Sozialgericht Stade
Beschl. v. 17.06.2009, Az.: S 34 SF 68/08

Grundsätze für die Bemessung von Verfahrensgebühren und Geschäftsgebühren; Anforderungen an die Bemessung einer fiktiven Terminsgebühr

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
17.06.2009
Aktenzeichen
S 34 SF 68/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 19979
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2009:0617.S34SF68.08.0A

Tenor:

Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 05. März 2008 geändert. Die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 638,- EUR festgesetzt. Im Üb-rigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Gründe

1

Streitig ist die Höhe erstattungsfähiger Rechtsanwaltsgebühren.

2

Die zulässige Erinnerung ist teilweise begründet.

3

1.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat zu Unrecht hinsichtlich des Vorverfahrens eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2401 VV RVG in Höhe von 120,- EUR festgesetzt. Richtigerweise kann eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 240,- EUR geltend gemacht werden. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der diesem Verfahren zugrunde liegenden Sache (Minderung des Anspruchs wegen verspäteter Meldung nach §§ 140, 37b SGB III) nicht bereits im Verwaltungsverfahren tätig gewesen ist. Da im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, ist Nr. 2400 VV RVG einschlägig. Vorliegend ist nicht erkennbar und auch nicht dargelegt worden, dass die anwaltliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Demzufolge kommt nach Nr. 2400 VV RVG nur die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 240,- EUR in Betracht.

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2.

Hinsichtlich des Klageverfahrens hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zutreffend eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG anstelle der beantragten Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV in Ansatz gebracht. Zu berücksichtigen ist, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Widerspruchsverfahren in der Sache bereits tätig gewesen ist. Durch den geringeren Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG gegenüber Nr. 3102 VV RVG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im Vorverfahren mit der Materie bereits vertraut ist und deshalb die Vorbereitung des Gerichtsverfahrens für ihn weniger arbeitsaufwendig ist als für einen Rechtsanwalt, der erstmals mit der Materie befasst wird. Dies ergibt sich insbesondere aus der Begründung des Gesetzentwurfes zu Nr. 3103 (BT-Drucks 15/1971, Seite 212).

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Die Ansetzung der Mittelgebühr in Höhe von 170,- EUR ist ebenso wenig zu beanstanden. Auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers geht in seiner Rechnung davon aus, dass die Mittelgebühr (wenn auch nach Nr. 3102 VV RVG) zugrunde zu legen ist.

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3.

Nicht zutreffend hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ausgehend von der früheren Rechtsprechung der Kammer eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von lediglich 20,- EUR festgesetzt. Richtigerweise ist eine Terminsgebühr in Höhe von 100,- EUR entstanden.

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Eine Terminsgebühr (Nr. 3106 VV) fällt nach dem Wortlaut des Vergütungsverzeichnisses u.a. dann an, wenn das Verfahren - wie hier - nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Damit hat der Gesetzgeber auch bei der sogenannten "fiktiven" Terminsgebühr den Gebührenrahmen in vollem Umfang eröffnet, so dass bei der Bemessung der Gebühr wiederum auf die in den §§ 3, 14 RVG normierten Kriterien abzustellen ist.

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Nach Gesetzeswortlaut und Zweck der Regelung über eine fiktive Terminsgebühr im VV RVG ist dabei auch der hypothetische Aufwand zu berücksichtigen, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahren voraussichtlich entstanden wäre (vgl hierzu SG Hamburg , Beschluss vom 17. Januar 2008 - S 8 AL 750/06; SG Oldenburg , Beschluss vom 29. Januar 2009 - S 10 SF 123/08, SG Lüneburg , Beschluss vom 16. März 2009 - S 12 SF 64/09 E; a.A. SG Hildesheim , Beschluss vom 21. Dezember 2007 - S 12 SF 70/07 - wonach allein auf die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers abzustellen ist). Nur so kommt die von der Gebührenbestimmung ausgehende Anreizfunktion für den beteiligten Rechtsanwalt zur Geltung, auf die Durchführung eines Termins bei Wahrung des vollen Gebührenanspruchs zu verzichten. Die Kammer hält danach im Falle der Annahme eines Anerkenntnisses ohne Termin im Regelfall eine (fiktive) Terminsgebühr iHv 100,- EUR für gerechtfertigt. Die Kammer hat ihre frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach für eine (fiktive) Terminsgebühr lediglich die Mindestgebühr in Höhe von 20,- EUR anzusetzen war.

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4.

Die aus Nr. 7008 VV RVG folgende Festsetzung der Umsatzsteuer richtet sich nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Vergütung. Nach § 8 Satz 1 RVG wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Entscheidend ist nicht der Zeitpunkt der Auftragserteilung, der Rechnungsstellung oder der Abführung der Steuer (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, VV 7008 Rdn 30, 33). Vorliegend war der Rechtsstreit mit Annahme des Anerkenntnisses am 19. Juli 2006 erledigt. Zugrunde zu legen ist daher eine Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer von 16%, da die Erhöhung auf 19% erst zum 1. Januar 2007 erfolgte.

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5.

Nach alledem berechnet sich der von der Beklagten zu erstattende Betrag wie folgt:

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Vorverfahren: Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG 240,- EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,- EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 16% 41,60 EUR Klageverfahren: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,- EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 100,- EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,- EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 16% 46,40 EUR Summe 638,- EUR

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Die Entscheidung ist endgültig, § 197 Abs. 2 SGG.