Sozialgericht Stade
Beschl. v. 03.08.2009, Az.: S 34 SF 75/08

Billigkeit der durch den Rechtsanwalt bestimmten Gebühren bei Übersteigen der nach Ansicht des Gerichts angemessenen Gebühren um mehr als 20%

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
03.08.2009
Aktenzeichen
S 34 SF 75/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 19108
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2009:0803.S34SF75.08.0A

Tenor:

Auf die Erinnerung der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 07. März 2008 geändert.

Die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 1.557,87 EUR zuzüglich Zinsen von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juli 2007 festgesetzt.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Gründe

1

Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren. Der Erinnerungsführer macht insoweit die Festsetzung einer höheren Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren nach § 116 Abs. 1 BRAGO geltend.

2

Die Erinnerung ist teilweise begründet.

3

Gemäß § 12 Abs. 1 BRAGO bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung alles Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das Gericht teilt die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung insoweit vorherrschende Ansicht, dass Unbilligkeit jedenfalls dann vorliegt, wenn die durch den Rechtsanwalt bestimmten Gebühren die nach Ansicht des Gerichts angemessenen Gebühren um mehr als 20% übersteigen (vgl LSG Thüringen, Beschluss vom 15. Juli 2004 - Az: L 6 B 25/04 SF).

4

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen sind die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeforderten Gebühren in Höhe von 420,- EUR für das Widerspruchsverfahren unbillig und daher für die Beklagte nicht verbindlich. Das Gericht hält entgegen der Festsetzung der Urkundsbeamtin für das Widerspruchsverfahren eine Gebühr nach § 116 Abs. 1 BRAGO analog iHv 288,- EUR für angemessen, denn eine 20%ige Erhöhung der Mittelgebühr ist gerechtfertigt.

5

Unstreitig bemisst sich die Höhe der Anwaltsgebühr für das Widerspruchsverfahren auf etwa 2/3 der im gerichtlichen Verfahren vor dem SG anfallenden Rahmengebühr, die dementsprechend 40,- EUR bis 440,- EUR beträgt (vgl Urteil des BSG vom 07. Dezember 1983 - Az: 9a RVs 5/82). In dem diesem Verfahren zugrunde liegenden streitigen Widerspruchsverfahren ist zunächst von der Mittelgebühr auszugehen. Insoweit ist der angefochtene Beschluss der Urkundsbeamtin zutreffend. Im Rahmen der anzustellenden Einzelfallprüfung ist unter Berücksichtigung des § 12 Abs. 1 BRAGO regelmäßig die jeweilige Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, dessen Vermögensverhältnisse, der Umfang des Verfahrens sowie die Dauer des Verfahrens zusätzlich als Kriterien für die Festlegung der Gebühr heranzuziehen. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts hatte die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Klägerin nicht nur unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Die Klägerin lebte zuletzt von Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosengeld II. Da die streitgegenständliche Rente wegen voller Erwerbsminderung über dem Niveau des Arbeitslosengeldes II liegt, ist von einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Rechtssache für die Klägerin auszugehen. Allerdings stellt sich der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Widerspruchsverfahren als durchschnittlich dar. Außer der Anzeige der Vertretung und des Akteneinsichtsgesuches wurde lediglich ein Schriftsatz zur Sache gefertigt. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin sind deutlich unterdurchschnittlich. Unter Berücksichtigung aller Aspekte ist eine Erhöhung der Mittelgebühr bereits im Vorverfahren um 20% gerechtfertigt. Eine weitere Erhöhung kommt allerdings nicht in Betracht. Insgesamt ist damit für das Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr iHv 288,- EUR festzusetzen. Die von dem Prozessbevollmächtigten bestimmte Gebühr in Höhe von 420,00 EUR überschreitet den Toleranzrahmen von 20% und ist für den Dritten gemäß § 12 Abs. 1 BRAGO daher unbillig und nicht zu ersetzen.

6

Nach alledem berechnen sich die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen wie folgt:

Vorverfahren:
Geschäftsgebühr nach § 116 Abs. 1 BRAGO288,- EUR
Auslagenpauschale nach § 26 BRAGO20,- EUR
Fotokopiekosten nach § 27 BRAGO26,05 EUR
Umsatzsteuer nach § 25 BRAGO53,45 EUR
Zwischensumme387,50 EUR
Klageverfahren1.170,37 EUR
Gesamtbetrag1.557,87 EUR
7

Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.