Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 06.02.2003, Az.: L 6 B 1/03 U

Voraussetzungen der Gewährung von Prozesskostenhilfe; Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung; Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
06.02.2003
Aktenzeichen
L 6 B 1/03 U
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 19946
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0206.L6B1.03U.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 06.11.2002 - AZ: S 5 U 225/02

Redaktioneller Leitsatz

Eine hinreichende Erfolgsaussicht einer Beschwerde besteht, sofern ein Erfolg oder Teilerfolg als durchaus möglich erscheint.

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 6. November 2002 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe - PKH - für das Verfahren vor dem Sozialgericht - SG -, in dem sie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Verletztenrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente erstrebt.

2

Die 1935 geborene - verheiratete - Klägerin bezieht nach ihren Angaben lediglich Altersrente in Höhe von 317,32 EUR monatlich (vgl. die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 6. August 2002).

3

Am 27. Januar 1988 stürzte die Klägerin bei ihrer Tätigkeit als Putzfrau auf den rechten Arm. Der Durchgangsarzt Dr. C. diagnostizierte eine "Schrägfraktur am Griffelfortsatz der rechten Speiche". Wegen einer beginnenden Sudeck'schen Dystrophie im Bereich der Finger der rechten Hand und des rechten Handgelenks befand sich die Klägerin erneut vom 5. bis 9. April 1988 in stationärer Behandlung des D ... Die Behandlung wurde am 21. April 1988 beendet und die Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - auf 10 v.H. geschätzt (Bericht des Chefarztes Dr. C. vom 31. Mai 1988). Arbeitsfähigkeit trat ab 25. April 1988 ein.

4

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2000 beantragte die Klägerin eine Unfallrente mit der Begründung, sie leide immer noch an den Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. Januar 1988. Der Beklagte zog daraufhin ärztliche Berichte bei und veranlasste das nach ambulanter Untersuchung erstattete orthopädische Gutachten des Dr. E. vom 7. September 2001. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte er einen Rentenanspruch mit Bescheid vom 31. Oktober 2001 ab, weil die Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Grad über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus gemindert sei. Der Unfall habe zu einem Anriss (Fissur) am daumenwärtigen Anteil der körperfernen rechten Speiche (Griffelfortsatz der Speiche) geführt und keine Folgen hinterlassen. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2002, abgesandt am 8. Juli 2002).

5

Dagegen hat die Klägerin am 9. August 2002 vor dem SG Osnabrück Klage erhoben und PKH beantragt. Gestützt auf ein Attest des Arztes für Innere Medizin und Sportmedizin Dr. F. vom 16. Juli 2002 hat sie geltend gemacht, sie sei zwar ab 25. April 1988 wieder arbeitsfähig gewesen. Gleichwohl habe sie seit dem Arbeitsunfall bis zum heutigen Tage immer noch Schmerzen im Bereich der rechten Hand, des gesamten rechten Armes sowie der rechten Schulter. Diese Beeinträchtigungen seien allein auf das Unfallereignis zurückzuführen. Das SG hat den Antrag auf PKH mit Beschluss vom 6. November 2002 abgelehnt: Vor dem Hintergrund, dass sowohl der ehemalige Hausarzt der Klägerin (Dr. G.) als auch der behandelnde Chirurg (Dr. H.) sowie ein unabhängiger Orthopäde (Dr. E.) zu einem eindeutigen, für die Klägerin negativen Ergebnis gelangt seien, sei eine Erfolgsaussicht für die Klage nicht zu erkennen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

6

Gegen diesen ihr am 14. November 2002 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 12. Dezember 2002 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Sowohl das SG Osnabrück als auch die Sachverständigen der Beklagten hätten lediglich pauschal gesagt, dass ihre Gesundheitsbeeinträchtigungen degenerativer Natur seien. Gründe, weshalb diese Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht auf den Unfall zurückzuführen seien, hätten sie nicht genannt. Es sei auch nicht geprüft worden, ob der Unfall vom 27. Januar 1988 im Hinblick auf die bestehende Krankheitsanlage im Bereich der Wirbelsäule und der rechten Schulter als besondere Einwirkung anzusehen sei, die letztlich zur Entstehung der Gesundheitsschäden der rechten Hand und der rechten Schulter geführt habe.

7

Der Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

8

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

9

II.

