Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 12.02.2003, Az.: L 3 KA 312/02
Verhängung einer Geldbuße gegen einen Vertragszahnarzt; Genehmigungspflicht der Einrichtung einer Zweigpraxis; Abhalten von Zweigsprechstunden in der Nähe eines Altenheims; Residenzpflicht von Vertragszahnärzten; Verstoß gegen vertragszahnärztliche Pflichten durch Zweigpraxis; Auswirkungen der Rechtskraft eines vorherigen Urteils für nachfolgenden Verwaltungsakt; An Rechtskraft teilhabende Urteilsgründe; Ermessensfehler bei der Verhängung einer Diziplinarmaßnahme
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 12.02.2003
- Aktenzeichen
- L 3 KA 312/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20379
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0212.L3KA312.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 19.06.2002 - AZ: S 43 KA 1150/98
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 6 S. 1 BMV-Z
- § 7 Abs. 1 BMV-Z
- § 81 Abs. 5 S. 1 SGB V
- § 141 SGG
- § 54 Abs. 2 S. 2 SGG
Redaktioneller Leitsatz
Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen denselben Betroffenen nicht einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erlassen.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. Juni 2002 und der Bescheid des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 1. Juli 1998 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendete sich gegen die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 4.000,00 DM durch den Disziplinarausschuss der Beklagten.
Der Kläger führte mit der Zahnärztin Dr. F., geb. G., eine Gemeinschaftspraxis in H. am I. 105. Im I. 12 befindet sich das Wohnstift der J. GmbH (im Folgenden: K.). Dort leben mehrere Hundert ältere Menschen. In dem Haus befindet sich auch die Praxis eines Allgemeinarztes.
Mitte 1997 installierten die Partner der Gemeinschaftspraxis in den Räumen des im K. praktizierenden Allgemeinarztes zahnärztliche Behandlungseinrichtungen für mehrere zehntausend DM. Mit einem Rundschreiben vom 11. Juni 1997 teilten sie allen Bewohnern und Bewohnerinnen des L. insbesondere Folgendes mit:
"Nachdem wir bereits viele von Ihnen in unserer Praxis im I. kennen lernen durften, hatten wir die Idee, Ihnen mit der Einrichtung unserer Zweigpraxis direkt in Ihrem Haus ein Stückchen entgegenzukommen. Sie finden uns ab Dienstag, den 17. Juni 1997 direkt neben der Praxis Dr. M ...
Behandlungszeiten: Dienstag 9.00 - 12:00 Uhr Donnerstag 9:00 - 12:00 Uhr ..."
Entsprechend dieser Ankündigung behandelte jeweils ein Partner der Gemeinschaftspraxis seit dem 17. Juni 1997 dienstags und donnerstags jeweils von 9 bis 12 Uhr Bewohner des K.es in dem von ihnen mit zahnärztlichen Behandlungseinrichtungen bestückten Raum der Allgemeinarztpraxis; der jeweils andere Partner nahm während dieser Zeit die Sprechstunden in der Hauptpraxis am I. 105 wahr.
Mit Bescheid vom 20. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides von 22. September 1997 gab die Beklagte den Partnern der Gemeinschaftspraxis - unter gleichzeitiger Ablehnung eines von ihr angenommenen Antrages auf Genehmigung einer Zweigarztpraxis - auf, "den Betrieb der Zweigpraxis im K. zu beenden und ihre dortige Tätigkeit auf das Maß einer gelegentlichen Besuchsbehandlung zu reduzieren". Die gegen dieses Verbot von den Partnern der Gemeinschaftspraxis erhobene Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg: Mit Urteil vom 29. November 2000 (L 3/5 KA 15/98) hob der Senat unter Abänderung des vorausgegangenen sozialgerichtlichen Urteils den Bescheid der Beklagten vom 20. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1997 auf, soweit den Klägern aufgegeben worden war, den Betrieb der Zweigpraxis zu beenden und ihre dortige Tätigkeit auf das Maß einer gelegentlichen Besuchsbehandlung zu reduzieren. Zur Begründung legte der Senat in seinem damaligen Urteil dar, dass es der angefochtenen Verbotsverfügung sowohl an der erforderlichen Bestimmtheit als auch an der notwendigen Ermächtigungsgrundlage fehle. Auch habe die Beklagte übersehen, dass die Kläger im K. schon deshalb keine Zweigpraxis im Rechtssinne betrieben hätten, weil sich ihr dortiges Angebot nur an die Heimbewohner und damit nicht an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet habe. Darüber hinaus habe die Beklagte versäumt, die Gründe für die Ausübung ihres Ermessens in dem angefochtenen Bescheid ausreichend darzulegen. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2001 (B 6 KA 81/00 B-) zurückgewiesen.
