Sozialgericht Stade
Urt. v. 31.08.2009, Az.: S 13 EG 3/09

Neuberechnung des bewilligten Elterngeldes ohne Berücksichtigung der Beiträge zum Versorgungswerk der Steuerberater; Einkommen als Summe der positiven Einkünfte aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
31.08.2009
Aktenzeichen
S 13 EG 3/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 36839
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2009:0831.S13EG3.09.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt eine Neuberechnung des ihm bewilligten Elterngeldes ohne Berücksichtigung der Altersvorsorgebeiträge, die er an ein berufsständisches Versorgungswerk zahlt.

2

Der Kläger, geboren im Jahr 1975, ist als Steuerberater tätig und als solcher Pflichtmitglied der Steuerberaterkammer Niedersachsen sowie des berufsständischen Versorgungswerks, der Steuerberaterversorgung Niedersachsen. Im Zeitraum April 2007 bis März 2008 zahlte der Kläger monatlich einen Beitrag zwischen 420,00 und 440,00 EUR an das Versorgungswerk.

3

Am 2. Mai 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten für den zweiten und dritten Lebensmonat seiner am 3. April 2008 geborenen Tochter F. Elterngeld gemäß den Vorgaben des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Mit Bescheid vom 8. Juli 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für die beantragte zwei Monate iHv jeweils 1.459,07 EUR. Bei der Berechnung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt zog die Beklagte dabei vom Bruttoeinkommen des Klägers, das im Bemessungszeitraum zwischen 4.200,00 EUR und rund 4.500,00 EUR schwankte, unter anderem auch die von ihm monatlich entrichteten Beiträge zum Versorgungswerk ab und ermittelte ein Durchschnittseinkommen iHv 2.177,71 EUR netto. Im Widerspruch vom 31. Juli 2008 wandte er sich gegen die Berücksichtigung der Beiträge zum Versorgungswerk und erbat eine Neuberechnung. Dies lehnte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2009 ab. Am 1. April 2009 hat der Kläger Klage erhoben.

4

Zur Begründung trägt er vor, er sei von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sei, so dass es bei den Beiträgen an das Versorgungswerk nicht um Pflichtbeiträge i.S. des § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG handele. Anders als ein gesetzlich Versicherter müsse er die Beiträge zum Versorgungswerk auch während des Elterngeldbezugs weiterzahlen, um seine Altersversorgung zu sichern, so dass ihm faktisch nicht die vom Gesetzgeber vorgesehenen 67% des durchschnittlichen Netto-Erwerbseinkommens als Elterngeld zur Verfügung ständen. Die Beiträge zum Versorgungswerk müssten deshalb bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens außer Betracht bleiben, um ihn nicht zu benachteiligen.

5

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 8. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. März 2009 zu verpflichten, das ihm gewährte Elterngeld ohne die bisherige Berücksichtigung der Beiträge zum Versorgungswerk neu zu berechnen und ihm höheres Elterngeld zu gewähren.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

8

Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten, die der Kammer bei der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 31. August 2009 vorlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, nachdem der Kläger diesem Vorgehen im Schriftsatz vom 18. August 2009 und die Beklagte im Schriftsatz vom 17. August 2009 zugestimmt hatten.

10

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Klage hat keinen Erfolg.

11

Die angegriffene Bewilligungsentscheidung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden und beschwert den Kläger daher nicht,§ 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld.

12

Die Berechnungen der Beklagten entsprechen auch in Bezug auf die Berücksichtigung der Beiträge des Klägers zum Versorgungswerk der Steuerberater den gesetzlichen Vorgaben. Gemäß § 2 Abs. 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommenssteuergesetzes nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen. Gemäß § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG ist als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe der gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen.

13

Zutreffend hat die Beklagte bei der Berechnung des monatlichen Einkommens im Bemessungszeitraum vom Bruttolohn des Klägers neben der Lohn- und Kirchensteuer, dem Solidaritätszuschlag, der Arbeitsförderung und den Werbungskosten auch den Beitrag zum Versorgungswerk abgesetzt. Zwar ist zutreffend, dass der Kläger von der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a SGB VI befreit ist. Die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk stellt jedoch eine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Sicherungsform dar (vgl Fichte in: Hauck/Haines, SGB VI, § 6 Rn 13). Die Beiträge zum Versorgungswerk erfüllen insoweit den gleichen Zweck wie die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und beruhen ebenfalls auf einer gesetzlichen Beitragspflicht. Sofern die Beiträge vor diesem Hintergrund nicht ohnehin schon als "Pflichtbeiträge" im Sinne des unmittelbaren Wortlauts des§ 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG angesehen werden, so ist jedenfalls eine Gleichsetzung der Beiträge zum Versorgungswerk mit den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und in der Folge eine entsprechende Behandlung sachlich gerechtfertigt. Dies entspricht Sinn und Zweck der Berechnungsvorgabe.

14

Der Kläger wird dadurch auch nicht benachteiligt. Dadurch, dass er die Beiträge zum Versorgungswerk in den zwei Monaten seiner Elternzeit weiter gezahlt hat, stand ihm zwar tatsächlich ein geringeres Elterngeld zur Verfügung als einem Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung. Allerdings hätte er sich von der Beitragszahlung befreien lassen können. Denn gemäß § 14 Abs. 8 Satz 3 der Satzung des Steuerberaterversorgungswerks Niedersachsen kann ein Mitglied während der Kinderbetreuungszeit auf Antrag von der Zahlung von Beiträgen befreit werden, wenn es während dieser Zeit keine Einkünfte aus dem die Mitgliedschaft begründenden Beruf erzielt. Der Kläger hätte es also in der Hand gehabt, in den Monaten des Elterngeldbezugs keine Beiträge zahlen zu müssen. Von Gesetzes wegen besteht keine Ungleichbehandlung des Klägers als Mitglied eines Versorgungswerks gegenüber einem pflichtversicherten Arbeitnehmer, vielmehr ist der Kläger durch seine Gestaltungsmöglichkeit letztlich sogar besser gestellt.

15

Dem Kläger wären durch die Aussetzung der Beitragszahlung im Vergleich zu gesetzlich Rentenversicherten auch keine Nachteile hinsichtlich seiner Anwartschaften entstanden. Zwar bleiben die Zeiten der Beitragsbefreiung gemäß § 14 Abs. 8 Satz 3 (zweiter Teil) der Satzung für die Anrechnung der Versicherungsjahre unberücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden Kinderberücksichtigungszeiten aber bei der Deutschen Rentenversicherung vorgemerkt, auch wenn eine Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund der Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk besteht, sofern nach den Statuten des Versorgungswerk keine gleichwertige Berücksichtigung stattfindet (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2008 - B 13 R 64/06 R -). Auch insoweit ist aus rechtlicher Sicht keine Benachteiligung des Klägers erkennbar, die eine Ausklammerung bei Beiträge zum Versorgungswerk bei der Berechnung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens gemäß § 2 Abs. 1 und 7 BEEG rechtfertigen könnte.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

17

Die Berufung gegen dieses Urteil wird gemäß § 144 Abs. 1 SGG zugelassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil - soweit ersichtlich - noch keine obergerichtliche Klärung der Frage der Berücksichtigung von Beiträgen zu einem Versorgungswerk im Rahmen der Elterngeldberechnung nach dem BEEG in der Rechtsprechung erfolgt ist. Der Berufungsstreitwert von 750,00 EUR gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG wird an sich nicht erreicht, da die mögliche Erhöhung des Elterngeldes in den beiden Bezugsmonaten nach überschlägiger Berechnung unter diesem Wert läge.