Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.02.2003, Az.: L 6 U 161/02

Anerkennung einer Berufskrankheit; Gewährung von Entschädigungsleistungen ; Notartermin als erheblicher Grund zur Aufhebung eines Termins

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.02.2003
Aktenzeichen
L 6 U 161/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 20181
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0220.L6U161.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 22.02.2002 - AZ: S 32 U 109/01

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rücknahme eines Bescheides, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, eine Berufskrankheit Nummer 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) anzuerkennen und die Gewährung von Entschädigungsleistungen. Streitig ist, ob zwei Krankheitsschübe an der rechten Hand des Klägers durch Mehl oder Backzusätze hervorgerufen worden sind. Der 1951 geborene Kläger absolvierte von 1968 bis 1971 eine Ausbildung zum Bäcker, anschließend arbeitete er mit Unterbrechungen bis 1976 in diesem Beruf. Nach seinen Angaben traten zwei Mal (im Sommer 1969 und etwa 1975/76) an den Fingerendgliedern der rechten Hand unter Juckreiz Rötungen und Bläschen sowie Rhagaden auf. Untersuchungen oder Behandlungen erfolgten nicht. Im Juni 1977 bescheinigte der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D. zur Vorlage beim Arbeitsamt eine Überempfindlichkeit gegenüber Farben und Mehl. Am 28. März 1978 zeigte das Arbeitsamt E. den Verdacht auf eine Berufkrankheit (BK) an. Die Beklagte holte das Gutachten von Prof. Dr. F./Dr. G. vom 31. Januar 1980 ein. Bei der dreitägigen stationären Untersuchung wurden die berufstypischen Substanzen ohne Ekzemreaktion vertragen. Nach den Ausführungen der Gutachter sind Verlauf und Lokalisation der Erkrankung sowie das Ergebnis der Epikutantestung mit der Annahme einer beruflichen Auslösung nicht zu vereinbaren. Ein durch eine Allergie auf einen Berufsstoff ausgelöstes Ekzem rezidiviere anders als beim Kläger immer aufs Neue bei regelmäßigem Allergenkontakt und heile bei Allergenkarenz ab. Auch die Lokalisation (nur an der rechten Hand) spreche gegen eine Auslösung durch einen Berufsstoff. Mit Bescheid vom 14. Mai 1980 lehnte die Beklagte eine Entschädigung mit der Begründung ab, die Erkrankung sei nicht auf die Tätigkeit als Bäcker zurückzuführen. Der Bescheid wurde bestandkräftig.

2

Am 23. Juni 2000 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Gutachten vom 31. Januar 1980 den Bescheid zurückzunehmen. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2000 lehnte die Beklagte eine Rücknahme mit der Begründung ab, es hätten sich keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Bescheides ergeben (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2001). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim hat der Kläger den im Klageverfahren S 19 SB 38/00 eingeholten Bericht von Dres. H./I. vom 5. April 2000 vorgelegt. Danach wurden im RAST Sensibilisierungen u.a. gegen Weizen-, Roggen- und Gerstenmehl nachgewiesen. Nach der Ansicht der Ärzte ist der Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als Bäcker und Haut- bzw. Allergieproblemen offensichtlich (Bescheinigung vom 14. Juni 2001).

3

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Rücknahme ihres Bescheides abgelehnt, denn es hätten sich keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ergeben. Eine Hautkrankheit i.S. der Ziffer 5101 sei nicht nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. F./Dr. G. seien keine Allergien auf Berufsstoffe festgestellt worden. Zudem sprächen die Lokalisation und der nicht berufstypische Verlauf der Erkrankung gegen eine berufliche Verursachung. Eine andere Beurteilung der Kausalität ergebe sich auch nicht daraus, dass 1999 Sensibilisierungen gegen Mehl festgestellt worden seien.

4

Gegen diesen am 4. März 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22. März 2002 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.

5

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. Februar 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2001 aufzuheben,

  2. 2.

    festzustellen, dass eine Sensibilisierung gegen Roggen-, Gersten- und Weizenmehl Folge einer BK 5101 der Anlage zur BKV ist,

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Rücknahme des Bescheides vom 14. Mai 1980 Entschädigungsleistungen zu erbringen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. Februar 2002 zurückzuweisen.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte Bezug genommen. Der Entscheidungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu Grunde gelegen.

Entscheidungsgründe

8

Der Senat konnte ohne den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten verhandeln und entscheiden. Denn dessen am 19. Februar 2003 um 17.02 Uhr eingegangener Antrag auf Aufhebung des auf den 20. Februar 2003 anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung war nicht zu entsprechen. Gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist für die Aufhebung eines Termins ein erheblicher Grund erforderlich. Ein solcher Grund war hier jedoch trotz der urlaubsbedingten Verhinderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht gegeben. Dies ergibt sich aus Folgendem:

9

Die Ladung ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. Januar 2003 zugestellt worden. Er hatte somit ausreichend Gelegenheit, einen anderen Rechtsanwalt - etwa einen der in derselben Sozietät tätigen Kollegen - mit der Prozessvertretung des Klägers zu beauftragen. Nach den Angaben des Rechtsanwalts J. in dem am Terminstag mit dem Vorsitzenden des Senats geführten Telefonat hatte er selbst lediglich einen Gerichtstermin um 11.00 Uhr, sodass bei rechtzeitiger Anzeige der Verhinderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Vorverlegung des Senatstermins denkbar gewesen wäre. Abgesehen davon hätte Rechtsanwalt K. den Termin wahrnehmen können. Seine Belastung mit Notarterminen stellt keinen erheblichen Grund i.S.d. § 227 Abs. 1 ZPO dar. Vielmehr wäre die Prozessvertretung des Klägers bei der Vergabe dieser Termine vorrangig zu berücksichtigen und die Verlegung eines Notartermins zumutbar gewesen. Außerdem hätte es keiner zeitaufwändigen Einarbeitung in den Prozessstoff bedurft, da die Sach- und Rechtslage einfach ist.

10

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, ihren die Anerkennung einer BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV ablehnenden Bescheid gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen. Auch der Senat vermag nicht festzustellen, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, denn beim Kläger liegt keine BK Nr. 5101 vor. Deshalb hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen.

11

Gegen das Vorliegen einer BK 5101 sprechen nach den überzeugenden Ausführungen der Gutachter Prof. Dr. F./ Dr. G. insbesondere Verlauf und Lokalisation der Erkrankung. Gegen einen Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit des Klägers als Bäcker und einer Hauterkrankung spricht außerdem, dass bei der - zeitnah nach der Arbeitsaufgabe erfolgten - Untersuchung durch die Gutachter keine Sensibilisierung gegenüber beruflichen Substanzen nachgewiesen worden ist. Folglich äußerten die Gutachter auch keine Bedenken gegen eine mögliche Wiederaufnahme der Bäckertätigkeit.

12

Eine für den Kläger günstigere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Berichts von Dres. H./I. vom 5. April 2000. Es kommt nicht darauf an, wodurch die 1999 festgestellte Sensibilisierung gegenüber Mehl entstanden ist. Denn - und das ist entscheidend - ein Zusammenhang mit der 23 Jahre zuvor aufgegebenen Tätigkeit als Bäcker aus den dargestellten Gründen ist unwahrscheinlich.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

14

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.