Sozialgericht Stade
Beschl. v. 08.04.2009, Az.: S 1 KR 233/08 ER
Anforderungen an einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld bei gesetzlicher Krankenversicherung
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 08.04.2009
- Aktenzeichen
- S 1 KR 233/08 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 19138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2009:0408.S1KR233.08ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG
- § 86b Abs. 1 S 1 Nr. 2 SGG
- § 51 Abs. 1 S. 1 SGB V
- § 51 Abs. 3 S. 1 SGB V
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die wirksame Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe setzt einen Anspruch auf Krankengeld, das Vorliegen einer erheblichen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, ein ärztliches Gutachten, die Ausübung von Ermessen auf Seiten der Krankenkasse und eine Fristsetzung tatbestandlich voraus.
- 2.
In § 51 Abs. 1 S 1 SGB V ist nicht definiert was unter einem "ärztlichen Gutachten" zu verstehen ist.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 1. Oktober 2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2008 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin wird im Wege der Anordnung nach § 86b Absatz 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verpflichtet, der Antragstellerin über den 17. Juli 2008 hinaus Krankengeld nach Maßgabe der Bestimmungen des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch ( SGB V) zu zahlen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin die Fortzahlung von Krankengeld über den 17. Juli 2008 hinaus.
Die im Dezember 1961 geborene Antragstellerin ist seit 1. Juli 1986 bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Sie leidet seit etwa zwanzig Jahren unter Multipler Sklerose (MS) mit Mobilitätseinschränkungen. Der diese Krankheit behandelnde Facharzt für Neurologie Dr. D. diagnostizierte am 14. Februar 2008 eine EMD (Enzephalomyelitis disseminata), schubförmig mit Wesensänderung und eine Depression in Remission und leitete eine Mitoxantronbehandlung ein (Bericht von Dr. D. vom 14. Februar 2008). Ferner war bei der Antragstellerin im November 2007 ein Brustkrebs diagnostiziert worden. Sie unterzog sich im November und Dezember 2007 Operationen an der rechten Brust. Anschließend empfahl die behandelnde Fachärztin für Radiologie, Strahlentherapie und Palliativmedizin Dr. E., wegen eines akuten Krankheitsschubs der MS und einer damit einhergehenden ausgeprägten motorischen Unruhe der Antragstellerin auf die Strahlentherapie vorerst zu verzichten und als Systemtherapie eine Antioestrogenbehandlung einzuleiten (Bericht von Dr. E. vom 21. Februar 2008). Bei der Antragstellerin ist Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 1 festgestellt worden.
Die Antragstellerin war zuletzt bis zum 25. Januar 2008 als Büroangestellte bei der Stadtwerke Stade GmbH teilzeitbeschäftigt. In der Zeit vom 27. Januar 2008 bis zum 7. Februar 2008 unterzog sie sich aufgrund eines akuten Krankheitsschubs der MS und einer damit einhergehenden psychischen Störung einer stationären Krankenhausbehandlung. Sie ist seither arbeitsunfähig. Nach Lohnfortzahlung durch die Arbeitgeberin bezog die Antragstellerin ab 14. Februar 2008 Krankengeld (Bescheid vom 3. März 2008). Am 3. April 2008 gab Dr. D. im Rahmen einer Arztanfrage an, das Ende der Arbeitsunfähigkeit sei nicht absehbar. Daraufhin holte die Antragsgegnerin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) im Lande Bremen ein. Die Gutachterin, Ärztin für Anästhesie Dr. F., teilte unter dem 21. April 2008 mit: "Es besteht ein aufgehobenes Leistungsvermögen aufgrund der motorischen + psychoorganischen Syndrome/Störungen. Die med. Vor. § 51 SGB V liegen vor. Eine Besserung ist nicht zu erwarten (Betreuerin, Pflegestufe 1). Eine med. Rehabilitation hat keine positive Rehaprognose bezüglich des Erwerbslebens. ) Rentenantrag empfohlen." Auf diese Beurteilung gestützt, forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 5. Mai 2008 auf, bis zum 17. Juli 2008 einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei dem für die Antragstellerin zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen und erteilte den Hinweis: "Der Anspruch auf Krankengeld erlischt am 17.07.2008 ohne weitere Benachrichtigung, wenn uns bis zu diesem Tage nicht nachgewiesen ist, dass Maßnahmen zur Rehabilitation beantragt wurden (§ 51 Abs. 3 SGB V)." Nachdem die Antragstellerin hiergegen Widerspruch erhoben hatte, holte die Antragsgegnerin ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Niedersachsen und des MDK im Lande Bremen nach Aktenlage ein. Die