Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.02.2003, Az.: L 4 KR 69/01
Gewährung von weiterer Kostenerstattung für implantatgestützten Zahnersatz; Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung; Begriff der "absoluten Indikation"
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.02.2003
- Aktenzeichen
- L 4 KR 69/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20017
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0226.L4KR69.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück - AZ: S 3 KR 134/97
Rechtsgrundlage
- § 13 Abs. 1 SGB V
Redaktioneller Leitsatz
Zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil des Versicherten muss ein Kausalzusammenhang bestehen, ohne den die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von weiterer Kostenerstattung für implantatgestützten Zahnersatz.
Für die im Februar 1941 geborene Klägerin reichte der Zahnarzt Dr. C. am 24. Oktober bzw. 7. November 1996 bei der Beklagten einen Heil- und Kostenplan ein, mit dem eine implantatgestützte Versorgung im Bereich des linken Oberkiefers vorgesehen war. Die Beklagte veranlasste am 7. November 1996 eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN). Nach den eigenen Angaben der Klägerin begann ihre Behandlung am 13. November 1996. Der Gutachter Zahnarzt Dr. D. vom MDKN gab unter dem 18. November 1996 der Beklagten gegenüber an, dass für die beantragte Versorgung mit zwei Implantaten für den linken Oberkiefer der Klägerin eine absolute Implantatindikation nicht bestehe. Vielmehr sei auch eine Versorgung mit konventionellem Zahnersatz möglich. Mit Datum vom 3. Dezember 1996 wurden dem Ehemann der Klägerin zwei Modelle und Röntgenplatten ausgehändigt und von der Beklagten mitgeteilt, dass eine Implantatlösung von der Beklagten nicht bezuschusst werden könne. Mit Bescheid vom 25. März 1997 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die beantragte Versorgung mit Zahnersatz einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.584,30 DM. Dabei handelte es sich um 60 % des Betrages, wie er bei einer Kassenleistung gegeben wäre. Eine Bezuschussung für die Implantatversorgung lehnte die Beklagte ab. Auf den Widerspruch der Klägerin lehnte die Beklagte eine weitere Kostenerstattung mit Bescheid vom 6. Juni 1997 erneut ab. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 1997 zurück.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass vor dem 1. Januar 1997 implantatgestützter Zahnersatz keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sei. Auch nach neuem Recht habe die Klägerin keinen Anspruch auf die beantragten Leistungen, weil die dafür erforderliche Ausnahmeindikation in ihrem Falle nicht gegeben sei. Dies folge aus dem im Vorverfahren eingeholten Gutachten von Prof Dr. E. vom 22. September 1997. Demgegenüber habe der auf Antrag der Klägerin im Gerichtsverfahren gehörte Gutachter Prof Dr. Dr. F. in seinem Gutachten vom 7. Januar 2000 den Begriff der "absoluten Indikation" verkannt. Allein die Tatsache, dass nach Jahren mit einem vorzeitigen Verlust der Zähne gerechnet werden müsse und eventuell eine Totalprothese zu fertigen wäre, stelle keine absolute Indikation für eine Implantat-Versorgung dar.
Gegen diesen ihren Bevollmächtigten am 6. Februar 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. März 2001 rechtzeitig Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass für ihren Anspruch die bis Ende 1996 geltende Rechtslage maßgebend sei, weil zum einen der Antrag bis dahin bereits gestellt und zum anderen die Maßnahme bereits begonnen worden sei. Aus dem Gutachten von Prof Dr. Dr. F. folge zudem, dass für die Versorgung mit implantatgestütztem Zahnersatz eine absolute Indikation gegeben sei. Da vor dem 1. Januar 1997 eine gesetzliche Regelung gefehlt habe, sei vor diesem Hintergrund die beantragte Versorgung mit Zahnersatz als Sachleistung von der Beklagten zu erbringen gewesen.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 29. Januar 2001 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. März 1997 und 6. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 1997 zu ändern,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, zu den von ihr aufgewendeten Kosten für Implantatgestützten Zahnersatz in Höhe von 10.449,41 DM den gesetzlichen vorgesehenen Zuschuss zu zahlen, abzüglich bereits geleisteter Erstattung in Höhe von 1.584,30 DM.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für rechtmäßig und verweist auf die angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gem §§ 143 und 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet.
Das SG und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass die Klägerin über den bereits geleisteten Erstattungsbetrag von 1.584,30 DM keinen Anspruch auf weitere Leistungen für ihre Versorgung mit implantatgestützten Zahnersatz beanspruchen kann.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist, nachdem die Leistung bereits erbracht und von ihr bezahlt wurde, § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch -SGB V-. Diese Vorschrift lautet: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Voraussetzung 1) oder hat sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt (Voraussetzung 2) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Nach der Rechtsprechung des Bundesssozialgerichts (BSG) muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (bei Voraussetzung 1: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistungserbringung; bei Voraussetzung 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Kausalzusammenhang bestehen, ohne den die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist. Das bedeutet zum einen, dass die Krankenkasse nur für solche Leistungen aufzukommen hat, die sie auch bei rechtzeitiger bzw. ordnungsgemäßer Bereitstellung der geschuldeten Behandlung hätte gewähren müssen. Des Weiteren bedeutet es, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese nicht unaufschiebbar war, nur zu ersetzen sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hatte. Ein Kausalzusammenhang und damit ein Anspruch auf Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen oder deren Entscheidung abzuwarten (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 15 Seite 74). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates (vgl zuletzt Senatsurteile vom 27. August 2002 - L 4 KR 152/00 - m.w.N., und 30. Oktober 2002 - L 4 KR 123/00 -).
Über den von der Klägerin gestellten Antrag auf Kostenerstattung, der konkludent mit der Einreichung der Heil- und Kostenpläne durch Dr. C. am 24. Oktober bzw. 7. November 1996 gestellt wurde, hat die Beklagte gegenüber dem Ehemann der Klägerin am 3. Dezember 1996 eine ablehnende Entscheidung erklärt und dabei Bezug auf das Gutachten des MDKN vom 18. November 1996 genommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Behandlung bei Dr. C. nach den eigenen Angaben der Klägerin bereits begonnen, denn mit Schriftsatz vom 18. Januar 2003 haben die Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass die Behandlungen am 13. November 1996 begonnen haben. Bei dieser Sachlage fehlt es an der notwendigen Kausalität zwischen der die Klägerin treffenden Kostenlast gegenüber dem Leistungserbringer und der möglicherweise unrichtigen Entscheidung der Krankenkasse. Die Klägerin hat deshalb auch keinen Anspruch auf weitere Zahlungen durch die Beklagte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es hat keine Veranlassung bestanden, die Revision zuzulassen.