iHv 30 v.H. beginnend ab 1. April 2009 festgesetzt. Dies folgt aus den genannten gesetzlichen Regelungen sowie aus § 31 Abs. 6 SGB II. Danach treten Absenkung und Wegfall der Leistungen mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsakts, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt.
Soweit der AS für den Monat Juni 2009 entgegen der Absenkungsentscheidung vom 11. März 2009 weitergehende 105,- EUR geltend macht, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht. Hinsichtlich des Monats Juni 2009 wurde die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 29. Mai 2009 bereits in der gekürzten Höhe vorgenommen.
Nach § 86 b Abs. 2 S 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist. Wie bereits oben dargelegt geht das Gericht nach bisherigem Kenntnisstand davon aus, dass die Absenkungsentscheidung vom 11. März 2009 rechtmäßig ist. Demzufolge ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des AS ein Anordnungsanspruch für den Monat Juni 2009 in Höhe weiterer 105,- EUR nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg hatte.
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG.