Sozialgericht Stade
Urt. v. 09.06.2009, Az.: S 6 AL 105/07
Rechtmäßigkeit der Ablehnung von Arbeitslosengeld aufgrund einer Sperrzeit wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 09.06.2009
- Aktenzeichen
- S 6 AL 105/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 19982
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0609.S6AL105.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 37b S. 1 SGB III
- § 144 Abs. 1 S. 1,2 Nr. 7 SGB III
- § 144 Abs. 6 SGB III
Fundstelle
- LGP 2010, 4
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Ablehnung von Arbeitslosengeld (Alg) vom 1. bis 7. Juli 2007 aufgrund einer Sperrzeit wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend.
Der 1954 geborene Kläger bezog bis 30. Juni 2006 Alg. Am 1. Juli 2006 nahm er ein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis beim Landkreis F. auf. Zumindest mit Email vom 19. Juni 2006 hatte er zuvor der Beklagten sowohl die beabsichtigte Arbeitsaufnahme als auch die konkrete Befristung mitgeteilt. Mit Aufhebungsbescheid vom 26. Juni 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 1. Juli 2006 wegen der Arbeitsaufnahme des Klägers aufgehoben werde. Unter der Überschrift "Beachten Sie bitte auch die folgenden Hinweise:" findet sich auf Blatt 2 dieses Bescheides folgender Hinweis:
Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor der Beendigung eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Erfahren Sie von der Beendigung weniger als drei Monate vorher (dies gilt auch bei Aufnahme von befristeten Beschäftigungen von weniger als drei Monaten), müssen Sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis von der Beendigung melden. Melden Sie sich verspätet, erhalten Sie für eine Woche wegen einer Sperrzeit kein Arbeitslosengeld. Außerdem wird Ihre Anspruchsdauer um sieben Tage gemindert.
Für das auf ein Jahr befristete Arbeitsverhältnis bewilligte die Beklagte dem Kläger in der Folge Leistungen zur Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer. Am 22. Mai 2007 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos zum 1. Juli 2007. Nach erfolgter Anhörung des Klägers erließ die Beklagte am 28. Juni 2007 einen Bescheid, in dem eine einwöchige Sperrzeit im Zeitraum vom 1. bis 7. Juli 2007 wegen verspäteter Meldung festgestellt wurde. Der Kläger sei seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Arbeitsuchendmeldung iSv § 37b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) mit seiner persönlichen Meldung vom 22. Mai 2007 nicht hinreichend nachgekommen. Demzufolge seien die Voraussetzungen einer Sperrzeit erfüllt. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, die Beklagte habe von Anfang an Kenntnis gehabt von der Befristung seines Arbeitsverhältnisses, die bis zum 30. Juni 2007 andauerte. Wegen der Befristung des Arbeitsverhältnisses sei er durchgängig bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet gewesen, lediglich nicht mehr arbeitslos. Er habe erst am 22. Mai 2007 von seinem Arbeitgeber erfahren, dass sein Arbeitsverhältnis nicht verlängert werde. Demzufolge habe er sich unverzüglich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, es könne keine Rede davon sein, dass der Kläger während seines befristeten Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsuchend gemeldet gewesen sei. Zudem gelte die Meldepflicht nach § 37b SGB III auch für Personen, die bereits während ihres Arbeitsverhältnisses auf eigenen Wunsch als arbeitsuchend geführt werden.
Der Kläger hat am 22. August 2007 Klage erhoben und trägt unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens vor, er sei im guten Glauben gewesen, dass er mit der Meldung am 22. Mai 2007 korrekt gehandelt habe. Der im Aufhebungsbescheid enthaltene Hinweis sei missverständlich formuliert. Unter Berücksichtigung des zweiten Satzes dieses Hinweises sei er davon ausgegangen, dass es ausreiche, wenn er sich innerhalb von drei Tagen bei der Beklagten melden würde, nachdem er von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfahren würde. Nach seiner Auffassung ist die im Aufhebungsbescheid enthaltene Belehrung unzureichend und unwirksam i.S.d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Zudem treffe die Rechtsprechung des BSG zu der Problemtaik der Minderung wegen verspäteter Meldung (B 7/7a AL 56/06 R) auf ihn zu; nach dieser Rechtsprechung sei die Verhängung einer Sperrzeit in seinem Fall zu Unrecht erfolgt.
Der Kläger beantragt,
- 1.
den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 1. August 2007 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Alg für die Zeit vom 1. bis 7. Juli 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht im streitigen Zeitraum eine einwöchige Sperrzeit festgestellt.
Die Voraussetzungen einer Sperrzeit wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend sind erfüllt. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 7, Abs. 6 SGB III ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer einer einwöchigen Sperrzeit, wenn der Arbeitslose sich versicherungswidrig verhalten hat, indem er seiner Meldepflicht nach § 37b SGB III nicht nachgekommen ist, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 37b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden.
Der Kläger hat objektiv gegen diese Meldeverpflichtung - drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses - verstoßen. Er hat sich erst am 22. Mai 2007 bei der Beklagten zum 1. Juli 2007 arbeitsuchend gemeldet. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, dass er während des Arbeitsverhältnisses, d.h. vom 1. Juli 2006 bis zum 22. Mai 2007, sich bei der Beklagten nicht mehr persönlich (arbeitsuchend) gemeldet hat.
Dem objektiv vorliegenden Verstoß des Klägers gegen seine ihm nach § 37b SGB III obliegende Pflicht zur Meldung als arbeitsuchend steht insbesondere nicht entgegen, dass er unstreitig die Beklagte im Juni 2006, d.h. vor Beginn seines auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses, über die konkrete Befristung von einem Jahr informiert hat. Die Kammer geht davon aus, dass die Mitteilung der Aufnahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses gegenüber der Beklagten einschließlich der konkreten Dauer der Befristung vor Antritt des befristeten Arbeitsverhältnisses - entgegen der neueren Dienstanweisungen der Beklagten - grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen geeignet ist zu bewirken, dass in der Folge eine frühzeitige Arbeitsuchendmeldung nach § 37b SGB III nicht mehr erforderlich ist. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen des BSG im Urteil vom 28. August 2007 (B 7/7a AL 56/06 R - SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 5), an. Nach dieser noch zur alten Rechtslage (§§ 37b, 140 SGB III in der Fassung vom 23. Dezember 2003) ergangenen Rechtsprechung genügt es den Anforderungen des § 37b SGB III, wenn der Leistungsbezieher bei der Bundesagentur für Arbeit persönlich vorspricht und diese über die Aufnahme und hinreichend deutlich auch über den Endzeitpunkt der befristeten Beschäftigung informiert; denn die gesetzliche Regelung verbiete keine Arbeitsuchendmeldung (lange) vor dem spätest möglichen Zeitpunkt von drei Monaten vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Nicht ausreichend ist allerdings danach die rein telefonische oder schriftliche Meldung. Einschränkend hat das BSG jedoch festgestellt, dass es bei einer Zeitspanne von (etwa) einem Jahr zwischen Abmeldung aus dem Leistungsbezug wegen Arbeitsaufnahme und dem Ende des aufgenommenen befristeten Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, eine zusätzliche persönliche Meldung zu einem späteren Zeitpunkt zu verlangen. Der Kläger hat soweit ersichtlich die Aufnahme des auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses nur schriftlich, d.h. durch Email vom 19. Juni 2006 gegenüber der Beklagten mitgeteilt. Nach Aktenlage ist nicht nachvollziehbar, wann und in welcher Weise der Kläger die Befristung der Beklagten persönlich mitgeteilt haben will. Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass entsprechend dem klägerischen Vortrag vor dem 1. Juli 2006 eine persönliche Mitteilung auch der Befristung stattgefunden hat, ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um ein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis gehandelt hat, so dass auch nach der Rechtsprechung des BSG es gerechtfertigt ist, eine zusätzliche persönliche Meldung zu einem späteren Zeitpunkt, hier drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, zu verlangen.
