Sozialgericht Stade
Urt. v. 31.08.2009, Az.: S 13 EG 1/09

Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens i.R.d. Gewährung von Elterngeld unter Berücksichtigung des im Bemessungszeitraum bezogenen Streikgeldes als Einkommen; Einbeziehung des fiktiven Gehalts bei Nichtteilnahme an einem Streik in die Berechnung des Elterngeldes; Streikgelder als Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1a Einkommenssteuergesetz (EStG)

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
31.08.2009
Aktenzeichen
S 13 EG 1/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 27484
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2009:0831.S13EG1.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 17.02.2011 - AZ: B 10 EG 17/09 R

Fundstelle

  • LGP 2010, 75

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Während eines Streiks gezahltes Streikgeld ist als Einkommen bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Durchschnittseinkommens im Bemessungszeitraum zu berücksichtigen.

  2. 2.

    Bei Streikgeldern handelt es sich um Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG, die zu den zu versteuernden Einnahmen im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gehören.

  3. 3.

    Die Einordnung des Streikgeldes als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1a EStG ist mit dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG vereinbar.

  4. 4.

    Im Hinblick auf Art 3 Abs. 1 GG und Art 9 Abs. 3 GG ist im Ergebnis das tatsächlich im Bemessungszeitraum erhaltene Streikgeld in die Berechnung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt einzubeziehen, aus dem dann das konkrete Elterngeld abgeleitet wird.

Tenor:

Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 24. August 2007 und vom 15. Januar 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2009 und des Bescheids vom 14. Juli 2009 verpflichtet, der Klägerin auf den Antrag vom 7. Mai 2007 hin Elterngeld in gesetzlicher Höhe mit der Maßgabe zu gewähren, das von der Klägerin im Bemessungszeitraum bezogene Streikgeld als Einkommen bei der Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens zu berücksichtigen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Bewilligung höheren Elterngeldes aufgrund eines nach ihrer Auffassung höher anzusetzenden Durchschnittseinkommens im Bemessungszeitraum.

2

Die Klägerin, geboren im Jahr 1971, ist Angestellte im öffentlichen Dienst und Gewerkschaftsmitglied. Ihr übliches Gehalt im Jahr 2006 betrug monatlich 2.381,13 EUR brutto zzgl Urlaubsgeld im Juli 2006. In den Monaten März bis Juni 2006 nahm die Klägerin während der tariflichen Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst an gewerkschaftlich organisierten Streikaktionen teil. Der Arbeitgeber kürzte den Bruttolohn der Klägerin in den vier Monaten entsprechend der Anzahl der Tage, an denen die Klägerin am Arbeitskampf teilnahm, um insgesamt 2.323,37 EUR. Während dieser Zeit erhielt die Klägerin von ihrer Gewerkschaft Streikgeld iHv insgesamt 1.945,60 EUR.

3

Am 6. Februar 2007 brachte die Klägerin ihr Kind G. zur Welt und beantragte am 22. Februar 2007 für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes Elterngeld beim Beklagten.

4

Dieser bewilligte ihr mit Bescheid vom 24. August 2007 Elterngeld iHv zunächst 699,82 EUR monatlich. Unter Berücksichtigung des Bezugs von Mutterschaftsgeld ab Dezember 2006 lag der Bewilligung ein ermitteltes Durchschnittseinkommen in den Monaten von Dezember 2005 bis November 2006 iHv 1.044,51 EUR zugrunde. Dabei bezog der Beklagte nur das streikbedingt verringerte Gehalt in den Monaten März bis Juni 2006 ein. Das von der Gewerkschaft in diesem Zeitraum gezahlte Streikgeld iHv insgesamt 1.945,60 EUR berücksichtigte er hingegen nicht. Außerdem ließ der Beklagte die Auswirkungen eines zum Oktober 2006 durchgeführten Wechsels der Lohnsteuerklasse außer Betracht.

5

Mit Schreiben vom 21. September 2007 legte die Klägerin gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch ein und wandte sich gegen die Nichtberücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels sowie die Handhabung der Streikauswirkungen.

6

Am 15. Januar 2008 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 24. August 2007 aufgrund eines Berechnungsfehlers auf und setzte das monatliche Elterngeld auf 695,54 EUR neu fest. Das zugrunde liegende Einkommen im Bemessungszeitraum verringerte sich nunmehr auf 1.038,12 EUR. Im Übrigen hielt der Beklagte an der bisherigen Handhabung hinsichtlich des Lohnsteuerklassenwechsels und des Streikgeldes fest und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2009 als unbegründet zurück. Am 27. Februar 2009 hat die Klägerin Klage erhoben.

7

Im laufenden Klageverfahren hat der Beklagte unter dem 14. Juli 2009 einen Teil-Abhilfebescheid, mit dem er die zwischenzeitlich bekannt gewordene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Zulässigkeit eines Lohnsteuerklassenwechsels im Zusammenhang mit der Beantragung von Elterngeld umsetzte, erlassen. Das Klageverfahren hat sich insoweit erledigt. Der Beklagte hat nunmehr Elterngeld iHv 768,99 EUR monatlich, ausgehend von einem monatlichen Durchschnittseinkommen im Bemessungszeitraum iHv 1.147,74 EUR bewilligt.

8

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor, die Streikbeteiligung dürfe keine Reduzierung des Elterngeldes nach sich ziehen. Die bei Streikbeteiligung drohende Kürzung des Elterngeldes sei nicht mit der Koalitions- und Streikfreiheit gemäß Art 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) vereinbar. Auch liege eine gegen Art 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber nicht gewerkschaftlich organisierten Angestellten des öffentlichen Dienstes vor, die vom Streikergebnis profitieren, ohne Kürzungen des Elterngeldes befürchten zu müssen.

9

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 24. August 2007 und 15. Januar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2009 sowie des Teil-Abhilfebescheides vom 14. Juli 2009 zu verurteilen, bei der Berechnung des Elterngeldes auch in den Monaten März, April, Mai und Juni 2006 das ungekürzte Arbeitsentgelt iHv jeweils 2.381,13 EUR brutto,

10

hilfsweise

das für diesen Zeitraum von der H. (I.) iHv 1.945,60 EUR gezahlte Streikgeld zusätzlich zugrunde zu legen und entsprechend höheres Elterngeld zu bewilligen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Er verweist darauf, dass das Streikgeld nach aktueller Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht zu den zu versteuernden Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG zähle.

13

Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Verwaltungsakte des Beklagten, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 31. August 2009 waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die form- und fristgerecht erhobene Klage hat teilweise Erfolg.

15

Die angegriffene Bewilligungsentscheidung des Beklagten hat sich als teilweise rechtswidrig erwiesen und beschwert insoweit die Klägerin,§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf eine Neuberechnung des ihr zustehenden Elterngeldanspruchs unter Einbeziehung des Streikgeldes bei der Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens (I.). Eine Einbeziehung des fiktiven Gehalts, das die Klägerin ohne Teilnahme am Streik bezogen hätte, kommt indes nicht in Betracht (II.).

16

Gemäß § 2 Abs. 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen.

17

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG unterliegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Einkommenssteuer. Gemäß § 24 Nr. 1a EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind.

18

I.

Das der Klägerin von ihrer Gewerkschaft während des Streiks gezahlte Streikgeld ist als Einkommen bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Durchschnittseinkommens im Bemessungszeitraum zu berücksichtigen, obwohl es nach Auffassung des 10. Senats des Bundesfinanzhofs und der diesem folgenden steuerlichen Praxis nicht zu den zu versteuernden Einkünften gemäß § 2 Abs. 1 EStG zählt.

19

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts handelt es sich bei Streikgeldern um Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG, die zu den zu versteuernden Einnahmen im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gehören (vgl Seeger in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 24 Rn 2). Das Gericht folgt damit der älteren Rechtsprechung des 3. Senats des Bundesfinanzhofes zur Einordnung von Streikgeldern.

20

Das Gericht übersieht dabei nicht, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich nicht der sozialrechtliche, sondern der steuerrechtliche Einkommensbegriff im Rahmen des BEEG zugrunde zu legen ist. Maßgeblich sind demnach nur die (positiven) Einkünfte, die der Einkommenssteuer unterliegen (ausführlich zum Einkommensbegriff des BEEG vgl. z.B. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 2008 - L 13 EG 32/08 -, dort Rn 27-29 m.w.N.). Aufgrund dieser Orientierung an der steuerrechtlichen Vorgaben ist grundsätzlich hinzunehmen, dass es in einzelnen Fällen - z.B. wenn wesentliche Teile des monatlichen Einkommens vor der Geburt aus steuerfreien Nacht- und Feiertagszuschlägen bestehen - zu nachvollziehbaren Verständnisproblemen seitens der Leistungsbezieher kommt. In Bezug auf die Behandlung des Streikgeldes ist jedoch zu berücksichtigen, dass die steuerrechtliche Behandlung von Streikgeldern im EStG in der Vergangenheit zwischen den beteiligten Senaten des Bundesfinanzhofs umstritten war und bis heute keine endgültige juristische Klärung erfolgt ist (dazu unter 1.). Das EStG enthält keine klare Regelung zu Streikgeldern. Nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundesfinanzhofs ist vertretbar, Streikgeld als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG und damit als Teil des zu versteuernden Einkommens i.S. des § 2 Abs. 1 EStG anzusehen. Unter diesen Umständen kann trotz und gerade wegen des Verweises in § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG auf § 2 Abs. 1 EStG auf eine eigene sozialrechtliche Bewertung nicht verzichtet werden. Ein schlichter Verweis auf die derzeitige steuerliche Handhabung greift in diesem Falle zu kurz (entgegen SG München, Urteil vom 15. Januar 2009 - S 30 EG 59/08 -). Bei der Beurteilung des Streikgeldes im Rahmen der Einkommensermittlung nach dem BEEG sind vor dem Hintergrund der steuerrechtlich nicht abschließend geklärten Frage über die steuerrechtliche Einordnung des Streikgeldes insbesondere Sinn und Zweck der Vorgaben des BEEG (dazu unter 2.) sowie die hier berührten Grundrechte der Klägerin aus Art 3 Abs. 1 und Art 9 Abs. 3 GG zu beachten (dazu unter 3.).

21

1.)

Nach der Systematik des Einkommenssteuerrechts sind alle Einnahmen einkommenssteuerfrei, solange sie nicht ausdrücklich der Besteuerung unterworfen werden. Die steuerliche Behandlung von Streikgeld ist im EStG nicht konkret geregelt, anders als z.B. die Behandlung von Nacht- und Feiertagszuschlägen, die gemäß § 3b Abs. 1 EStG ausdrücklich steuerfrei sind. Eine Steuerpflichtigkeit ergibt sich jedoch dann, wenn es sich beim Streikgeld um eine - der Einkommenssteuer ausdrücklich unterliegende - Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG handelt.

22

Die steuerrechtliche Behandlung von Streikunterstützungen im Rahmen des § 24 EStG wurde in der Vergangenheit von den bisher mit dieser Materie befassten Senaten des Bundesfinanzhofs unterschiedlich beurteilt. Während der seinerzeit zuständige 3. Senat und zunächst auch der 6. Senat in ihrer Rechtsprechung die Auffassung vertraten, es handele sich bei Streikgeldern um Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG (vgl BFH, Urteil vom 30. März 1982 - III R 150/80 -; BFH, Urteil vom 30. Oktober 1970 - VI R 273/67 -), vertritt der 10. Senat die Auffassung, Streikgelder seien gerade keine Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG (vgl BFH, Urteil vom 24. Oktober 1990 - X R 161/88 -) und damit auch nicht der Einkommenssteuerpflicht unterworfen.

23

Die juristische Streitfrage wurde jedoch, soweit ersichtlich, bisher nicht durch Anrufung des Gemeinsamen Senats des Bundesfinanzhofs geklärt, weil die alleinige Zuständigkeit zwischenzeitlich dem 10. Senat übertragen wurde und daher keine uneinheitliche Rechtsprechung der Senate mehr zu erwarten ist (vgl BFH, Urteil vom 24. Oktober 1990 - X R 161/88 - Rn 25). Aufgrund der Rechtsprechung des 10. Senats werden Streikgelder seit Beginn der 1990er Jahre in der steuerrechtlichen Praxis nicht als Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG behandelt (vgl in diesem Sinne z.B. BFH, Urteil vom 24. Oktober 1997 - VI R 23/94 -). In der juristischen Theorie - ohne Rücksicht auf die Durchsetzbarkeit in der Praxis - erscheint die Auffassung des 3. Senats weiterhin vertretbar.