Regelmäßige Behandlungszeiten an zwei Tagen in der Woche in der vorstehend erläuterten Form boten die Partner der Gemeinschaftspraxis im K. bis zum 25. Februar 1998 an. Seitdem ist die Zahnärztin Dr. F., soweit nach Aktenlage ersichtlich, dort nicht mehr tätig. Der Kläger hat erklärt, dass er seit Ende Februar 1998 Behandlungen im Wohnstift nur noch auf Anforderung des dort niedergelassenen Allgemeinmediziners vornimmt. In solchen Fällen werde dann jeweils ein Behandlungstermin mit dem Fachpersonal oder dem Patienten abgesprochen.
In seiner Sitzung vom 29. Oktober 1997 beschloss der Vorstand der Beklagten, gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Mit Schreiben vom 20. November 1997 teilte der Vorsitzende des Disziplinarausschusses dem Kläger mit, dass ihm zur Last gelegt werde, seit dem 17. Juni 1997 in dem K. in H. ohne Genehmigung der Beklagten eine Zweigpraxis mit Behandlungszeiten am Dienstag und Donnerstag jeweils von 9 bis 12 Uhr zu betreiben und damit gegen § 6 Abs. 6 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z) zu verstoßen.
Mit Beschluss vom 1. Juli 1998, dem Kläger zugestellt am 22. Oktober 1998, verhängte der Disziplinarausschuss der Beklagten gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 4.000,00 DM und legte ihm zugleich die Tragung der allgemeinen Kosten des Verfahrens bis zu einem Betrag von 500,00 DM sowie der entstandenen baren Auslagen auf. In den Gründen des Beschlusses erläuterte der Disziplinarausschuss insbesondere Folgendes: Der Kläger habe sich durch die vertragszahnärztliche Versorgung von Bewohnern des L. in der Zeit vom 17. Juni 1997 bis zum 25. Februar 1998 an bestimmten Tagen in einem besonders dafür eingerichteten Raum während allgemein festgelegter Behandlungszeiten pflichtwidrig verhalten. Er sei nicht berechtigt gewesen, dort Sprechstunden als Vertragszahnarzt abzuhalten. Dabei sei es unerheblich, ob seine dortige Tätigkeit als Führen einer Zweigpraxis oder als das Abhalten von Zweigsprechstunden anzusehen sei, da zwischen beiden Ausübungsformen rechtlich kein Unterschied bestehe. Ohne eine ausdrückliche Genehmigung der Beklagten habe der Kläger seine Sprechstunden nach § 24 Abs. 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (ZV-Z) nur an dem Vertragszahnarztsitz abhalten dürfen.
Der Kläger habe auch schuldhaft gegen seine Pflichten verstoßen. Er habe nicht ohne Weiteres davon ausgehen können, dass die Durchführung von Sprechstunden im K. zulässig sei. Solange keine für ihn günstige abschließende gerichtliche Entscheidung vorlag, hätte er von solchen Sprechstunden Abstand nehmen müssen. Das pflichtwidrige Verhalten des Klägers sei mit einer empfindlichen Geldbuße zu ahnden. Bei ihrer Bemessung falle insbesondere ins Gewicht, dass sich der Beschuldigte weder durch die Bescheide der Beklagten noch durch die Entscheidung des Sozialgerichts habe beeinflussen lassen.
Inwieweit auch die Handlungsweise des Klägers im Zeitraum ab dem 25. Februar 1998 disziplinarrechtlich relevant sei, sei im vorliegenden Verfahren nicht weiter zu hinterfragen, da bezüglich dieses geänderten Sachverhalts kein Vorstandsbeschluss über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliege.
Zur Begründung seiner am 13. November 1998 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass seine Tätigkeit in den Räumen des L. sowohl den in ihrer Mobilität eingeschränkten Bewohnern als auch den Kostenträgern, namentlich den gesetzlichen Krankenkassen, zugute gekommen sei. Ein kostenrelevanter Transport der Patienten in die umliegenden Zahnarztpraxen sei durch seine Tätigkeit vermieden worden.
In der Sache habe der Disziplinarausschuss verkannt, dass er keine Zweigpraxis ausgeübt, sondern eine anderweitige - von keinem Genehmigungserfordernis erfasste - Form der zahnärztlichen Betätigung gewählt habe.
Schließlich habe der Disziplinarausschuss sowohl bei der Feststellung eines Pflichtverstoßes als auch bei der Rechtsfolgenbemessung außer Acht gelassen, dass die von ihm durchgeführte zahnmedizinische Behandlung der Heimbewohner im K. medizinisch indiziert gewesen sei. Andernfalls durchzuführende Einzelbesuche mit einem "Handköfferchen" könnten keine adäquate zahnärztliche Versorgung sicherstellen. Bezeichnenderweise dulde die Beklagte in anderen Fällen vergleichbare zahnärztliche Tätigkeiten etwa in einer Blindenschule oder in einer Behinderteneinrichtung.
Schließlich stehe der Annahme eines Schuldvorwurfes auch entgegen, dass ihm der Hauptgeschäftsführer der Zahnärztekammer Niedersachsen auf eine Anfrage mit Schreiben vom 9. Juli 1997 dargelegt habe, dass eine Zweigpraxis nur dann vorliege, wenn diese für einen unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werde. Nach Maßgabe dieses Schreibens liege eine Zweigpraxis dann nicht vor, wenn eine Praxistätigkeit in einem Heim durchgeführt werde, das eine bestimmte Anzahl von Heiminsassen beherberge. Eine solche Tätigkeit des in einem Heim behandelnden Zahnarztes sei nach diesem Schreiben aber beschränkt auf Patienten, die keine Zahnarztpraxis wegen einer Behinderung aufsuchen könnten und die ihm von der Heimleitung zugewiesen würden. Hingegen betreibe ein Zahnarzt eine unzulässige Zweigpraxis, wenn er in einem Heim eine Zahnarztpraxis einrichte und sich gegenüber den Bewohnern des Heimes so verhalte, als ob er eine Zweigpraxis betreiben würde.
Mit Urteil vom 19. Juni 2002, dem Kläger zugestellt am 2. Juli 2002, hat das Sozialgericht (SG) Hannover die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Dem Kläger könne der dem Disziplinarverfahren zu Grunde liegende Vorwurf des Betreibens einer Zweigpraxis nicht gemacht werden. Eine Zweigpraxis liege schon deshalb nicht vor, weil sich das Behandlungsangebot im K. nicht an einen unbestimmten Personenkreis richte. Entgegen dem Vorbringen der Sitzungsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung könne dem Kläger auch nicht der Vorwurf eines Verstoßes gegen seine Residenzpflicht gemacht werden. Auch eine Prüfung des Rechtsfolgenausspruches zeige durchgreifende Bedenken. Gleichwohl erachte die Kammer die Klage für unbegründet, wobei sie sich von generalpräventiven Überlegungen leiten lasse. Die Kammer befürchte, dass das Verhalten des Klägers andernfalls von anderen Zahnärzten übernommen werden könnte, mit der Folge, dass zukünftig etwa auch in Kindergärten oder Produktionsbetrieben ein vergleichbares Angebot an vertragszahnärztlichen Behandlungen eröffnet werde.
Zur Begründung seiner am 19. Juli 2002 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass das angefochtene Urteil elementare rechtsstaatliche Prinzipien missachte und letztlich geradezu als "absurd" einzustufen sei.
In der Sache hebt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens hervor, dass er lediglich zulässige Besuchsbehandlungen im Sinne des § 7 BMV-Z vorgenommen habe. Darüber hinaus sei die angefochtene Disziplinarentscheidung schon deshalb rechtswidrig, weil sie auf einen anderen Verstoß gestützt werde, als ihm zu Beginn des Verfahrens bekannt gemacht worden sei. Unter Missachtung von § 8 Abs. 2 der Disziplinarordnung der Beklagten (DO) sei er nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, dass ihm auch das Abhalten von Zweigsprechstunden vorgeworfen werden könnte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover von 19. Juni 2002 und den Bescheid des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 1. Juli 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie räumt ein, dass die Begründung des angefochtenen Urteils nicht brauchbar sei. Allerdings treffe die Entscheidung im Ergebnis gleichwohl zu. Namentlich sei nach Maßgabe der vom BSG im Urteil vom 12. September 2001 (B 6 KA 64/00 R) dargelegten Gründe davon auszugehen, dass der Kläger unzulässigerweise eine Zweigpraxis in den Räumen des L. betrieben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte, auf den Inhalt der Akte des SG Hannover S 21 KA 693/97/L 3/5 KA 15/98 und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 1. Juli 1998 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Nach § 81 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) müssen die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Dabei erfolgt die gerichtliche Prüfung von Disziplinarentscheidungen nach der Rechtsprechung des BSG in zwei Schritten: Die Beurteilung über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ist zu unterscheiden von der Frage, ob und gegebenenfalls welche Rechtsfolgen angebracht sind. Während die Frage, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, gerichtlich voll überprüfbar ist, steht dem Disziplinarausschuss bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahme, die gemäß § 18 der Disziplinarordnung der Beklagten in der Fassung vom 19. Januar 1988 in einer Verwarnung, einem Verweis, einer Geldbuße oder einem zeitlich begrenzten Ruhen der Zulassung bestehen kann, sowie bei der Festsetzung der Höhe solcher Maßnahmen ein Ermessensspielraum zu. Dies hat zur Folge, dass die Entscheidung in Bezug auf die Rechtsfolgenseite gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1987 - 6 RKa 30/86-E 62, 127).
Im vorliegenden Fall hat der Disziplinarausschuss in seinem angefochtenen Beschluss zwar sachlich zutreffend einen Verstoß des Klägers gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten festgestellt, einer Ahndung dieses Pflichtverstoßes steht aber die Rechtskraft des Senatsurteils vom 29. November 2000 entgegen. Darüber hinaus weist die Rechtsfolgenbestimmung in Form der Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 4.000,00 DM durchgreifende Ermessensfehler auf.