Die fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 127 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Sie ist jedoch mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO) nicht begründet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, sofern ein Erfolg oder Teilerfolg als durchaus möglich erscheint. Eine Erfolgsaussicht in diesem Sinn ist im vorliegenden Fall jedoch bereits nach dem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens nicht gegeben. Die für das PKH-Verfahren gebotene summarische Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass der Arbeitsunfall der Klägerin vom 27. Januar 1988 über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus keine MdE in rentenberechtigendem Grad (20 v.H.) hinterlassen hat, sodass die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat (vgl. §§ 580, 581 der auf den vorliegenden Sachverhalt nach Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz und § 212 Sozialgesetzbuch - SGB - VII noch anwendbaren Reichsversicherungsordnung).

10

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist allein rechtserheblich, ob die Gesundheitsstörungen der Klägerin im Bereich des rechten Armes und der rechten Schulter mit Wahrscheinlichkeit auf den vorgenannten Arbeitsunfall zurückzuführen sind, während nicht festzustellen ist, auf welchen unfallfremden Gründen diese Gesundheitsstörungen im Einzelnen beruhen. Die nicht begründete Behauptung des Dr. F., die Beschwerden der Klägerin im Bereich des rechten Armes und der rechten Schulter seien seines Erachtens auf den 1988 erlittenen Arbeitsunfall zurückzuführen, reicht nicht aus, um die Wahrscheinlichkeit eines solchen ursächlichen Zusammenhanges zu belegen oder auch nur Ermittlungen von Amts wegen auf medizinischem Gebiet zu veranlassen. Denn bereits nach dem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens dürfte feststehen, dass der Arbeitsunfall vom 27. Januar 1988 keine dauerhaften Folgen hinterlassen hat. Die dahingehende Beurteilung des Gutachters Dr. E., dessen Gutachten auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden darf (vgl. z.B. das Urteil des BSG vom 8. Dezember 1988 - Az: 2/9b RU 66/87 - m.w.N.), ist nachvollziehbar, ausführlich und überzeugend begründet. Danach stellt die im Jahr 1999 - 11 Jahre nach dem Unfall - diagnostizierte Engpasserkrankung des rechten Schultergelenks (so genanntes Impingementsyndrom) eine typische Schädigung auf Grund altersbedingter Degeneration dar, deren Entstehung bei der Klägerin durch eine Formvariante des Schultergelenks begünstigt worden ist. Außerdem hat Dr. E. die unfallmedizinische Erfahrung mitgeteilt, dass der Sturzmechanismus am 27. Januar 1988 nicht in der Lage war, die Rotatorenmanschette zu verletzen und dass - wäre es zu einer traumatischen Verletzung gekommen - sofort heftige Schmerzen mit einer sofortigen Bewegungseinschränkung (so genannte Schmerzlähmung) aufgetreten wären. Eine solche Symptomatik und entsprechende Brückenbefunde sind jedoch, wie sich aus dem Durchgangsarztbericht und allen folgenden ärztlichen Berichten ergibt, im vorliegenden Fall nicht vorhanden gewesen.

11

Dauerhafte Folgen der unfallbedingten Fissur des Speichenendes lassen sich ebenfalls nicht mehr feststellen. Auch das hat Dr. E. einleuchtend verdeutlicht: Bei der Fissur handelt es sich um eine harmlose Knochenverletzung, nämlich eine zart erkennbare Knochenbruchlinie ohne auch nur angedeutete Verschiebung der Fragmente. Die im Anschluss an diese Fissur diagnostizierte Sudeck'sche Erkrankung der rechten Hand hat ebenfalls keine Folgestörungen hinterlassen. Dies hat Dr. E. aus dem seitengleichen Bewegungsverhalten der Vorderarme, der Handgelenke und aller Fingergelenke sowie aus den von ihm ausführlich interpretierten Röntgenaufnahmen geschlossen. Diese Röntgenaufnahmen zeigen einen seitengleichen Befund. Damit im Einklang steht der Hinweis des Dr. H., dass die Klägerin während der ambulanten Behandlungsphase vom 14. Mai bis 7. Juni 1999 ausschließlich über Schulterbeschwerden, aber nicht ein einziges Mal über Beschwerden im Bereich des Handgelenks geklagt habe (Befundbericht vom 16. Februar 2001).

12

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).