24

Übereinstimmung besteht unter den Senaten im Grundsatz darin, dass der Begriff der Entschädigung in § 24 EStG voraussetzt, dass der Steuerpflichtige unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt hat und das schadenstiftende - d.h. das zum Ausfall der Lohnzahlung führende - Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt hat (vgl Darstellung m.w.N. im Urteil des 10. Senats vom 24. Oktober 1990 - X R 161/88 - Rn 18 ff). Unstreitig ist auch, dass zur Herbeiführung eines Streiks eine Urabstimmung der Arbeitnehmer und eine Genehmigung des Streiks durch den Vorstand der Gewerkschaft bedarf, wobei mindestens 75% der gewerkschaftlich organisierten Mitglieder dem Streik zustimmen müssen. Das einzelne Mitglied kann demnach, auch wenn es selbst nach eigener Überzeugung gegen den Streik ist, von der Mehrheit überstimmt werden und aufgrund seiner satzungsmäßigen Unterworfenheit unter die Abstimmungsregeln und der Verpflichtung zur Solidarität dem Kollektiv gegenüber den Streik mittragen müssen.

25

Nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundesfinanzhofs seien die Voraussetzungen für die Einordnung von Streikgeldern als Entschädigungen erfüllt, weil der Einzelne am streikbedingten Lohnausfall im rechtlichen Sinne nicht zwingend mitgewirkt hat, sondern aufgrund seiner Einbindung in die gewerkschaftliche Willensbildung und seiner Unterworfenheit unter die Ergebnisse gezwungen ist, am Streik teilzunehmen. Der definitionsgemäß vorausgesetzte Druck und die Voraussetzung des Vorliegens eines fremdveranlassten Schadensereignisses seien damit erfüllt. Streikgelder, die als Ersatz für entgangenen Arbeitslohn von der Gewerkschaft gezahlt werden, hätten demnach den Charakter von Entschädigungen (vgl BFH, Urteil vom 30. März 1982 - III R 150/80 -).

26

Der 10. Senat des Bundesfinanzhofs vertritt demgegenüber die Auffassung, der Einzelne habe durch seine freiwillige Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und die freiwillige Unterwerfung unter deren satzungsmäßig beschlossene Maßnahmen den Schaden in Gestalt des streikbedingten Lohnausfalls letztlich selbst herbeigeführt, so dass die Voraussetzungen für die Ansehung des Streikgeldes als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG nicht mehr erfüllt seien (vgl BFH, Urteil vom 24. Oktober 1990 - X R 161/88 -).

27

Die vom 3. Senat des Bundesfinanzhofs vertretene Rechtsauffassung über die Einordnung von Streikgeldern als Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG ist aus Sicht des erkennenden Gerichts überzeugender. Sie entspricht dem Charakter des Streikgeldes, das aus Sicht und Wahrnehmung des Einzelnen tatsächlich als wenigstens teilweiser Ersatz für den streikbedingt ausfallenden Arbeitslohn dient und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem streikbedingten Wegfall des Arbeitslohnes steht. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre es konsequent, Streikgeld in der steuerlichen Praxis als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG einzustufen mit der Folge, dass der Einzelne es dann auch zu versteuern hätte. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung ist für die steuerliche Praxis zwar nicht maßgebend. Im Rahmen der Berechnung des Durchschnittseinkommens nach den Vorgaben des BEEG kann und muss das Streikgeld unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des 3. Senats jedoch als Teil des zu versteuernden Einkommens angesehen werden.

28

Dieser Einordnung von Streikunterstützungen steht auch nicht entgegen, dass der Einzelne zuvor freiwillig der Gewerkschaft beigetreten ist und sich damit den satzungsgemäßen Handlungen der Gewerkschaft unterworfen hat. Zwar wird damit grundsätzlich in Kauf genommen, Mehrheitsentscheidungen auch gegen den eigenen Willen mittragen zu müssen. Bis zum konkreten Lohnausfall aufgrund einer Streikaktion sind jedoch noch wesentliche Zwischenschritte erforderlich, auf die der Einzelne im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeiten nur teilweise Einfluss nehmen kann. In diesem Rahmen kann er z.B. auf die Vermeidung eines Streiks hinarbeiten, wenn dies seiner Überzeugung in der konkreten Ausgangssituation entspricht. Der Einfluss des Einzelnen ist naturgemäß begrenzt. Trotzdem ist er gezwungen, am Ende den mehrheitlich beschlossenen und vom Vorstand genehmigten Streik mitzutragen. Er ist dadurch - trotz der generellen Einwilligung durch Beitritt zur Gewerkschaft - einem von außen auf ihn wirkenden Druck ausgesetzt. Das Streikgeld dient letztlich als Entschädigung für den hinzunehmenden Lohnausfall. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Einzelne mit der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ein verfassungsrechtlich verbürgtes Grundrecht ausübt.

29

Die hier vertretene Auffassung von der Ansehung des Streikgeldes als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1a EStG ist auch mit dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG vereinbar. Dieser stellt auf das Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG ab. Das Streikgeld als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG würde zu den der Einkommenssteuer unterliegenden Einkünften gemäߧ 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören und kann daher aus sozialrechtlicher Sicht im Rahmen des BEEG auch so behandelt werden, und zwar angesichts der streitig gebliebenen steuerrechtlichen Einordnung auch in Ansehung der derzeitigen anders ausgerichteten steuerrechtlichen Praxis.

30

2.)

Für die Behandlung des Streikgeldes als Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 1 BEEG sprechen auch Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber des BEEG mit der Anknüpfung an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff verfolgte. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Elterngeld als Leistung von mindestens 67 v.H. des bisherigen Einkommens einen finanziellen Schonraum in der Frühphase der Elternzeit eröffnen und dazu beitragen, dass es beiden Elternteilen durch Vermeidung von Gehaltseinbußen auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern (vgl BT-Ds 16/2785, Seite 2). Die Anknüpfung an den steuerlichen Einkommensbegriff geht dabei auf einen Vorschlag des Bundesrats zurück und war in erster Linie dadurch motiviert, dass die meisten Elterngeldberechtigten einkommenssteuerpflichtig seien (vgl BT-Ds 16/2785, Seite 37; Pauli in: Hambüchen, BEEG-EStG-BKGG, § 2 BEEG Rn 1). Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Summe der positiven Einkünfte - nur diese sind gemäß § 2 Abs. 1 EStG zu versteuern - wird die spezifisch steuerrechtliche Möglichkeit eines Verlustausgleichs zwischen den einzelnen Einkunftsarten ausgeschlossen (vgl BT-Ds 16/2785, Seite 37). Es sollte demnach ausdrücklich darauf ankommen, was den Eltern vor der Geburt des Kindes tatsächlich an Einkommen zufloss und zur Verfügung stand. Der sozialpolitisch verfolgte Zweck, der mit der Anknüpfung des Elterngeldes an die positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG verfolgt wird, nämlich der Erhalt der wirtschaftlichen Ausgangslage der Eltern vor der Geburt des Kindes und dadurch die Abfederung der finanziellen Einbußen durch die Unterbrechung der Berufstätigkeit, spricht dafür, auch Einnahmen wie das Streikgeld zu berücksichtigen. Denn Streikgelder erfüllen für die Empfänger keine andere Funktion als der normalerweise fließende Arbeitslohn. Es handelt sich um positive Einkünfte. Das Streikgeld steht im Bemessungszeitraum zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Es stellt einen Ausgleich für den streikbedingt verminderten Arbeitslohn dar und hat entgegen der Auffassung des 10. Senats des Bundesfinanzhofs letztlich doch den Charakter einer Entschädigung.

31

Die Argumentation auf Grundlage des Sinns und Zwecks der Vorgaben in § 2 BEEG spricht im Prinzip auch für die Einbeziehung z.B. von Nacht- und Feiertagszuschlägen, die ebenfalls dem Empfänger als Teil seines Einkommens zufließen und zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Anders als im Falle des Streikgeldes sind die Nacht- und Feiertagszuschläge jedoch in § 3b EStG ausdrücklich von der Besteuerung ausgenommen. Die klare Gesetzesfassung sowohl des § 2 BEEG als auch der §§ 2 und 3b EStG lässt eine Einbeziehung bei der Elterngeldberechnung ausdrücklich nicht zu. Hingegen besteht für Streikgelder - wie dargestellt - auf Grundlage der Rechtsprechung des 3. Senates des Bundesfinanzhofs über § 24 Nr. 1a EStG eine juristisch vertretbare Möglichkeit der Einbeziehung in die Einkommensberechnung.

32

3.)

Für die Berücksichtigung des tatsächlich erhaltenen Streikgeldes als Ersatz für den streikbedingt entfallenen Arbeitslohn im Rahmen der Berechnung des Durchschnittseinkommens gemäß § 2 BEEG sprechen mit einigem Gewicht auch verfassungsrechtliche Erwägungen. Eine Nichtberücksichtigung des tatsächlich erhaltenen Streikgeldes bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommens berührt die Klägerin in ihren Rechten aus Art 9 Abs. 3 GG (a) und Art 3 Abs. 1 GG (b).

33

(a)

Die unter den Beteiligten streitige Behandlung des Streikgeldes berührt den Schutzbereich des Art 9 Abs. 3 GG, d.h. die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit und das Recht auf koalitionsmäßige Betätigung (Streikrecht). Der Schutzbereich des Art 9 Abs. 3 GG umfasst das Recht auf Bildung von Vereinigungen, deren Zweck in der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen besteht (vgl Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 8 Aufl. 2006, Art 9 Rn 34). Dabei ist sowohl die individuelle als auch die kollektive Koalitionsfreiheit geschützt. Zu den geschützten individuellen Tätigkeiten gehören dabei die Gründung und der Beitritt zu einer Koalition sowie die spezifische koalitionsmäßige Betätigung, z.B. die Teilnahme an Streiks.

34

Der Schutzbereich ist durch die Frage der Behandlung des Streikgeldes im Rahmen der Bestimmung des Durchschnittseinkommens im Bemessungszeitraum gemäß § 2 Abs. 1 BEEG eröffnet, denn die individuelle Ausübung des Grundrechts aus Art 9 Abs. 3 GG durch die Klägerin im Rahmen des Arbeitskampfes im öffentlichen Dienst im Jahr 2006 hat durch den damit einhergehenden Wegfall des Arbeitslohnes und dessen teilweisen Ersatz durch das von der Gewerkschaft gezahlte Streikgeld unmittelbare Auswirkung auf die Höhe des maßgeblichen Durchschnittseinkommens und damit auch des daraus ermittelten Elterngeldes. Ein Eingriff in den Schutzbereich ist nicht auszuschließen. Die Klägerin hat nach geltendem Arbeitskampfrecht zwar hinzunehmen, dass die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers während der Streikaktionen entfällt. Die damit verbundenen Nachteile muss sie als Folge der Ausübung ihres Grundrechts aus Art 9 Abs. 3 GG tragen. Durch das von der Gewerkschaft gezahlte Streikgeld wird der Lohnfortfall auch nur teilweise ausgeglichen. Eine Nichtberücksichtigung des statt des Arbeitslohnes bezogenen Streikgeldes im Rahmen der Einkommensberechnung nach dem BEEG stellte jedoch einen darüber hinaus gehenden Nachteil dar. Denn die Klägerin erlitte durch die Teilnahme am Streik nicht nur den üblichen Lohnausfall, sondern müsste als weitergehende Folge auch noch mit einem verringerten Elterngeld rechnen, wenn der Streik in den Bemessungszeitraum gemäß § 2 BEEG fällt. Diese zusätzliche Folge kann die Klägerin - und so wie sie alle Personen, die innerhalb eines Jahres nach dem Streik Elterngeld beantragen wollen - in der Ausübung ihres Streikrechts beeinflussen und in der Vorausschau auf die wirtschaftliche Situation nach der Geburt, die durch das Elterngeld gerade aufgefangen werden soll, eine Teilnahme unmöglich machen. Damit ist das Betätigungsrecht faktisch eingeschränkt. Zugleich ist die Vereinigungsfreiheit selbst betroffen, d.h. konkret das Recht der Klägerin auf Mitgliedschaft in einer Koalition, denn aufgrund ihrer Teilnahmeverpflichtung am kollektiven Arbeitskampf könnte sie die zu erwartenden besonderen Nachteile hinsichtlich der Elterngeldhöhe unter Umständen nur durch einen Austritt aus der Gewerkschaft verhindern. Eine sachliche Rechtfertigung für diesen möglichen Eingriff in den Schutzbereich des Art 9 Abs. 3 GG ist nicht erkennbar.

35

b.)