1.
Der Disziplinarausschuss hat entgegen der Auffassung des Klägers nicht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 24 Abs. 1 SGB Buch X Verwaltungsverfahren) dadurch missachtet, dass er offen gelassen hat, ob die Tätigkeit des Klägers im K. als Führen einer Zweigpraxis oder als Abhalten von Zweigsprechstunden zu werten war, obwohl in dem dem Kläger nach § 10 Abs. 1 der Disziplinarordnung der Beklagten übersandten Anschuldigungsschreiben vom 20. November 1997 nur der Vorwurf des unerlaubten Führens einer Zweigpraxis aufgeführt wird. Unabhängig von dieser Qualifizierung lag für den Kläger offen zu Tage, welches Verhalten ihm vorgeworfen wurde. Der Sachverhalt ist in tatsächlicher Hinsicht auch unstreitig. Darüber hinaus beinhaltet das Abhalten von Zweigsprechstunden jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen solche Sprechstunden in einem vom Zahnarzt mit Behandlungsgegenständen ausgerüsteten Raum stattfinden, keinen anderen Vorwurf als das Führen einer Zweigpraxis - das Abhalten solcher Zweigsprechstunden stellt eine besondere Ausprägungsform des Führens einer Zweigpraxis dar (vgl. auch BSG, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 6 RKa 55/94 -NZS 1996, 348: Der Vertragsarzt bedarf für das Abhalten von Zweigsprechstunden bzw. - was rechtlich keinen Unterschied ausmacht - für das Führen einer Zweigpraxis einer Genehmigung.). Der im Anschuldigungsschreiben vom 20. Januar 1997 ausdrücklich genannte Vorwurf des Betreibens einer Zweigpraxis umfasste damit zugleich den Vorwurf des Abhaltens von Zweigsprechstunden.
2.
In der Sache hat der Disziplinarausschuss - bei Beurteilung der Rechtslage allein nach Maßgabe der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung unter Außerachtlassung des Senatsurteils vom 29. November 2000 - zutreffend dargelegt, dass der Kläger in dem von ihm beurteilten Zeitraum vom 17. Juni 1997 bis zum 25. Februar 1998 pflichtwidrig in den Räumen des L. eine Zweigpraxis geführt und dort Zweigsprechstunden abgehalten hat. Nach § 6 Abs. 6 Satz 1 BMV-Z bedarf die Ausübung einer kassenzahnärztlichen Tätigkeit in einer Zweigpraxis der vorherigen Zustimmung der betroffenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung, eine solche ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht erteilt worden. Sprechstunden darf (und muss) der Vertragszahnarzt ohne eine - im vorliegenden Fall wiederum fehlende - ausdrückliche Genehmigung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung nur am Vertragszahnarztsitz, d.h. in seiner (Haupt-) Praxis abhalten. Dies ergibt sich sowohl aus § 24 Abs. 2 Satz 1 ZV-Z als aus den Regelungen der §§ 6 Abs. 2 und 7 Abs. 1 BMV-Z. Im vorliegenden Fall hat der Kläger in den Räumen des L. auch eine Zweigpraxis geführt. Von einer genehmigungsbedürftigen Zweigpraxis ist eine berufsrechtlich genehmigungsfrei erlaubte Leistungserbringung in ausgelagerten Praxisräumen zu unterscheiden. Dabei ist schon vom Wortlaut des Tatbestandsmerkmals "ausgelagerte" Praxisräume vorgegeben, dass der Arzt Leistungen von seiner Praxis räumlich an eine andere Stelle verlagert. Das schließt es aus, Räumlichkeiten in denen zumindest teilweise dasselbe Leistungsangebot wie in der eigentlichen Praxis zur Verfügung gestellt wird, als "ausgelagerte Praxisräume" zu bewerten. Leistungen, die der Arzt in identischer Form in der Vergangenheit in seiner Praxis angeboten hat und auch in der Zukunft weiter durchführen will, darf er nur dann zugleich in einer von seiner Praxis getrennten Betriebsstätte erbringen, wenn ihm die Genehmigung zur Führung einer Zweigpraxis erteilt ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2001 - B 6 KA 64/00 R -).
Sollen identische Leistungen an mehreren Orten angeboten werden, kommt es nicht darauf an, ob an der zweiten Betriebsstätte im klassischen Sinne Sprechstunden abgehalten werden und das Publikum darauf z.B. durch ein Praxisschild hingewiesen wird. Im Hinblick auf das Gebot der Konzentration der vertrags-(zahn-)ärztlichen Tätigkeit auf den Ort der Niederlassung ist es jedenfalls dem Arzt nicht gestattet, ohne Genehmigung dieselben Leistungen an mehreren Orten parallel anzubieten (vgl. ebenfalls BSG a.a.O.).
Ein solches Parallelangebot gleicher Leistungen ist im vorliegenden Fall erfolgt. Der Kläger hat im K. - im Rahmen der dort gegebenen technischen Möglichkeiten - die gleichen zahnärztlichen Leistungen erbracht wie in der Hauptpraxis am I. 105. Da ein entsprechender Raum für die Behandlungstätigkeit des Klägers ständig vorgehalten und von den Partnern der Gemeinschaftspraxis mit erheblichem Kostenaufwand mit zahntechnischen Gerätschaften ausgestattet worden ist, hat es sich auch um eine Betriebstätte im Sinne der vorstehend erläuterten Rechtsprechung gehandelt.
Da die Führung einer Zweigpraxis bereits im Hinblick darauf zu bejahen ist, dass der Kläger identische Leistungen an zwei Betriebsstätten erbracht hat, kommt es letztlich nicht darauf an, ob er im K. auch Zweigsprechstunden abgehalten hat. Im Ergebnis ist dies allerdings ebenfalls festzustellen. In dem zu beurteilenden Zeitraum hat sich der Kläger - abwechselnd mit der Partnerin der Gemeinschaftspraxis - jeweils dienstags und donnerstags vormittags in der weiteren Betriebsstätte im K. zum Zwecke der Behandlung von Patienten aufgehalten. Jedenfalls bei akutem Behandlungsbedarf und nach einer auch kurzfristig möglichen telefonischen Anmeldung konnten die Patienten den Kläger dort zum Zwecke der zahnärztlichen Behandlung aufsuchen. Die Zeiten waren den Bewohnern des L. und damit den in erster Linie in Betracht kommenden Patientenkreis auch bekannt gegeben worden. Neben dem Rundschreiben des Klägers vom 11. Juni 1997 bewirkte dies auch die regelmäßige Wahrnehmung der - bezeichnenderweise von dem Kläger selbst in dem Rundschreiben als "Sprechzeiten" qualifizierten - Behandlungszeiten.
Soweit sich im Urteil des Senates vom 29. November 2000 (L 3/5 KA 15/98) neben der weiteren Darlegung zur unzureichenden Bestimmtheit der angefochtenen Verfügung, zur fehlenden Ermächtigungsgrundlage und zur unzureichenden Begründung der Ermessensausübung der Hinweis findet, dass der Kläger im K. keine Zweigpraxis im Rechtssinne betrieben habe, weil sich das dortige Angebot nicht an einen unbestimmten Personenkreis, sondern nur an die Heimbewohner gerichtet habe, hält der Senat daran inhaltlich nach nochmaliger Überprüfung nicht weiter fest. Nicht zuletzt auch unter Einbeziehung des erläuterten Urteils des BSG vom 12. September 2001 (a.a.O.) erachtet es der Senat nicht mehr für ein geeignetes Abgrenzungskriterium, auf die Bestimmtheit oder Unbestimmtheit des angesprochenen Patientenkreises abzustellen. Bezeichnenderweise ist in tatsächlicher Hinsicht gar nicht auszumachen, dass der Kläger eine Behandlung anderer Patienten als Bewohner des L. - etwa von Mitarbeitern des Wohnstiftes oder von Besuchern der dortigen Bewohner - während der zwei Mal wöchentlich in den dortigen Räumen durchgeführten Behandlungszeiten verweigert hat. Auch sonst lässt das Kriterium eines "unbestimmten Personenkreises" nicht mit der gebotenen Klarheit eine Abgrenzung zwischen erlaubten (Besuchs-)Tätigkeiten außerhalb der eigenen Praxisräume und dem Betrieb einer Zweigpraxis zu. Auch eine Zweigpraxis in einem kleinen Dorf mit etwa 200 Einwohnern könnte sonst mit der Argumentation genehmigungsfrei sein, dass nach der Lebenserwartung diese ohnehin nur von den Dorfbewohnern und damit von einem bestimmten Personenkreis konsultiert werde. Vor allem würde das mit dem Verbot nicht genehmigter Zweigpraxen verfolgte Ziel einer - insbesondere auch der Sicherung der Qualität der ärztlichen Versorgung dienenden - Konzentration der vertragsärztlichen Tätigkeit auf den Ort der Niederlassung erheblich gefährdet, wenn dem Vertrags-(zahn)Arzt das Angebot regelmäßiger Behandlungszeiten für "bestimmbare" Personenkreise auch außerhalb der Praxisräume gestattet wäre. Von einem solchen Ansatz aus dürften vergleichbare Behandlungsangebote nicht nur in Altenheimen, sondern auch etwa in Schulen oder Betriebsstätten angeboten werden.
3.
Gleichwohl kann sich die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht darauf berufen, dass dieser eine unzulässige Zweigpraxis im K. betrieben habe. Dem steht die Rechtskraft des Urteils vom 29. November 2000 entgegen, mit dem der Senat die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 20. August 1997 aufgehoben hat. In den Gründen hat der Senat - auch - darauf abgestellt, dass der Kläger und seine Praxispartnerin schon deshalb im K. keine Zweigpraxis im Rechtssinne betrieben hätten, weil sich ihr dortiges Angebot nicht an einen unbestimmten Personenkreis richtete.
Die Rechtskraftwirkung erfasst auch nachfolgende Verwaltungsakte. Sie soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen denselben Betroffenen nicht einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erlassen.
Im vorliegenden Zusammenhang war der Beklagten nicht nur der erneute Erlass einer Verbotsverfügung verwehrt, sie muss der im vorstehend erläuterten Umfang in Rechtskraft erwachsenen Beurteilung der Rechtslage auch in Disziplinarverfahren gegenüber den Klägern des Vorprozesses Rechnung tragen. Die im Erstprozess unterlegene Behörde darf den obsiegenden Kläger nicht erneut in eine Prozesssituation bringen, in der dieselben Sach- und Rechtsfragen zu beantworten sind. Die unterlegene Behörde hat zur Bewahrung des Rechtsfriedens die gegen sie ergangene gerichtliche Entscheidung loyal zu beachten (BVerwG, B. v. 9. Februar 2000 - 4 B 11/00 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 78).
Diese Wirkung der Rechtskraft auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber demselben Betroffenen rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen (BVerwG, Urteil vom 08. Dezember 1992 - 1 C 12.92 - E 91, 256 m.w.N.).
Damit steht zwischen den Beteiligten des Vorprozesses rechtskräftig fest, dass die Partner der Gemeinschaftspraxis im Wohnstift keine Zweigpraxis betrieben haben, woraus sich zugleich ergibt, dass dort abgehaltene Sprechstunden auch nicht als unzulässige Zweigsprechstunden eingestuft werden dürfen. Dementsprechend darf die Beklagte die dortige zahnärztliche Tätigkeit auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Zweigpraxis rechtlich beanstanden, und zwar weder im Rahmen einer erneuten Untersagungsverfügung noch disziplinarrechtlich. Nur mit dieser Maßgabe wird das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts hinreichend geschützt und damit der Rechtsfrieden gesichert.
Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt allerdings dann nicht ein, wenn sich die zurzeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat (BVerwG a.a.O.). Eine solche Veränderung ist im vorliegenden Zusammenhang aber nicht festzustellen. Eine Durchbrechung der Rechtskraftbindung ist insbesondere nicht im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 12. September 2001 möglich. Da die Rechtskraftwirkung nach § 141 SGG auch bei sachlicher Unrichtigkeit der im Vorprozess getroffenen Entscheidung eintritt, ist es unerheblich, dass die Unrichtigkeit später höchstrichterlich bestätigt wird (vgl. dazu und zum folgenden ebenfalls BVerwG, Urt. v. 08. Dezember 1992 a.a.O.). Nur wenn eine gegen die Behörde gerichtete Klage rechtskräftig abgewiesen worden ist, kann eine neue höchstrichterliche Rechtsprechung Bedeutung erlangen (vgl. auch 48 Abs. 2 SGB X). Im vorliegenden Fall besteht jedoch eine andere Situation, da die Beklagte nach erfolgreicher Anfechtungsklage im Vorprozess unterlegen ist.
Allerdings kann der im Vorverfahren ergangene Beschluss des BSG vom 27. Juni 2001 dahingehend interpretiert werden, dass das BSG die Reichweite der Rechtskraft von Gerichtsurteilen, mit denen ein Verwaltungsakt aufgehoben wird, enger verstanden wissen will.
Die vorstehend erläuterte Auffassung, der zufolge auch die die Aufhebung des Bescheides tragenden Gründe von der Rechtskraft erfasst werden, zieht prozessrechtliche Konsequenzen nach sich. Erstreckt sich die Rechtskraft auch auf die Gründe des den Bescheid aufhebenden Urteils, dann ist die beklagte Behörde nicht nur durch die Aufhebung des Bescheides als solche, sondern auch durch die Gründe beschwert. Dementsprechend ist im Rechtsbehelfsverfahren nicht nur zu prüfen, ob die Aufhebung im Ergebnis rechtmäßig war, sondern auch, ob und inwieweit die in dem angefochtenen Urteil dargelegten Gründe sachlich zutreffen.
Ein engeres Verständnis würde die vom Gesetzgeber mit der Schaffung der Rechtsmittel der Revision und der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision angestrebte Rechtseinheit und Fortbildung des Rechts in Fällen der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz gefährden. Die Landessozialgerichte könnten sonst den Beteiligten rechtlich verbindlich vermittels der an der Rechtskraft teilhabenden Urteilsgründe eine von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende oder von ihr trotz grundsätzlicher Bedeutung jedenfalls noch nicht geprüfte Interpretation bundesrechtlicher Normen vorschreiben. Diese wäre einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ungeachtet der ihr zukommenden eigenständigen Bindungswirkung schon dann entzogen, wenn die vorinstanzliche Entscheidung auch nur einen weiteren Fehler des aufgehobenen Verwaltungsaktes aufzeigt und wenn bezüglich dieses weiteren Fehlers kein Grund zur Zulassung der Revision vorliegt oder jedenfalls im Verfahren vor dem BSG ein solcher von dem Beschwerdeführer bzw. Revisionskläger nicht geltend gemacht wird.
