Sozialgericht Stade
Beschl. v. 03.08.2009, Az.: S 34 SF 103/08
Anwendung der sog. Mittelgebühr bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und durchschnittlichen Umfangs
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 03.08.2009
- Aktenzeichen
- S 34 SF 103/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19135
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0803.S34SF103.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 RVG
- § 14 RVG
- Nr. 3102 VV RVG
Tenor:
Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 22. September 2008 geändert.
Die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 391,36 EUR festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe
Streitig ist die Höhe erstattungsfähiger Rechtsanwaltsgebühren.
Die Erinnerung ist weitgehend begründet.
Zu Unrecht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss lediglich eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 250,00 EUR festgesetzt. Die von der Rechtsanwältin getroffene Bestimmung der Gebühren ist mit 350,00 EUR nicht unbillig i.S. von § 14 RVG.
Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rn 11).
In den sozialgerichtlichen Verfahren, die die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung dem Grunde nach betreffen, können abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles Rahmengebühren i.S. § 14 RVG beginnend ab der Mittelgebühr bis hin im Einzelfall zur Höchstgebühr gerechtfertigt sein und damit dem billigen Ermessen entsprechen. Dabei kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger in dem Fall, dass die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung streitig ist, als überdurchschnittlich einzustufen ist. Vorliegend ist weiter zu berücksichtigen, dass auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als überdurchschnittlich einzuordnen sein dürfte. So hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers nach Klageerhebung und Klagebegründung (3 1/2 Seiten) 4 weitere (kürzere) Schriftsätze gefertigt. Darüber hinaus hat sie nachvollziehbar dargelegt, dass aus den bestehenden Gesundheitsstörungen des Klägers ein überdurchschnittlicher Arbeitsaufwand für die Prozessbevollmächtigte resultierte. Unter Berücksichtigung der sowohl vom Sachverständigen als auch von den Gutachtern bereits im Verwaltungsverfahren festgestellten Gesundheitsstörungen, insbesondere der Intelligenzminderung bzw. Minderbegabung und der Lese- und Schreibschwäche, sind die diesbezüglichen Ausführungen der Prozessbevollmächtigten ohne weiteres nachvollziehbar. Es kann nicht unterstellt werden, dass die Prozessbevollmächtigte auf schriftlichem Wege unproblematisch mit dem Kläger kommunizieren konnte. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Verfahrensdauer sind zumindest als durchschnittlich einzuordnen. Insgesamt lässt sich nach Rechtsauffassung der Kammer eine Erhöhung der Mittelgebühr um 40% durchaus rechtfertigen, so dass die von der Rechtsanwältin angesetzte Gebühr in Höhe von 350,00 EUR nicht unbillig ist.
Aus den dargelegten Gründen hält das Gericht auch die mit 250,00 EUR angesetzte - und damit im Hinblick auf die Mittelgebühr erhöhte - Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG für gerechtfertigt.
Die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit 37,75 EUR festgesetzte Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG ist nicht zu beanstanden.
Nach alledem bestimmen sich die von der Beklagten zu erstattenden Kosten wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG | 350,00 EUR |
---|---|
Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG | 250,00 EUR |
Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG | 37,75 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG | 124,97 EUR |
Summe | 782,72 EUR |
davon 1/2 | 391,36 EUR |
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz.