Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.02.2003, Az.: L 6 U 58/02
Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente aufgrund einer Hirnschädigung; Organisches Psychosyndrom als Folge eines Schädel-Hirn-Traumas; Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfall und Hirnschädigung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 20.02.2003
- Aktenzeichen
- L 6 U 58/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21103
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0220.L6U58.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - AZ: S 11 U 180/99
Rechtsgrundlagen
- § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG
- § 56 SGB VII
Redaktioneller Leitsatz
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss der Zusammenhang zwischen Gesundheitsstörung und Unfallereignis auf Grund medizinischer Befunde mit Wahrscheinlichkeit zu begründen sein.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 24. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Verletztenrente. Streitig ist, ob ein "organisches Psychosyndrom" wahrscheinlich Folge eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT) ist.
Der 1938 geborene Kläger betreibt gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Generalvertretung für Großmaschinen für chemische Reinigungen (s. im Einzelnen die anamnestischen Angaben gegenüber der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C. im Gutachten vom 21. Mai 2001, S. 13). Während einer Geschäftsreise in Russland verunglückte der Kläger am 28. Februar 1994, als der Fahrer des PKW, in dem der Kläger saß, auf einen parkenden LKW auffuhr (Unfallanzeige vom 20. Mai 1994). Die Beklagte nahm Versicherungsschutz an, weil der Kläger als Geschäftsführer lediglich 1 vom Hundert (vH) der Anteile am Stammkapital der GmbH hält (vgl. die Aktenvermerke vom 29. September und 4. November 1994). Die weiteren Anteile gehören der Ehefrau des Klägers (Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 1985). In den medizinischen Unterlagen des Regionalkrankenhauses der Stadt D. ist neben der Verletzung der Gesichtshaut die Diagnose einer "geschlossenen Schädel-Gehirnverletzung leichter Kategorie" festgehalten. Des Weiteren geht aus den Unterlagen hervor, dass abgesehen von der Weichteilschwellung im rechten Gesichtsbereich der klinisch-neurologische Untersuchungsbefund am 1. März 1994 unauffällig war. Der Gesundheitszustand des Klägers hatte sich gebessert, er reagierte normal, die Augenpupillen waren gleichmäßig, ein Nystagmus war nicht vorhanden. Gegenüber der Nervenärztin Dr. E. gab der Kläger später an, dass der Unfall sich gegen 12.00 Uhr ereignet habe. Das Erinnerungsvermögen setze ungefähr ab 19.30 Uhr wieder ein. Am nächsten Tage habe er "bereits einen klaren Gedanken fassen und auf die Verlegung nach Deutschland drängen" können (S. 3 des Gutachtens vom 18. April 1996). Nach Rückkehr in die Bundesrepublik suchte der Kläger am 9. März 1994 die Innere Abteilung des F. auf und berichtete, er sei leicht erschöpfbar, leide unter Konzentrationsschwierigkeiten, habe verstärkte Magen- und Rückenbeschwerden (Krankenbericht vom 14. März 1994). Wegen einer diagnostizierten Jochbeinfraktur rechts wurde der Kläger in die Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie des Zentralkrankenhauses (ZKH) G., überwiesen. Dort erfolgte die chirurgische Reposition, die "völlig korrekt" gelang. Die augenärztliche Abschlussuntersuchung ergab keinen auffälligen Befund (Krankenbericht vom 16. März 1994). Wegen "Konzentrationsschwäche" befand sich der Kläger weiter in hausärztlicher Behandlung. Im Attest vom 13. Dezember 1995 teilte Dr. H. mit, dass er klinische Ausfallerscheinungen im Sinne mnestischer Störungen nicht gefunden habe. Nach dem 4. August 1994 sei der Kläger wegen unfallbedingter Beschwerden nicht mehr vorstellig geworden, sodass er für die Zeit danach von einer "100 %igen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit" ausgehe. Wegen einer instabilen Angina Pectoris bei koronarer Dreigefäßerkrankung erfolgte im Mai 1995 eine Bypass-Operation (s. im Einzelnen den Krankenbericht vom 2. Juni 1995). Im November 1995 suchte der Kläger wegen zunehmender Konzentrations- und mnestischer Störungen das Zentrum für Neurologische Medizin im ZKH I. auf. Prof. Dr. J. hielt im Befundbericht vom 12. Januar 1996 einen "leicht pathologischen Befund in Form einer latenten Armparese rechts sowie deutlichere Koordinationsstörungen rechts und eine darüber hinausgehende Ataxie" fest. Vestibulookuläres System, CCT und Dopplersonographie waren unauffällig. Auch neuropsychologisch fanden sich keine fokalen Ausfälle. Jedoch habe sich "in längeren Gesprächen eine reduzierte Konzentrationsfähigkeit" ergeben. Zur weiteren Klärung empfahl Prof. Dr. J. eine MRT-Untersuchung und die Durchführung eines EEEG. Es sei "sehr gut möglich, dass die neurologische und hirnorganische Symptomatik noch Spätfolgen des SHT" seien. Daraufhin holte die Beklagte das nach ambulanter Untersuchung erstattete Gutachten der Nervenärztin Dr. E. vom 18. April 1996 ein.
Abweichend von der Befunderhebung durch Prof. Dr. J. vermochte Frau Dr. E. nur eine "geringe Ausfallssymptomatik in Form einer Empfindungsstörung an der rechten Oberlippe und Parästhesien in Form eines Schwellungsgefühls im Bereich des Mittelgesichtes rechts und eine diskrete Störung der Feinmotorik im linken Arm" festzustellen. Das EEG zeigte keine umschriebene cerebrale Funktionsstörung. Die Gutachterin fasste zusammen, dass eine klinisch-manifeste Ausfallssymptomatik nicht vorliege. Auch in EEG und CCT seien Hinweise auf umschriebene cerebrale Funktionsstörungen oder Kontusionsherde nicht zu finden. Eine kontusionelle Schädigung und damit ein kausaler Zusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden und dem Unfall am 28. Februar 1994 sei deshalb wenig wahrscheinlich. Da der Kläger eine kernspintomographische Untersuchung aus gesundheitlichen Gründen habe absagen müssen, empfahl Dr. E. eine stationäre Begutachtung, die Ende Februar 1997 im Zentrum für Neurologische Medizin des ZKH I. erfolgte.
Im neurologischen Gutachten vom 11. Juni 1997 fasste Prof. Dr. K. zusammen, dass "auf Grund der Vorgeschichte, der vorgebrachten Beschwerden und der neuropsychologischen Testung mit großer Wahrscheinlichkeit eine leichte hirnorganische Schädigung" (vgl. auch das Gutachten des Dipl.-Psych. L. vom 3. März 1997) bestehe, die sich aber nicht einer Hirnsubstanzschädigung zuordnen lasse. Denn der klinisch-neurologische Befund sei minimal und nicht sicher als fokales Zeichen zu werten. Alle apparativen neurologischen Zusatzuntersuchungen, insbesondere EEG, Ultraschall und MRT seien ohne Zeichen einer Hirnsubstanzschädigung. Das mache die Beurteilung eines Zusammenhangs mit dem Unfall "sehr schwer". Deshalb stelle sich die Frage, ob eine andere Ursache für das hirnorganische Psychosyndrom denkbar sei. Da sich anamnestisch kein Anhalt für ein anderes schädigendes Trauma im entsprechenden Zeitbereich ergebe, der Kläger glaubhaft den Beginn seiner Beschwerden auf die Zeit nach dem Unfall datiere und die Ausfälle nachvollziehbar und mit Beispielen aus dem Berufsalltag nach dem Unfall belege, sei der Unfall als Ursache wahrscheinlich. Zwar könnten bei einer koronaren Bypass-Operation hirnorganische Syndrome auftreten. Der Krankenbericht spreche aber von komplikationslosem Operationsverlauf und postoperativer Phase. Das schließe die Bypass-Operation als Ursache aus. Die im MRT beschriebenen etwas weiten Seitenventrikel seien ein unspezifischer Befund. Sie passten zwar zu einem leichten hirnorganischen Psychosyndrom, führten aber in der ätiologischen Einordnung nicht weiter. Der Gutachter schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) infolge von Sensibilitätsstörungen nach Jochbeinfraktur auf 10 und infolge eines hirnorganischen Psychosyndroms auf 20 vH. Die Gesamt-MdE betrage 25 vH. Demgegenüber vermochte Frau Dr. E. in der Stellungnahme vom 26. Juli 1997 einen wahrscheinlichen Zusammenhang mit dem Unfall nicht zu sehen, weil die bildgebenden Verfahren keine Hinweise auf eine traumatische Hirnsubstanzschädigung aufwiesen. Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger erneut in der Neurologischen Klinik des M. untersuchen.
Im Gutachten vom 21. April 1998 hielt Dr. N. fest, dass inhaltliche oder formale Denkstörungen nicht zu erkennen seien. In der Untersuchungssituation habe die konzentrative Aufmerksamkeit auch nach 2 Stunden nicht nachgelassen. Der Kläger habe die Vorgeschichte "mit allen Friktionen im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Verfahrens detailliert" geschildert. Die zeitlichen und personellen Angaben stimmten "vollkommen mit dem Akteninhalt überein". Der Vortragsstil sei flüssig, die Wortwahl geschickt gewesen. Ein gelegentliches Unterbrechen durch längere Pausen, in denen der Kläger zu sinnieren schien, änderten diesen Eindruck nicht. Denn der Kläger habe nach den Pausen den vorherigen Gesprächsinhalt, die Gedanken wieder aufnehmen und gemäß seinen Intentionen weiter entwickeln können. Eine im Alltagserleben auffällige Störung von Konzentrationsfähigkeit und Merkvermögen sei nicht festzustellen. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, der Kläger habe bei dem Unfall eine Jochbeinfraktur rechtsseitig mit peripherer Sensibilitätsstörung ohne wesentliche funktionelle Behinderung erlitten. Auf Grund der von ihm angegebenen Bewusstseinsstörung sei davon auszugehen, dass es bei dem Unfall zu einer Schädelhirnverletzung gekommen sei. Diese müsse aber leicht gewesen sein, da die Bewusstseinsstörung rasch abgeklungen sei und bereits in Russland keine signifikanten neurologischen Ausfalls- oder Herdsymptome festgestellt worden seien. Auch im Rahmen mehrfacher neurologischer Untersuchungen in der Bundesrepublik seien neuro-logische Herdsymptome nicht erhoben worden. Im Rahmen einer intensiven Zusatzdiagnostik seien weder funktionell im EEG noch bildgebend in CCT und MRT Hinweise auf umschriebene cerebrale Funktionsstörungen gefunden worden. Insbesondere habe sich kein Anhaltspunkt auf kontusionelle Defekte ergeben. Ergebnisse testpsychologischer Untersuchungen erlaubten keine Aussage zur Ätiologie der nachgewiesenen Störung. Die nunmehr 4 Jahre nach dem Unfall noch vorgetragenen Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen seien nicht auf das leichte SHT zurückzuführen. Zwar komme es durch ein leichtes SHT zu Allgemeinsymptomen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen. In der Regel pflegten solche Beschwerden jedoch innerhalb von Wochen bis höchstens einem halben Jahr abzuklingen. Eine MdE um 25 v.H. bis 31. August 1994 erscheine vertretbar. Die Beklagte folgte diesen Ausführungen und bewilligte dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Verletztenrente (Bescheid vom 27. Mai 1999). Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 20. September 1999).