Wird beispielsweise die Aufhebung einer Verfügung damit begründet, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage gefehlt hätten, dass aber die Behörde jedenfalls das ihr eingeräumte Rechtsfolgenermessen fehlerhaft ausgeübt habe, dann ist es für die beklagte Behörde von weit reichender Bedeutung, ob im Rechtsbehelfsverfahren nur der letztere oder beide Aufhebungsgründe sachlich bestätigt werden: Hat sie lediglich ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, dann steht ihr der Erlass eines erneuten Bescheides frei, sofern sie dabei den beanstandeten Ermessensfehler vermeidet. Fehlen hingegen schon die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage, dann steht rechtskräftig fest, dass sie - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - einen vergleichbaren Bescheid überhaupt nicht erlassen darf.
Dementsprechend kommt ein Teilerfolg der Behörde im Rechtsbehelfsverfahren auch in der Form in Betracht, dass zwar die Aufhebung des Bescheides im Ergebnis bestätigt wird, diese jedoch abweichend vom vorinstanzlichen Urteil auf Gründe gestützt wird, die die Behörde weniger stark belasten, ihr namentlich weiter gehende Möglichkeiten zum erneuten Erlass eines vergleichbaren Bescheides belassen.
Konsequenterweise darf in einem gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerdeverfahren ausgehend von der vorstehend erläuterten Reichweite der Rechtskraft eine Rüge gegen einen die Aufhebung des Bescheides tragenden Grund nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass diese Aufhebung in dem angefochtenen Urteil auch auf weitere Gründe gestützt worden sei. Da die Behörde nicht nur durch die Aufhebung als solche, sondern auch durch die dafür maßgeblichen an der Rechtskraft teilhabenden Gründe beschwert ist, sind auch diese Gründe als solche im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen.
Dies gilt unbeschadet des Grundsatzes, dass bei mehreren selbstständig tragenden Gründen des angefochtenen Urteils jeder Grund für sich gewürdigt werden muss: Ist ein Berufungsurteil in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet worden, so kann einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur stattgegeben werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. Pietzner in Schoch, Schmidt-Aßmann, Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 132 Rn. 53; BVerwG, B. v. 28. September 1990 - 9 B 107/90 - NVwZ 1991, 376, und B. v. 20. August 1993 - 9 B 512.93 - DVBl. 1994, 210; BSG, B. v. 19. Juni 1975 - 12 BJ 24/75 - SozR-1500 § 160a SGG, Nr. 5).
Bei Anwendung dieses Rechtsgrundsatzes korrespondiert der maßgebliche Inhalt des "Urteils" mit seiner Rechtskraftwirkung. Soweit die Entscheidungsgründe - etwa bei der Aufhebung von Verwaltungsakten oder bei Bescheidungsurteilen - an der Rechtskraft teilhaben, wird das "Urteil" nur dann von mehreren Gründen jeweils selbstständig getragen, wenn und soweit auch die an der Rechtskraft teilhabenden Gründe ihrerseits auf mehrere selbstständige Argumente gestützt werden. Eine Mehrfachbegründung des "Urteils" im vorstehend erläuterten Sinne liegt hingegen in solchen Fallgestaltungen nicht bereits dann vor, wenn der Tenor der Entscheidung auf mehrere Gründe gestützt wird, die ihrerseits erst die Rechtskraftwirkung des Urteils und damit die Reichweite des Urteils festlegen und damit letztlich das "Urteil" bilden. Zwei Gründen, die an der Rechtskraft des Urteils jeder für sich teilhaben, mangelt es an der erforderlichen "Gleichwertigkeit" (vgl. Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 61. Aufl., § 543 Rn. 5), sie sind im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung des Urteils nicht austauschbar.
Im Ergebnis ist das BSG von dieser Auffassung in dem Beschluss vom 27. Juni 2001 jedenfalls insoweit abgewichen, als es eine Befassung mit der Frage, ob überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage für die seinerzeit erlassene Verbotsverfügung bestand, mit der Begründung abgelehnt hat, dass das damalige Berufungsurteil des Senates einen weiteren, selbstständigen rechtlichen Gesichtspunkt in Form einer fehlerhaften Ermessensausübung anführe. Nach der vorstehend erläuterten Auffassung bildeten im damaligen Senatsurteil die Darlegungen zur fehlenden Ermächtigungsgrundlage einerseits und zur fehlerhaften Ermessensausübung andererseits nicht lediglich nebeneinander stehende selbstständige Begründungen des von der Rechtskraft erfassten Entscheidungsinhalts. Vielmehr waren sie selbst Bestandteil der mit der Entscheidung getroffenen und von der Rechtskraft erfassten Regelung.