Gutachterin Dr. F. führte am 8. Juli 2008 aus: "Bei beschriebenem ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndrom z.T. auch mit Verkennung der Situationen ( ) ist eine medizinische Rehabilitation ohne positive Prognose für das Erwerbsleben. Eine Rentenantragstellung wird daher empfohlen." Die Antragstellerin legte einen weiteren Bericht des Dr. D. vom 11. Juli 2008 vor, in welchem der Arzt mitteilte, nach Beginn der Mitoxantrontherapie komme es nun zu einer deutlichen Besserung der Antragstellerin in allen Defizitbereichen, so dass aktuell die Prognoseeinschätzung hinsichtlich der Schwere des zu erwartenden weiterbestehenden Defizits absolut offen bleiben müsse. Zur Begründung ihres Widerspruchs machte sie im Wesentlichen geltend, der Bescheid vom 5. Mai 2008 sei rechtswidrig. Es liege eine fehlerhafte Ermessensentscheidung vor. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei das berechtigte Interesse der Antragstellerin an ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit unberücksichtigt geblieben. Die Aufforderung zur Beantragung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation innerhalb einer laufenden, ortsgebundenen, zur Wiederherstellung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit erforderlichen ärztlichen Behandlungsmaßnahme sei unverhältnismäßig. Die Stellungnahme vom 21. April 2008 und das Gutachten vom 8. Juli 2008 beruhten auf einem unvollständigen Akteninhalt und seien zur Begründung einer angeblich dauerhaften Aufhebung der Erwerbsfähigkeit ungeeignet. Am 16. Juli 2008 stellte der Vater der Antragstellerin beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Antragstellerin erklärte am 29. Juli 2008 die Rücknahme des Antrags. Unter dem 13. August 2008 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin sinngemäß mit, die Rücknahme des gestellten Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation habe dieselbe rechtliche Wirkung wie eine unterbliebene Antragstellung mit der Folge, dass der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf des 17. Juli 2008 weggefallen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 5. Mai 2008 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die medizinischen Voraussetzungen für die geforderte Antragstellung hätten bei der Antragstellerin vorgelegen. Dies habe der MDK in seinem Gutachten vom 21. April 2008 festgestellt. Danach sei die Erwerbsfähigkeit aufgrund der im Verfahren zur Feststellung einer Pflegestufe nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) erhobenen Befunde und festgestellten Gesundheitsstörungen erheblich gefährdet oder gemindert gewesen. Diese Auffassung habe bereits der behandelnde Arzt Dr. D. in einem Bericht an die Antragsgegnerin vom 3. April 2008 vertreten. Eine andere Prognose lasse sich auch nicht aus seinem weiteren Bericht an die Hausärztin Dr. G. vom 11. Juli 2008 ableiten, denn danach bleibe aktuell lediglich die Prognoseeinschätzung hinsichtlich der weiteren Schwere des zu erwartenden weiterbestehenden Defizits offen. Die Aufforderung nach § 51 Abs. 1 SGB V sei außerdem unter der gebotenen beiderseitigen Interessenabwägung erfolgt. Die Voraussetzungen für einen Verzicht der Antragsgegnerin auf die Stellung eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die damit verbundene Einschränkung des Gestaltungsrechts lägen hier nicht vor.
Am 1. Oktober 2008 hat die Antragstellerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 1. September 2008 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, von einer dauerhaften Aufhebung der Erwerbsfähigkeit als Voraussetzung für eine Rentengewährung und damit den von Seiten der Antragsgegnerin behaupteten Vorrang der Verrentung vor Rehabilitation könne nicht einmal im Ansatz die Rede sein. Die Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes habe wesentliche wirtschaftliche Nachteile zur Folge.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem Vortrag im schriftlichen Verfahren,
im Wege einstweiliger Anordnung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 1. Oktober 2008 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2008 und 13. August 2008 zur Versicherungsnummer 138 444 805 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2008 festzustellen und die Aufhebung der Vollziehung der Bescheide vom 5. Mai 2008 und 13. August 2008 anzuordnen und
anzuordnen, dass der Antragstellerin Krankengeldzahlungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, längstens bis zu einer Gesamtleistungsdauer von 78 Wochen beginnend ab dem 14. Februar 2008 auch nach dem 17. Juli 2008 in unveränderter Höhe weiterzuzahlen sind.
Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem Vortrag im schriftlichen Verfahren,
den Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 30. September 2008 und auf Aufhebung der Vollziehung der Bescheide vom 5. Mai 2008 und 13. August 2008 abzulehnen.
Die Antragsgegnerin meint, nach § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG entfalle die aufschiebende Wirkung der Klage. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Stellung eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hätte für die Antragstellerin keine konkreten Nachteile zur Folge. Im Gegensatz dazu würde eine vorläufige Regelung zu Gunsten der Antragstellerin faktisch zur Vorwegnahme der Hauptsache führen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte zu den Aktenzeichen S 1 KR 165/08 ER, S 1 KR 232/08 und S 1 KR 233/08 ER und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und Aufhebung der Vollziehung Erfolg. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig, insbesondere statthaft (1.). Der Antrag ist auch begründet. Denn die Klage der Antragstellerin gegen die Aufforderung, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen, wird voraussichtlich Erfolg haben und rechtfertigt deshalb den Vorrang ihres privaten Interesses an der aufschiebenden Wirkung der Klage gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes (2.). Soweit die Antragstellerin die Zahlung des Krankengeldes über den 17. Juli 2008 hinaus begehrt, handelt es sich um einen Antrag auf gerichtliche Anordnung der Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 S 2 SGG (3.).
1.
Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist es, die Zahlung von Krankengeld über den 17. Juli 2008 hinaus zu erreichen. Dieses Ziel wird durch den gerichtlichen Rechtsschutz in Anfechtungssachen erreicht. Rechtsgrundlage ist § 86b Abs. 1 S 1 Nr. 2 SGG. Nach dieser Norm kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Anfechtungsklage vom 1. Oktober 2008 gegen den Bescheid vom 5. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2008 hat nach § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG keine aufschiebende Wirkung. Nach dieser Norm entfällt die aufschiebende Wirkung für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Bei der Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation handelt es sich um einen die Antragstellerin belastenden Verwaltungsakt. Nach § 51 Abs. 1 S 1 SGB V kann die Krankenkasse Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben. Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist ( § 51 Abs. 3 S 1 SGB V). Zwar wird durch die Fristsetzung nicht unmittelbar eine laufende Leistung entzogen. Jedoch kann die Fristsetzung nach § 51 Abs. 1 S 1 SGB V zum Wegfall des Krankengeldanspruchs führen. Damit entspricht die Rechtsfolge der unterbliebenen Antragstellung innerhalb der gesetzten Frist dem Entziehen einer laufenden Leistung.
2.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, das so genannte Aussetzungsinteresse, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes, dem so genannten Vollzugsinteresse, überwiegt. Ob das der Fall ist, beurteilt sich maßgeblich anhand einer Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache aller Voraussicht nach Erfolg, so geht das Aussetzungs- dem Vollzugsinteresse vor und die#aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ist anzuordnen. Im umgekehrten Fall, wird der Rechtsbehelf in der Hauptsache aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben, überwiegt in aller Regel das Vollzugs- gegenüber dem Aussetzungsinteresse und der Antrag ist abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei der Grad der Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden kann. Es gilt der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringer sind die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten umso geringer, je schwerer die Verwaltungsmaßnahme wirkt oder rückgängig gemacht werden kann. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, die Klage aber später Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre ( Keller in: Meyer-Ladewig u.a. SGG § 86b Rn 12f m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Abwägungsgesichtspunkte ist die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 1. Oktober 2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2008 anzuordnen. Denn diese Klage hat Aussicht auf Erfolg. Nach der im Eilverfahren durchzuführenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der angegriffene Bescheid rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Fristsetzung nach § 51 Abs. 1 S 1 SGB V lagen nicht vor.
