Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 14.02.2003, Az.: L 5 V 11/01

Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen behindertengerechten Auto-Schwenksitz nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG); Bezug einer Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE); Voraussetzungen des Schwerbeschädigten-Status

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
14.02.2003
Aktenzeichen
L 5 V 11/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 19966
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0214.L5V11.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - AZ: S 11 V 11/99

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Beklagte die Kosten für einen behindertengerechten Auto-Schwenksitz nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu erstatten hat.

2

Der Kläger ist der Sohn und Rechtsnachfolger des am 7. Februar 2001 verstorbenen Versorgungsberechtigten (VB) E., der in den Jahren von 1940 bis 1944 Wehrdienst leistete. Der VB bezog eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. ab 1. September 1966 (Bescheid vom 9. November 1966). Als Schädigungsfolgen waren anerkannt:

"Verlust der linken Großzehe und Teilverlust der 2. Zehe durch Erfrierung.

Teilversteifung der linken Hand nach Verbrennung.

Rezidivierende Ekzembildung im Bereich von Verbrennungsnarben an beiden Handrücken und Ohrmuscheln."

3

Ein im Jahre 1967 gestellter Antrag auf Neufeststellung der Schädigungsfolgen wurde auf Grund des fachchirurgischen Gutachtens vom 25. Juni 1968 abgelehnt (Bescheid vom 27. Juni 1968). Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. August 1968).

4

Am 4. Mai 1999 beantragte der Kläger die Erstattung der Kosten für einen behindertengerechten schwenkbaren Autositz für die Beifahrerseite in Höhe von 4.395,88 DM. Dem lag die ärztliche Verordnung des Arztes F. bei. Das Rezept wies die Diagnosen "generelle Polyarthrose, Parkinson" aus. Der Beklagte lehnte die Übernahme dieser Kosten ab, weil die attestierten Erkrankungen nicht als Schädigungsfolgen anerkannt worden seien. Da der Versorgungsberechtigte auch nicht zum Kreis der Schwerbeschädigten zähle, komme eine Kostenübernahme für schädigungsunabhängige Erkrankungen ebenfalls nicht in Betracht (Bescheid vom 25. Mai 1998). Der gegen diesen Bescheid gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1999). Der Beklagte bezog sich auf ein im Widerspruchsverfahren vorgelegtes Attest des Arztes F. vom 3. Juli 1998. Dieser führte die Notwendigkeit des Autoschwenksitzes auf die Intensivierung einer generellen Polyarthrose und eine zunehmende Versteifung des rechten Knies zurück. Im Übrigen verwies der Beklagte darauf, dass die Anerkennung der jetzt vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen beider Beine bereits im Jahre 1968 bindend abgelehnt worden sei.

5

Hiergegen hat der Kläger am 1. März 1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Er hat vorgetragen, dass die als Schädigungsfolgen anerkannten Leiden das Gehverhalten des VB verändert hätten. Auch der rechte Fuß und das rechte Bein seien zunehmend belastet und in Mitleidenschaft gezogen worden.

6

Das SG Lüneburg hat die Klage durch Urteil am 29. März 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Verordnung des Autositzes auf Grund der Parkinson-Erkrankung und der generellen Arthrose erfolgt sei. Hierbei handele es sich um Erkrankungen, die nicht in einem Zusammenhang mit den Schädigungsfolgen stünden. Auch die Anerkennung der Gesundheitsstörungen beider Beine sei bereits durch den Beklagten abgelehnt worden. Auf einen wehrdienstbedingten Kausalzusammenhang könne nicht verzichtet werden, weil der Versorgungsberechtigte nicht Schwerbeschädigter im Sinne des BVG sei.

7

Gegen das am 24. April 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Mai 2001 Berufung eingelegt. Unter Vorlage des Wehrpasses beruft sich der Kläger darauf, dass der VB infolge des Krieges Erfrierungen an beiden Beinen erlitten habe. Eine Fehlstellung beider Beine sei auf eine kriegsbedingte Unterernährung zurückzuführen.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß nach seinem schriftlichen Vorbringen,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 29. März 2001 und den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1999 aufzuheben,

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für den behindertengerechten Autoschwenksitz zu erstatten.

9

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

10

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

11

Neben den Gerichtsakten beider Rechtszüge haben die Beschädigtenakte (G.) und die orthopädische Akte (H.) des Beklagten sowie die Gerichtsakten zum Az: S 11 V 21/99 und S 3 SB 90/99 = L 9 SB 117/00 und der Wehrpass des VB vorgelegen. Diese Unterlagen sind Gegenstand dieser Entscheidung gewesen.

12

II.

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

13

Die nach § 143 SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat der Beklagte die Übernahme der Kosten für den schwenkbaren Autositz abgelehnt. Der Kläger kann diesen Kostenerstattungsanspruch als Rechtsnachfolger geltend machen (§§ 58, 59 Sozialgesetzbuch I - SGB I -). Es handelt sich um einen Anspruch auf Geldleistung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 57 Nr. 6).

14

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Autoschwenksitz besteht nicht. Die beantragte Heilbehandlung - die die Versorgung mit Hilfsmitteln bzw. deren Kostenübernahme umfasst - betrifft nicht Gesundheitsstörungen des VB, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder die durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind (§ 10 Abs. 1 BVG, § 11 Abs. 1 Nr. 8 und Abs. 3 BVG).

15

Die ärztliche Verordnung des Autoschwenksitzes erfolgte auf Grund einer generellen Arthrose und einer Parkinson-Erkrankung. Ferner lag eine Versteifung des rechten Kniegelenkes vor (Atteste des Arztes F.). Hierbei handelt es sich nicht um als Schädigungsfolgen anerkannte Gesundheitsstörungen, sondern um schicksalsmäßige Erkrankungen. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass diese Erkrankungen durch die anerkannten Schädigungsfolgen, namentlich durch den Verlust der linken Großzehe und den Teilverlust der 2. Zehe durch Erfrierung im Bereich des linken Fußes, wesentlich verursacht worden sind.

16

Soweit der Kläger vorträgt, dass auch beide Beine infolge des Wehrdienstes beeinträchtigt worden seien, ist bereits im fachärztlichen Gutachten vom 29. April 1968 festgestellt worden, dass seinerzeit ein Reizzustand im rechten Knie und eine o-förmige Verkrümmung beider Beine vorlag, wobei letztere zu wechselnd starken statischen Beschwerden in den Beinen führte. Der Gutachter schloss damals einen wehrdienstbedingten Kausalzusammenhang aus, den der Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 27. Juni 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 1968 bestandskräftig abgelehnt hat. Der Kläger hat hierzu nichts neues vorgetragen. Auch der im Berufungsverfahren vorgelegte Wehrpass erlaubt keine andere Einschätzung der Sach- und Rechtslage.

17

Schließlich kann der Kläger die Erstattung der Kosten auch nicht ohne Rücksicht auf die vorstehenden Voraussetzungen verlangen. Er zählt nicht zum Kreise der Schwerbeschädigten, für die eine solche Heilbehandlung gewährt wird (§ 10 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 3 BVG). Der Kläger war seit dem Jahre 1966 in seiner Erwerbsfähigkeit um 40 v.H. gemindert. Der Schwerbeschädigten-Status beginnt hingegen erst ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v.H..

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

19

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).