Nach dem Wortlaut des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III genügt, dass der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 37b SGB III nicht nachgekommen ist. Dieses Verhalten muss allerdings versicherungswidrig sein, um nach Satz 1 bei Fehlen eines wichtigen Grundes eine Sperrzeit auszulösen. Dass der Verstoß subjektiv vorwerfbar sein muss, ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich formuliert, wird in § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III jedoch vorausgesetzt. Nach allgemeiner Auffassung ergibt sich insoweit aus dem rechtlichen Bedeutungsinhalt des Tatbestandsmerkmals der Versicherungswidrigkeit und dem Zusammenhang der weiteren Tatbestände des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III, dass auch in den Tatbestand der Nr. 7 ein schuldhafter Verstoß "hineinzulesen" ist (vgl u.a. BSG, Urteil vom 28. August 2007, B 7/7a AL 56/06 R - SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 5 Rdn 21; Eicher, in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 Rdn 453j; wohl auch Niesel, in: Niesel, SGB III, 4. Aufl. § 144 Rdn 117).
Vorwerfbares Verhalten ist demnach unter zwei Aspekten zu verlangen: Zum einen muss der Arbeitnehmer zumindest leicht fahrlässig in Unkenntnis über die Meldepflicht sein; zum anderen muss er subjektiv und objektiv in der Lage sein, der Meldepflicht nachzukommen (BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 1 und Urteil vom 18. August 2005 - B 7a/7 AL 94/04 R - SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 2; Eicher, a.a.O., Rdn 453h). Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger zumindest leicht fahrlässig in Unkenntnis über die Meldepflicht gewesen ist. In dem ihm zugegangenen Aufhebungsbescheid vom 20. Juni 2006 wurde der Kläger von der Beklagten ausreichend und eindeutig über seine Pflicht zur persönlichen Meldung im Falle einer erneuten Arbeitslosigkeit hingewiesen. Aus diesen Hinweisen ergibt sich ohne Zweifel, dass eine persönliche Meldung als arbeitsuchend spätestens drei Monate vor Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erfolgen muss. Satz 2 der Hinweise ist dagegen ersichtlich auf den Fall des Klägers nicht anwendbar. Weder hat er erst weniger als drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses vom Ende des Arbeitsverhältnisses erfahren, noch handelte es sich bei seinem Arbeitsverhältnis um eine Befristung von weniger als drei Monaten. Die Kammer hat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger selbst hervorgehobenen Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit Gesetzestexten keinen Zweifel, dass er in der Lage gewesen ist, die Hinweise zu verstehen. Der Kläger kann sich zudem nicht darauf stützen, dass eine Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses im Gespräch war bzw. er von einer Verlängerung ausgegangen ist. Die Aussicht auf die Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses reicht nicht aus um die Obliegenheit zur Meldung entfallen zu lassen, denn die Meldepflicht besteht unabhängig davon, ob die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird (Niesel, in: Niesel, a.a.O., Rdn 116).
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, er sei davon ausgegangen, dass er während des auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnisses durchgehend bereits arbeitsuchend gemeldet gewesen sei, so dass aus diesem Grund eine frühzeitige erneute Arbeitsuchendmeldung nicht erforderlich gewesen sei. Nach Aktenlage ist schon nicht erkennbar, dass der Kläger vor Aufnahme der auf ein Jahr befristeten Beschäftigung gegenüber der Beklagten erklärt hat, dass seine Arbeitsuchendmeldung weiterhin Bestand haben solle. Zudem steht dieser Vortrag im Widerspruch zu seinem übrigen Vortrag, wonach er, nachdem der Arbeitgeber ihm mitgeteilt hatte, dass das Arbeitsverhältnis nicht über das eine Jahr verlängert werde, sich umgehend bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat, um seiner Verpflichtung nachzukommen. Aus dieser Darstellung wird deutlich, dass der Kläger sich durchaus darüber im Klaren war, dass eine neue persönliche Meldung bei der Beklagten bereits vor Eintritt der erneuten Arbeitslosigkeit erforderlich ist.
Der Kläger war darüber hinaus subjektiv und objektiv in der Lage, der Meldepflicht nachzukommen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dem entgegenstehen würden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.