Dagegen richtet sich die am 14. Oktober 1999 vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhobene Klage. Auf Antrag des Klägers hat die Leitende Medizinaldirektorin Dr. C. das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 21. Mai 2001 erstattet. Die Sachverständige fasste zusammen, dass die "diskreten pathologischen Befunde der neurologischen Untersuchung als möglicher Hinweis für eine abgelaufene cerebrale Schädigung zu deuten" seien. Die erhöhte Reizbarkeit und Irritierbarkeit sei mit einer Wesensänderung nach SHT "vereinbar". Das Ergebnis der neuro-psychologischen Testung (Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. O. vom 14. Mai 2001) spreche "eindeutig für das Vorliegen einer erworbenen hirnorganischen Schädigung". Da der Beginn der Beschwerdesymptomatik von dem Kläger auf die Zeit nach dem Unfall datiert werde und sich kein Anhalt für ein anderes Trauma ergebe, die Art der Beschwerden sowie der zeitliche Verlauf mit einem Zustand nach SHT "vereinbar" seien, sei der Unfall als "wahrscheinliche Ursache" der geklagten Beschwerden zu sehen. Die MdE schätzte die Sachverständige auf 30 vH. Zwar seien die Funktionsstörungen als leichtgradig zu werten; sie bedingten aber unter Berücksichtigung der Art der Erwerbstätigkeit des Klägers eine deutliche Beeinträchtigung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit. Dagegen hat die Beklagte das nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage des Dr. P. vom 20. September 2001 vorgelegt. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 24. Januar 2002 abgewiesen: Ein Zusammenhang der Beschwerden des Klägers mit der erlittenen leichten Gehirnerschütterung sei nicht wahrscheinlich.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 14. Februar 2002 eingelegten Berufung. Unter Hinweis auf die Ausführungen der Sachverständigen und des Prof. Dr. J. hält er an seiner Auffassung fest, dass seine Erwerbsfähigkeit infolge des SHT dauerhaft gemindert sei und hebt hervor, dass auf die Diagnostik in Russland nicht zurückgegriffen werden könne. Denn diese sei unzureichend gewesen. Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des SG Stade vom 24. Januar 2002 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1999 zu ändern,
- 2.
festzustellen, dass Folge des Arbeitsunfalls vom 28. Februar 1994 ein organisches Psychosyndrom nach SHT ist,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31. August 1994 hinaus Verletztenrente auf unbestimmte Zeit in Höhe von 30 v.H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Stade vom 24. Januar 2002 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben neben den Prozessakten die Unfallakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die - hinsichtlich des Feststellungsantrags gemäß § 55 Abs. 1 Ziff. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig. Denn die bei dem Arbeitsunfall am 28. Februar 1994 erlittene Jochbeinfraktur mindert die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht messbar, eine Gehirnerschütterung ist folgenlos ausgeheilt und ein "organisches Psychosyndrom" kann nicht mit der im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung (UV) erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf diesen Unfall zurückgeführt werden. Deshalb hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente jedenfalls über den 31. August 1994 hinaus (§ 56 Sozialgesetzbuch - SGB - VII).
Nicht entscheiden muss der Senat, ob bei dem Kläger tatsächlich ein "organisches Psychosyndrom" jedenfalls in einem die Zahlung von Verletztenrente rechtfertigenden, d.h. eine MdE um mindestens 20 v.H. bedingenden Ausmaß im Vollbeweis vorliegt. Allerdings bestehen daran trotz der Beurteilungen der Sach-verständigen Dr. C. und des Prof. Dr. J. erhebliche Zweifel, die sich schon aus dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 21. Mai 2001 ergeben. Denn die Sachverständige (a.a.O., S. 14 f.) vermochte Störungen der Auffassung, des Gedankengangs und der Merkfähigkeit nicht festzustellen. Dieses stimmt mit der von Dr. N. wieder gegebenen Beobachtung des Klägers in der Untersuchungssituation überein (S. 11 des neurologischen Gutachtens vom 21. April 1998: "auch nach 2 Stunden Untersuchung kein signifikantes Nachlassen der Konzentration, Kläger konnte Verfahrensablauf mit allen Friktionen schildern"). Darüber hinaus ist ein von der Sachverständigen (a.a.O., S. 26) angenommenes "leichtgradiges" hirnorganisches Psychosyndrom kaum zu begründen. Denn die von dem Kläger geschilderten unspezifischen Symptome können sowohl hirnorganisch als auch nicht hirnorganisch oder psychogen bedingt oder auch zweckgerichtet sein (nervenärztliches Gutachten des Dr. P. vom 20. September 2001, S. 3 f.). Diesen Zweifeln an einem "organischen Psychosyndrom" jedenfalls in rentenberechtigendem Ausmaß muss der Senat jedoch abschließend nicht nachgehen. Selbst wenn der Senat zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass dieser unter einem "organischen Psychosyndrom" in Gestalt einer leicht ausgeprägten Beeinträchtigung der geistig-seelischen Fertigkeiten leidet, ist kein für ihn günstiges Ergebnis die Folge. Denn jedenfalls kann der Zusammenhang dieser Gesundheitsstörung mit dem Arbeitsunfall nicht mit der im Recht der Gesetzlichen UV erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Insbesondere Dr. N. hat darauf hingewiesen, dass für diese Feststellung der Anknüpfungsbefund einer bei dem Unfall erlittenen substanziellen Hirnschädigung (Contusio cerebri), d.h. einer über eine bloße Gehirnerschütterung (Commotio cerebri), die erfahrungsgemäß innerhalb weniger Tage folgenlos ausheilt, hinausgehenden Verletzung erforderlich ist. Davon gehen im Ergebnis und in Übereinstimmung mit dem medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl. 1998, 5.11.2, S. 309 f.) alle gehörten Ärzte aus. Die intensive Diagnostik, d.h. dopplersonographische, encephalographische, neurophysiologische und insbesondere die bildgebenden Untersuchungen des Gehirns (CCT und MRT) haben nach den insoweit ebenfalls übereinstimmenden Ausführungen aller Ärzte aber keinen Hinweis auf eine unfallbedingte Hirnschädigung erbracht. Deshalb sind im Übrigen die in Russland erhobenen Befunde nicht von entscheidender Bedeutung, auch wenn sie - entgegen der Meinung des Klägers - vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Untersuchung in der Bundesrepublik plausibel sind. Insbesondere wäre die Angabe des Klägers gegenüber Frau Dr. E. nicht verständlich, er habe bereits einen Tag nach dem Unfall wieder "einen klaren Gedanken fassen" können (S. 3 des nervenärztlichen Gutachtens vom 18. April 1996), hätte der Kläger tatsächlich ein schweres SHT erlitten.
Vor dem Hintergrund dieser fehlenden Hinweise auf eine substanzielle Hirnverletzung kann der Zusammenhang eines "organischen Psychosyndroms" mit dem Arbeitsunfall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Daran ändern auch die Ausführungen der Sachverständigen und des Prof. Dr. J. nichts. Denn sie sind unschlüssig. - Die Sachverständige Dr. C. hat im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 21. Mai 2001 (S. 22) zusammengefasst, dass die diskreten pathologischen Befunde der neurologischen Untersuchungen lediglich als "möglicher Hinweis" für eine abgelaufene cerebrale Schädigung zu deuten seien. Auch eine erhöhte Reiz- und Irritierbarkeit