Auch der Schutzbereich des Art 3 Abs. 1 GG ist berührt. Das in Art 3 GG niedergelegte Gleichbehandlungsgebot schützt vor ungerechtfertigter Benachteiligung. Wesentlich gleiche Sachverhalte sollen nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden (vgl Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art 3 Rn 4). Art 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 10 EG 2/08 R - Rn 26).

36

Die Klägerin würde bei einer Nichtberücksichtigung des Streikgeldes in zweifacher Hinsicht entgegen Art 3 Abs. 1 GG benachteiligt. Zum einen hat sie durch die Teilnahme am Streik mit Blick auf das erwartete Elterngeld wesentlich größere Nachteile zu befürchten als Arbeitnehmer des gleichen Arbeitnehmers, die ebenfalls innerhalb von zwölf Monaten nach den Streikaktionen Elterngeld beantragen wollen, jedoch nicht Gewerkschaftsmitglieder sind. Die Vergleichsgruppe bilden dabei alle Arbeitnehmer, die innerhalb von zwölf Monaten nach dem Streik Elterngeld beantragen wollen. Zwar besteht zwischen den Mitgliedern, die Gewerkschaftsmitglied sind, und denen, die nicht Gewerkschaftsmitglied sind, ein Unterschied gerade wegen der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und der damit verbundenen Teilnahme am Streik. Dieser Unterschied ist jedoch nicht von solcher Art und Gewicht, dass die ungleiche Behandlung in Bezug auf die Berücksichtigung des Arbeitslohnes einerseits und des als Ersatz bezogenen Streikgeldes andererseits gerechtfertigt erscheint. Es ist nicht zu beanstanden, dass Gewerkschaftsmitglieder gegenüber den Nichtgewerkschaftsmitgliedern ein geringeres Durchschnittseinkommen im Bemessungszeitraum haben, weil im BEEG auf das tatsächliche Einkommen abgestellt wird und das Einkommen auch unter Einbeziehung des Streikgeldes tatsächlich geringer war. Es erscheint jedoch nicht gerechtfertigt, das Streikgeld, das auch tatsächliches Einkommen darstellt, bei den Gewerkschaftsmitgliedern gerade nicht zu berücksichtigen.

37

Zum anderen wäre die Klägerin als weibliches Gewerkschaftsmitglied gegenüber männlichen Gewerkschaftsmitgliedern benachteiligt. Die Vergleichsgruppe bilden in diesem Falle die vom konkreten Arbeitskampf betroffenen Gewerkschaftsmitglieder insgesamt. Statistisch nehmen weiterhin zum überwiegenden Teil Frauen das Elterngeld in Anspruch. Eine Nichtberücksichtigung des Streikgeldes im Rahmen der Einkommensermittlung nach dem BEEG trifft daher faktisch in erster Linie weibliche Gewerkschaftsmitglieder. Ihnen wird die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft sowie die Ausübung des Streikrechts auf diese Weise gegenüber ihren männlichen Arbeits- und Gewerkschaftskollegen wesentlich stärker erschwert bzw. die Folgen eines Streiks träfen sie wesentlich härter, denn die männlichen Kollegen haben die elterngeldrechtlichen Nachteile des Bezugs von Streikgeld faktisch nicht in gleicher Weise zu befürchten.

38

Unter Berücksichtigung der im Grundgesetz verbürgten Rechte der Klägerin aus Art 3 Abs. 1 GG und Art 9 Abs. 3 GG spricht - neben den dargestellten steuerrechtlichen Bezügen - auch die Beurteilung im Lichte der Grundrechte im Ergebnis für eine Einbeziehung des tatsächlich im Bemessungszeitraum erhaltenen Streikgeldes in die Berechnung des maßgeblichen Durchschnittseinkommens in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt, aus dem dann das konkrete Elterngeld abgeleitet wird.

39

II.

Eine Berücksichtigung des fiktiven Einkommens der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit, das sie erhalten hätte, wenn sie nicht an den Streikaktionen ihrer Gewerkschaft teilgenommen hätte, kommt indessen nicht in Betracht. Die Klage konnte insoweit keinen Erfolg haben.

