Sozialgericht Stade
Beschl. v. 04.08.2009, Az.: S 34 SF 87/08
Anforderungen an die Billigkeit einer gem. § 14 Abs. 1 S. 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmten Gebühr
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 04.08.2009
- Aktenzeichen
- S 34 SF 87/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19112
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0804.S34SF87.08.0A
Rechtsgrundlagen
- Nr. 1008 VV RVG
- Nr. 3102 VV RVG
- § 3 RVG
- § 14 RVG
Redaktioneller Leitsatz
Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades anzusetzen ist und wenn außerdem die vom Rechtsanwalt entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war.
Tenor:
Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 10. Juli 2008 wird geändert. Die dem beigeordneten Rechtsanwalt Hidde im Verfahren der Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen werden auf 874,65 EUR festgesetzt. Im Übrigen werden die Erinnerungen zurückgewiesen.
Gründe
Streitig ist die Höhe der aus der Landeskasse als Prozesskostenhilfe zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren.
Die zulässige Erinnerung des Erinnerungsführers (EF) ist unbegründet. Die zulässige Erinnerung des Anschlusserinnerungsführers ist zum Teil begründet.
Zu Unrecht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102, 1008 VV RVG iHv 272,- EUR festgesetzt. Der Erinnerungsführer kann lediglich eine Verfahrensgebühr iHv 217,60 EUR geltend machen.
Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rn 11).
Nach den Kriterien des § 14 RVG ist als Verfahrensgebühr nur eine um 20% geminderte Mittelgebühr gerechtfertigt, da nur eine Qualifikation der Angelegenheit als unterdurchschnittlich zu rechtfertigen ist. Die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebühren ist insoweit unbillig iSv § 14 RVG.
Insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist als erheblich unterdurchschnittlich zu bewerten. Im vorliegenden Klageverfahren ging es um die Frage inwieweit sich die Einkommensteuererstattung 2005 für die Kläger iHv 49,- EUR auf den Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) auswirkt, insbesondere ob insoweit eine Anrechnung und damit eine Erstattungsforderung begründet ist. In Anbetracht der Höhe dieses Streitgegenstandes kann die Angelegenheit nur als deutlich unterdurchschnittlich im Vergleich zu durchschnittlichen sozialgerichtlichen Angelegenheiten bewertet werden. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit erweist sich als durchschnittlich. Der EF hat 3 Schriftsätze gefertigt, die jedoch keinen ungewöhnlichen Umfang erkennen lassen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist allenfalls als durchschnittlich anzusehen, die Rechtsfrage, die zur Entscheidung anstand, ist bereits in der Rechtsprechung hinreichend behandelt worden. Der EF kann dagegen nicht geltend machen, dass zwei Gerichtstermine in dem hier zugrunde liegenden Verfahren (sowie jeweils gleichzeitig im Verfahren S 17 AS 644/07) stattgefunden haben. Denn diese Tatsache wird bereits und ausschließlich im Rahmen der festzusetzenden Terminsgebühr gewürdigt. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger sind deutlich unterdurchschnittlich.
Da es sich danach insgesamt um eine unterdurchschnittliche Angelegenheit iSv § 14 RVG handelt, ist als Verfahrensgebühr die um 20% geminderte Mittelgebühr iHv 217,60 EUR gerechtfertigt. Die von dem EF getroffene Bestimmung (600,- EUR) erweist sich als unbillig iSv § 14 Abs. 1 RVG.
Darüber hinaus kann der EF aufgrund der Tatsache, dass (in den zwei anhängigen Verfahren der Kläger) insgesamt zwei umfangreiche Gerichtstermine stattgefunden haben, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG iHv 266,- EUR geltend machen. Trotz der ansonsten unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit ist eine um 40% erhöhte Mittelgebühr aufgrund des Umfangs der Gerichtstermine noch zu rechtfertigen. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass in den beiden Gerichtsterminen vorrangig das andere Verfahren (S 17 AS 644/07) behandelt wurde. Die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzte Terminsgebühr liegt mit 400,- EUR über der Maximalgebühr von 380,- EUR. Demzufolge war der Anschlusserinnerung auch aus diesem Grund stattzugeben. Die Gebührenbestimmung des EF weicht mit mehr als 20% von der vom Gericht für angemessen gehaltenen Gebühr ab und ist daher unbillig und nicht verbindlich (vgl Gerold/Schmidt-Mayer a.a.O. Rdn 12).
Weiterhin ist die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG iHv 152,-EUR gerechtfertigt. Wie bereits dargelegt handelt es sich nach Maßgabe der Kriterien des § 14 RVG um eine unterdurchschnittliche Angelegenheit. Demzufolge ist auch als Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG die um 20% reduzierte Mittelgebühr mit 152,- EUR festzusetzen. Die Gebührenbestimmung des EF weicht mit mehr als 20% von der vom Gericht für angemessen gehaltenen Gebühr ab und ist daher unbillig und nicht verbindlich (vgl Gerold/Schmidt-Mayer a.a.O. Rdn 12).
Nach alledem bestimmen sich die von der Landeskasse zu erstattenden Gebühren wie folgt:
Verfahrensgebühr Nrn 3102, 1008 VV RVG 217,60 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 266,- EUR Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 152,- EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,- EUR Reisekosten Nr. 7003 VV RVG zur Hälfte 44,40 EUR Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG zur Hälfte 35,- EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 RVG 139,65 EUR Summe: 874,65 EUR
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 178 SGG.