sei mit einer Wesensänderung nach SHT lediglich "vereinbar". Das Ergebnis der neuropsychologischen Testung spreche zwar "eindeutig für das Vorliegen einer erworbenen hirnorganischen Schädigung". Eine Aussage zur Ursache erlauben testpsychologische Untersuchungen jedoch nicht (neurologisches Gutachten des Dr. N. vom 21. April 1998, S. 22). Trotzdem kommt die Sachverständige zu einem wahrscheinlichen Zusammenhang der Beschwerden des Klägers mit dem Arbeitsunfall. Das ist un-schlüssig. Zu solch einem Ergebnis allein über einen zeitlichen Zusammenhang von Beschwerden mit einem Versicherungsfall zu gelangen (S. 23 des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 21. Mai 2001), genügt den Anforderungen an eine medizinisch-wissenschaftliche Begründung des Kausalzusammenhangs in keiner Weise. Erforderlich sind vielmehr Hinweise aus klinisch-neurologischen und apparativen Befunden, um eine Aussage zu der Ursache hirnorganisch begründeter Beeinträchtigungen, die vielfältig sind (S. 6 ff. des nervenärztlichen Gutachtens des Dr. P. vom 20. September 2001), mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit treffen zu können. - Unschlüssig ist auch die Begründung des Kausalzusammenhangs durch Prof. Dr. J ... Denn im neurologischen Gutachten vom 11. Juni 1997 (S. 8) hat der Gutachter selbst hervorgehoben, dass weder durch den neurologisch klinischen Befund noch durch die umfangreiche Zusatzdiagnostik mit Bildgebung eine Hirnsubstanzschädigung nachweisbar sei. Zu der Annahme eines wahrscheinlichen Zusammenhangs zu dem Arbeitsunfall gelangt er allein durch den Ausschluss anderer Ursachen. Darauf kommt es aber im Recht der Gesetzlichen UV grundsätzlich nicht an. Vielmehr muss der Zusammenhang auf Grund medizinischer Befunde mit Wahrscheinlichkeit zu begründen sein.
Im Übrigen liegen nachvollziehbare Erklärungen für eine unfallabhängige Entstehung der Beschwerden des Klägers vor: - Die im MRT beschriebene symmetrische Erweiterung der inneren Liquorräume weist auf eine allgemeine unfallunabhängige Hirnatrophie mit psychopathologischen Ausfällen hin (neurologisches Gutachten des Dr. N. vom 21. Mai 1998, S. 21; vgl. auch das neurologische Gutachten des Prof. Dr. J. vom 11. Juni 1997, S. 5, 9). - Auf Grund der vom Kläger ihr gegenüber noch unbefangen geschilderten Anamnese auch für die Zeit vor dem Unfall (S. 4 des nervenärztlichen Gutachtens vom 18. April 1996) hat Frau Dr. E. einen unfallunabhängigen Verursachungsfaktor durchaus plausibel gemacht (Stellungnahme vom 26. Juni 1997). - Des Weiteren ist der Hinweis insbesondere durch Dr. N. ohne weiteres nachvollziehbar, dass die hochgradige Herzkranzgefäßerkrankung von wesentlicher Bedeutung ist, weil sie als einschneidendes Ereignis Auswirkungen auf die Lebensperspektive des Klägers hat, zumal sie zu der Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit aus einer privaten Versicherung führte (S. 21 des neurologischen Gutachtens vom 21. April 1998). Dass die Sachverständige Dr. C. und Prof. Dr. J. diesen Auswirkungen allein auf Grund des Krankenberichts vom 2. Juni 1995, der nur den komplikationslosen Operationsverlauf wieder gibt, keinerlei Bedeutung beimessen, vermag der erkennende Senat nicht nachzuvollziehen. Ihrer Wertung, eine Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit sei nach der Operation nicht beschrieben (S. 23 des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 21. Mai 2001), fehlt die Grundlage. Denn am 13. November 1995, also nach der Operation, berichtete der Kläger gegenüber Prof. Dr. J. sehr wohl "von zunehmenden Konzentrations- und mnestischen Störungen" (Befundbericht vom 12. Januar 1996). - Schließlich hat auch der Hinweis des Dr. P. (a.a.O., S. 11) einiges für sich, dass auf Grund der nachgewiesenen arteriosklerotischen Veränderungen im Bereich des Herzens auch arteri-osklerotische, degenerative Veränderungen des Hirngewebes anzunehmen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.