40

Das Gericht kann hinsichtlich der Berücksichtigung von Einkommen, das im Bemessungszeitraum nicht tatsächlich zugeflossen ist, keine Rechtsgrundlage erkennen und hat zugleich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der geltenden Gesetzesfassung. Die Regelung des BEEG zu Frage, welches Einkommen zu berücksichtigen ist, sind klar und eindeutig. Maßgeblich sind die positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG. Ein fiktives Einkommen stellt kein steuerrechtlich relevantes Einkommen dar. Während es bei verschiedenen tatsächlichen Einnahmen streitig sein kann, ob sie der Einkommenssteuer unterliegen, steht für fiktive Einkünfte fest, dass eine Besteuerung von vornherein nicht in Betracht kommt. Es kommt nach dem Willen des Gesetzgebers darauf an, was dem Elterngeldberechtigten im Bemessungszeitraum tatsächlich an Einkommen zur Verfügung stand (siehe obern unter I.2). Denn nur in Relation zum tatsächlich vorhandenen Einkommen ist auch das Ausmaß der wirtschaftlichen Einbuße aufgrund der kindbedingten Unterbrechung der Berufstätigkeit zu ermessen. Das Elterngeld dient seinem Charakter nach als Einkommensersatz (vgl Bundessozialgericht, urteil vom 19. Februar 2009 - B 10 EG 2/08 R - Rn 29). Während es aus diesem Grunde gerechtfertigt erscheint, dass der Klägerin tatsächlich zugeflossene Streikgeld bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommen zu berücksichtigen, ist ein fiktiver Bezug von Einkommen für die tatsächliche Veränderung der Einkommenssituation aufgrund der Unterbrechung der Berufstätigkeit irrelevant. Die Einkommenseinbuße der Klägerin steht auch gar nicht mit der Geburt ihres Kindes im Zusammenhang, sondern mit den Streikaktionen in den betroffenen Monaten. Ein Ausgleich derartiger Einkommenseinbußen ist nicht Ziel und Aufgabe des BEEG.

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Auch verfassungsrechtliche Erwägungen führen insoweit zu keiner anderen Bewertung. Durch die Anknüpfung an den Durchschnitt des tatsächlich bezogenen Einkommens in den zwölf Kalendermonaten vor Geburt des Kindes hat der Gesetzgeber die Grenzen seines Gestaltungsspielraums eingehalten. Das Elterngeld dient nicht dem allgemeinen sozialen Ausgleich. Wie an anderer Stelle ausgeführt, erscheint die Einbeziehung und Berücksichtigung des tatsächlich erhaltenen Streikgeldes im Bemessungszeitraum vor dem Hintergrund der Grundrechte in Art 3 Abs. 1 GG und Art 9 Abs. 3 GG geboten und ist mit Blick auf steuerrechtliche Problematik auch mit dem Gesetzeswortlaut und Sinn und Zweck vereinbar. Eine Berücksichtigung fiktiver Einkommensanteile ist jedoch weder nach dem Wortlaut noch mit Blick auf Charakter und Ziele des Elterngeldes gerechtfertigt. Die Klägerin erleidet durch die Einbeziehung nur des Streikgeldes und nicht des fiktiven Einkommens ohne Streikauswirkung keine weitergehenden Nachteile.

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III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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IV.

Die Revision wurde auf Antrag der Klägerin gemäß §§ 161 Abs. 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Diese knüpft zum einen an die fragliche steuerrechtliche Behandlung des Streikgeldes und die Frage der Bindung der Sozialgerichte an die steuerliche Praxis an. Die Klägerin hat an ihrem konkreten Fall zum anderen aufgezeigt, dass die Durchführung des BEEG gemäß den gesetzlichen Vorgaben nachteilige Auswirkungen auf die Verwirklichung des Grundrechts aus Art 9 Abs. 3 GG sowie möglicherweise aus Art 3 Abs. 1 GG haben kann. Das erkennende Gericht anerkennt jedoch die Bedeutung der Angelegenheit, die in der Sache grundsätzlich für die in Art 9 Abs. 3 GG genannten Vereinigungen und deren Mitglieder relevant ist und damit über das Interesse der Klägerin selbst hinausreicht. Das Interesse an einer zügigen obergerichtlichen Klärung erscheint vor diesem Hintergrund gerechtfertigt. Der Beklagte hat der Einlegung der Revision unter Verzicht auf die Berufungsinstanz im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 31. August 2009 ausdrücklich zu Protokoll zugestimmt.