Eine wirksame Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe setzt einen Anspruch auf Krankengeld, das Vorliegen einer erheblichen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, ein ärztliches Gutachten, die Ausübung von Ermessen auf Seiten der Krankenkasse und eine Fristsetzung tatbestandlich voraus (Brinkhoff in: jurisPK-SGB V § 51 Rn 12). Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Stellungnahme des MDK vom 21. April 2008 entspricht nicht den Anforderungen an ein ärztliches Gutachten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Entscheidung vom 7. August 1991 (Az 1/3 RK 26/90) zum Begriff des ärztlichen Gutachtens in § 183 Abs. 7 S 1 Reichsversicherungsordnung (= § 51 Abs. 1 S 1 SGB V) ausgeführt: "In der Norm ist nicht definiert, was man unter einem "ärztlichen Gutachten" zu verstehen hat. Auch aus den Gesetzesmaterialien ( ) ergibt sich kein Anhalt für die Auslegung dieses Begriffs. Dass es sich aber um mehr als ein Attest oder eine Bescheinigung handeln muss, wird in der Literatur zu Recht angenommen ( ). Hierfür sprechen bereits der allgemeine Sprachgebrauch und insbesondere die in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis übliche Differenzierung. Danach ist eine ärztliche Stellungnahme nur dann ein Gutachten, wenn darin - jedenfalls summarisch - die erhobenen Befunde wiedergegeben werden und sich der Arzt - soweit es sich um ein sozialmedizinisches Gutachten handelt - zu den nach seiner Auffassung durch die festgestellten Gesundheitsstörungen bedingten Leistungseinschränkungen und ihrer voraussichtlich Dauer äußert ( )." Die als solche bezeichnete Stellungnahme des MDK vom 21. April 2008, welche Grundlage der Entscheidung der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2008 war, genügt den dargelegten Anforderungen nicht. In der ärztlichen Stellungnahme werden keine Befunde wiedergegeben. Zwar kann es in geeigneten Fällen ausreichen, wenn vorliegende Befunde nur nach Aktenlage gutachterlich ausgewertet werden (Brinkhoff in: jurisPK-SGB V § 51 Rn 15). Zwecks Gewährleistung der Überprüfbarkeit ist es in diesen Fällen jedoch notwendig, dass die ausgewerteten Fremdbefunde wiedergegeben werden. In der Stellungnahme des MDK vom 21. April 2008 wurden weder von diesem erhobene Befunde wiedergegeben noch ist erkennbar, welche Fremdbefunde ausgewertet wurden. Aufgrund der unter "vorliegende Unterlagen" angegebenen Abkürzungen "AA+ Ber." ist anzunehmen, dass die Angaben des Dr. D. vom 3. April 2008 und weitere Berichte ausgewertet wurden. Welche Berichte Dr. F. vorlagen, wurde allerdings nicht angegeben. Der sozialmedizinischen Beurteilung ist nicht zu entnehmen, welche konkreten Leistungseinschränkungen auf welche Krankheit der Antragstellerin zurückzuführen sein sollen. Die Rehabilitationserfolgsprognose wurde nicht begründet. Der Mangel des Vorliegens eines ärztlichen Gutachtens wird nicht durch das sozialmedizinische Gutachten vom 8. Juli 2008 geheilt. Denn dieses Gutachten lag der Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin nicht zugrunde. Im Widerspruchsbescheid vom 1. September 2008 findet das Gutachten keine Erwähnung.
Nach alledem liegt eine rechtmäßige Aufforderung, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen, nicht vor, mit der Folge, dass der Anspruch der Antragstellerin auf Krankengeld, dessen Bestehen zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, nicht weggefallen ist.
Die aufschiebende Wirkung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Verwaltungsaktes zurück. Das Gericht sieht davon ab, den Beginn der aufschiebenden Wirkung abweichend zu regeln. Denn eine Unterbrechung des Krankengeldanspruchs hätte im vorliegenden Fall jedenfalls vorläufig das Ende der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin zur Folge (vgl § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).
3.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 S 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Liegen die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 S 2 SGG vor, muss das Gericht entgegen dem insofern irreführenden Wortlaut der Vorschrift ("kann") die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Dies folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Bayerisches Landessozialgericht , Beschluss vom 14. März 2007 - L 8 B 48/07 SO ER). Danach ist die in der unterbliebenen Auszahlung des Krankengeldes ab 17. Juli 2008 zu sehende Vollziehung aufzuheben, indem die Verpflichtung zur Zahlung anzuordnen ist. In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass Sozialleistungen, die der Antragsteller per gerichtliche Eilentscheidung zugesprochen erhält, unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen. Dementsprechend hat der Antragsteller Sozialleistungen, die während eines Rechtsstreits aufgrund einer gerichtlichen Aussetzung der Vollziehung eines Entziehungsbescheids gezahlt wurden, grundsätzlich zu erstatten (Krodel: Das sozialgerichtliche Eilverfahren Rn 239; Bayerisches Landessozialgericht a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.