Da der Beschluss des BSG vom 27. Juni 2001 sich mit der vorstehend angesprochenen Problematik nicht näher auseinander setzt, sich namentlich nicht von der zitierten Entscheidung des BVerwG vom 08. Dezember 1992 abgrenzt, gibt er dem Senat keinen Anlass, die erläuterte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Reichweite der Rechtskraft bei kassatorischen Entscheidungen in Anfechtungssachen in Zweifel zu ziehen.
4.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch unter Annahme eines vom Disziplinarausschuss zutreffend festgestellten Pflichtverstoßes dieser rechtsfehlerhaft geahndet worden ist. Wie bereits dargelegt, steht die Auswahl der Disziplinarmaßnahme und die Festsetzung ihrer Höhe im Ermessen des Disziplinarausschusses; im vorliegenden Fall hat er aber von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nicht entsprechenden Weise dadurch Gebrauch gemacht, dass er die Schuld des Klägers mindernde Umstände nur unzureichend und fehlerhaft schulderschwerende Momente berücksichtigt hat.
Bei der Rechtsfolgenbemessung hat der Disziplinarausschuss zu Lasten des Klägers berücksichtigt, dass er sich durch die Bescheide der Beklagten nicht habe beeinflussen lassen und ungeachtet ihrer die unzulässigen Sprechstunden zumindest bis zum 25. Februar 1998 fortgesetzt habe. Der damit offenbar in erster Linie angesprochene Bescheid der Beklagten vom 20. August 1997 war aber nicht geeignet, dem Kläger die Rechtslage zu verdeutlichen, er konnte von ihm vielmehr gerade dahingehend interpretiert werden, dass sein Verhalten kein genehmigungspflichtiges Führen einer Zweigpraxis darstelle. Insbesondere hat die Beklagte in diesem Schreiben ausdrücklich dargelegt, dass sich eine - genehmigungsfreie - Besuchsbehandlung von Patienten erst dann zu einer genehmigungspflichtigen Zweigpraxis "verdichte", wenn an einem Ort außerhalb der Praxis ein "üblicher Praxisbetrieb eröffnet werde" und darüber hinaus die dort zu versorgenden Patienten faktisch die freie Arztwahl nicht mehr hätten. Auch wenn die Verbotsverfügung insgesamt zum Ausdruck brachte, dass die Beklagte sein Verhalten für unerlaubt erachtete, so konnte der Kläger doch gerade aus solchen Begründungsansätzen den Schluss ziehen, dass unter bestimmten Voraussetzungen sein Verhalten erlaubt sein könnte. Insbesondere lagen im vorliegenden Fall, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. November 2000 dargelegt hat, keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die in der Zweigpraxis zu versorgenden Patienten faktisch nicht mehr über die freie Arztwahl verfügten. Mithin lag für den Kläger der Schluss nahe, dass es an dieser Voraussetzung und damit an einer der beiden von der Beklagten ausdrücklich kumulativ aufgeführten Voraussetzungen für die Annahme einer Zweigpraxis fehle. Dementsprechend machte gerade der Bescheid der Beklagten vom 20. August 1997 deutlich, dass zur damaligen Zeit - Jahre vor Erlass des vorstehend herangezogenen BSG-Urteils vom 12. September 2001 - auch bei den zuständigen Fachbehörden erhebliche Unklarheiten über die Reichweite des Genehmigungserfordernisses für das Führen von Zweigpraxen bestanden. Im gleichen Sinne ist auch der Umstand zu werten, dass die Beklagte, was der Disziplinarausschuss zumindest als wahr unterstellt hat, in anderen Fällen das Führen vergleichbarer Zweigpraxen geduldet hat.
Bestehen aber selbst bei den zuständigen Fachbehörden Unklarheiten über die Reichweite eines Ge- oder Verbotes, dann ist regelmäßig das Verschulden eines sich im Ergebnis pflichtwidrig verhaltenden Vertrags(zahn-)Arztes als eher gering zu werten. Regelmäßig wird in solchen Fällen nur der Ausspruch einer Verwarnung oder die Verhängung eines Verweises angemessen sein, solange keine konkrete Beeinträchtigung der Behandlungsqualität oder der finanziellen Interessen der Krankenkassen und/oder der Patienten festzustellen ist. Auch der Ausspruch nur einer Verwarnung ist insbesondere geeignet, die in solchen Fällen mit der Durchführung eines Disziplinarverfahrens vielfach erst angestrebte Rechtsklarheit herbeizuführen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in der im vorliegenden Rechtsstreit noch anzuwendenden bis zum 1. Januar 2002 maßgeblichen Fassung.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).